Online-Nachricht - Donnerstag, 09.06.2022

Stromsteuer | Keine Entlastung nach § 9b, § 10 StromStG für Unternehmen in Schwierigkeiten (BFH)

Die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG sind Beihilfen i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Der Anwendung von § 9b, § 10 StromStG steht im Jahr 2016 für Unternehmen in Schwierigkeiten das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV entgegen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 9b Abs. 1 StromStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist.

Nach § 10 Abs. 1 StromStG wird die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Abs. 2 oder Abs. 3 StromStG, entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 1.000 € übersteigt. Eine nach § 9b StromStG mögliche Steuerentlastung wird dabei abgezogen.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 mit einem Stammkapital von 100.000 € gegründete GmbH. Ihr nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag belief sich im Jahr 2015 auf 1.746.204 € und im Jahr 2016 auf 2.220.370 €. Sie erzielte im Jahr 2015 und im Jahr 2016 Verluste. Nach der Stellungnahme der von der Klägerin beauftragten Rechtsanwältin zur wirtschaftlichen Situation der Klägerin unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten war die Klägerin bereits zum überschuldet; stille Reserven waren der Stellungnahme zufolge nicht vorhanden, es bestand jedoch eine positive Fortführungsprognose.

Für das erste Halbjahr 2016 gewährte das Hauptzollamt (HZA) der Klägerin eine Steuerermäßigung nach § 9b StromStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) vom . Am beantragte die Klägerin Steuerentlastungen nach § 9b StromStG für das zweite Halbjahr 2016 und nach § 10 StromStG für das gesamte Jahr 2016.

Diese Anträge lehnte das HZA mit Bescheiden vom mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sog. Unternehmen in Schwierigkeiten sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften.

Im Kern ging es im Streitfall um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Einsprüche und Klage blieben erfolglos ().

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG sind aufgrund ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen und unterliegen als solche dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergibt sich auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen.

  • Für die Einordnung eines Unternehmens als Unternehmen in Schwierigkeiten kommt es nach Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nur auf das einzelne Unternehmen, nicht jedoch auf die wirtschaftliche Einheit (Konzernverbund) an, in den das einzelne Unternehmen eingebunden ist.

  • Für ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der AGVO kommt es bei Erfüllung der Voraussetzung des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht darauf an, ob im Einzelfall eine positive Fortführungsprognose besteht. Eine solche Einschränkung ist nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen. Dem Unionsgesetzgeber kam es gerade darauf an, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 24 v. ; (RD)

Fundstelle(n):
NWB SAAAI-63109