BFH Urteil v. - II R 26/98 BStBl 2000 II S. 596

Die Übernahme einer Bürgschaft und die nachfolgende Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger können nur ausnahmsweise eine freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner darstellen

Leitsatz

1. Die Übernahme einer Bürgschaft als solche stellt keine freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Gleiches gilt für Leistungen des Bürgen an den Gläubiger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung.

2. Die Bestellung einer Bürgschaft und die nachfolgende Inanspruchnahme des Bürgen können ausnahmsweise als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner angesehen werden, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner von dem Bürgen endgültig von der gegen ihn (weiter-) bestellenden Forderung befreit werden sollte. Die bloße Möglichkeit, als Bürge aus der Bürgschaft in Anspruch genommen zu werden und mit dem übergegangenen Anspruch gegen den Schuldner auszufallen, reicht für eine derartige Annahme nicht.

Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 5BGB § 765 Abs. 1BGB § 774 Abs. 1 und 2FGO § 76 Abs. 1

Instanzenzug: FG Nürnberg (EFG 1997, 894) (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I.

Zur teilweisen Umschuldung von Darlehen hatte die H-Bank dem Kläger 1983 einen Kontokorrentkredit über 500 000 DM eingeräumt, für den sich seine Mutter (M) selbstschuldnerisch verbürgte. M wurde 1987 aus dieser Bürgschaft von der H-Bank in Anspruch genommen und zahlte am in Teilerfüllung ihrer Bürgschaftsverpflichtung 250 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheid vom wegen einer Schenkung der M ,,vom '' in Höhe von 250 000 DM gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von . . . DM fest.

Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage machte der Kläger geltend, . . . den von M am an die H-Bank geleisteten Betrag von 250 000 DM habe er am an M zurückgezahlt. . . .

Das FG hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 894 veröffentlichten Urteil abgewiesen.

Mit der Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel geltend.

Er beantragt, das , die Schenkungsteuerbescheide vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. . . . Der die Zahlung von M aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung betreffende Schenkungsteuerbescheid ist aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Zu Unrecht hat das FG insoweit angenommen, dass die Zahlung von M zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung eine freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) darstellt.

1. . . .

2. . . .

a) Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass der Kläger durch die Inanspruchnahme der M auf Zahlung von 250 000 DM am aus der von ihr eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung auf Kosten der M bereichert worden sei.

Die Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung als solche stellt keine freigebige Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 an den (Haupt-)Schuldner dar, weil durch sie lediglich die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner durch Übernahme der Hilfsschuld gesichert wird (§ 765 BGB); eine Bereicherung des Schuldners tritt damit nicht ein.

Auch durch die Leistung des Bürgen an den Gläubiger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung wird der Schuldner nicht auf Kosten des Bürgen bereichert, denn soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, erlischt die Forderung gegen den (Haupt-)Schuldner nicht, vielmehr geht die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen über (§ 774 Abs. 1 BGB).

Ausnahmsweise kann die Leistung des Bürgen aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung allerdings dann als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner angesehen werden, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner von dem Bürgen endgültig von der gegen ihn (weiter-)bestehenden Forderung befreit werden sollte. Die bloße Möglichkeit, als Bürge aus der Bürgschaft zukünftig in Anspruch genommen zu werden und mit dem übergegangenen Anspruch gegen den Schuldner auszufallen, reicht für eine solche Annahme nicht aus, denn diese Unsicherheit wohnt jeder Bürgschaftsverpflichtung inne; ein endgültiger Verzicht auf den für diesen Fall vom Gesetz (§ 774 BGB) vorgesehenen Rückgriffsanspruch lässt sich deshalb entgegen der Auffassung des FG daraus gerade nicht ableiten. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Übernahme einer Bürgschaft z. B. bei einer endgültig aussichtslosen Vermögenslage des Schuldners eine solche Annahme rechtfertigen kann, braucht nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Denn M hat die Bürgschaft gegenüber der H-Bank schon 1983, also vier Jahre vor ihrer Inanspruchnahme übernommen, zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger für die H-Bank noch kreditwürdig war und - wie das FG ausführt - ,,ein Vermögensverfall des Klägers sich . . . noch nicht abzeichnete''.

b) Die Sache ist . . . spruchreif.

Gegenstand des Bescheides ist eine ,,Schenkung . . . vom '' und damit die Zahlung der M aufgrund ihrer Bürgschaftsverpflichtung. Die Zahlung auf die Bürgschaftsverpflichtung erfüllt jedoch keinen in § 7 Abs. 1 ErbStG aufgeführten Tatbestand. Anhaltspunkte dafür, M habe den Kläger mit der Befriedigung der H-Bank von der gegen ihn weiter bestehenden Forderung endgültig befreit, bestehen nicht.

Ob M auf ihre Rückgriffsansprüche gegen den Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt rechtswirksam verzichtet hat bzw. ob in dem Verhalten (Untätigbleiben) der M gegenüber dem Kläger nach Zahlung der 250 000 DM an die H-Bank ein solcher Verzicht gesehen werden könnte, braucht nicht entschieden zu werden. Denn ein Forderungsverzicht ist sachverhaltlich nicht Gegenstand des angefochtenen Steuerbescheides und vermag diesen deshalb auch nicht zu rechtfertigen.

Der Bescheid und die Einspruchsentscheidung betreffend eine Schenkung vom über 250 000 DM waren daher ersatzlos aufzuheben.

Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 596
BB 2000 S. 2297 Nr. 45
BFH/NV 2000 S. 1557 Nr. 12
DStR 2000 S. 1866 Nr. 44
DStRE 2000 S. 1208 Nr. 22
FR 2000 S. 1287 Nr. 23
INF 2000 S. 766 Nr. 24
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