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NWB-EV Nr. 7 vom Seite 214

Status quo bei der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen

Die Lehren aus dem Weg zur finalen Fassung des

Dr. Steffen Kranz, LL.M.

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung betreffend Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token im offengelegt. Die Einordnung von virtuellen Währungen als andere Wirtschaftsgüter i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG wird innerhalb der finanzgerichtlichen Urteile und dem BMF-Schreiben einheitlich und eindeutig bejaht. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den Status quo zur Ertragbesteuerung von virtuellen Währungen, wie er sich auf Basis finanzgerichtlicher Urteile und des BMF-Schreibens in wesentlichen Punkten darstellt. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Darstellung aufgrund der voranschreitenden Dynamik des Themas nur eine Wasserstandsmeldung ist.

Kernaussagen
  • Nach der Finanzverwaltung kommt die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG bei virtuellen Währungen nicht zur Anwendung.

  • Im Rahmen von Proof-of-Stake-Netzwerken muss hinsichtlich der Aktivitäten der Steuerpflichtigen nach Ansicht der Finanzverwaltung zwischen dem sogenannten Forging und dem sogenannten Staking unterschieden werden.

  • In den Fällen von Mining (bei Proof of Stake) und Forging vermutet die Finanzverwaltung, dass eine gewerbliche Betätigung und somit keine private Vermögensverwaltung vorliegt.

  • Einnahmen aus dem Staking sollen nach Auffassung der Finanzverwaltung zu den Einkünften aus Leistungen i. S. von § 22 Nr. 2 EStG gehören.

  • Mining und Forging stellen nach Ansicht der Finanzverwaltung sowohl in Bezug auf die Block Rewards als auch die Transaktionsgebühren Anschaffungsvorgänge dar.

  • Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind Einheiten einer virtuellen Währung als mit Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte und damit als Wirtschaftsgüter i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG anzusehen.

  • Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten sind nicht Gegenstand des BMF-Schreibens, sondern sollen im Rahmen einer ersten Ergänzung des BMF-Schreibens behandelt werden, wobei mit der Veröffentlichung dieser Ergänzung nicht vor dem 4. Quartal 2022 zu rechnen sein dürfte.

I. Bisherige Wegpunkte

1. Situation bis Juni 2021

Ein Blick zurück in die erste Jahreshälfte 2021: Investoren der ganzen Welt konnten das 12-jährige Bestehen von Bitcoin/BTC und die unvergleichliche Erfolgshistorie dieser Kryptowährung feiern. Bis dato konnte dieses „aus dem Nichts“ erschaffene Anlage- und Transaktionsgut zusammen mit den anderen mittlerweile emporgestiegenen Kryptowährungen (sogenannte Altcoins) eine Marktkapitalisierung von ca. 2 Bill. €, und damit ca. 20 % der Marktkapitalisierung des weltweiten Goldbestandes aufbauen. Die realisierten Gewinnspannen waren immens, weshalb zunehmend private und institutionelle Investoren, Banken aber auch Staaten ihr Interesse an Kryptowährungen anmeldeten und ihren Nutzen hieraus zogen. Der dezentrale Ansatz von Kryptowährungen und vieler Tauschbörsen ermöglichte es dabei, im nicht regulierten Bereich Tauschgewinne und Renditen zu erzielen. Über zentral verwaltete Börsen konnte zudem grundsätzlich jeder seinen Kryptowährungsbestand in sogenanntes Fiatgeld versilbern oder gegen Fiatgeld sein Portfolio an Kryptowährungen aufstocken.

In welchem Umfang hierbei in Deutschland steuerpflichtige Personen beteiligt waren und in welchen Fällen die deutschen Steuerbehörden von diesen Aktivitäten in Unkenntnis gelassen worden sind, lässt sich nur erahnen. In Anbetracht der enormen wirtschaftlichen Bedeutung, die S. 215Kryptowährungen mittlerweile aufgebaut hatten, hatten bis dato jedenfalls überraschend wenig finanzbehördliche Verfahren den Weg zu den Finanzgerichten gefunden. Lediglich drei finanzgerichtliche Entscheidungen waren veröffentlicht, wobei hiervon nur das FG Baden-Württemberg im Jahr 2021 ein Urteil zu sprechen hatte, während das FG Berlin-Brandenburg und das FG Nürnberg bereits im Jahr 2019 „nur“ im Beschlusswege im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden hatten. Der BFH hatte bisher noch keine Gelegenheit, zu der Ertragbesteuerung von Kryptowährungen Stellung zu beziehen.

Das Streitpotenzial war zu dieser Zeit nicht nur aufgrund des wirtschaftlichen Gewichts von Kryptowährungen groß. Es fehlte zudem – neben einschlägigen Entscheidungen des BFH – nicht nur an speziellen Vorschriften zur Ertragbesteuerung von Kryptowährungen, sondern auch an Verwaltungsanweisungen auf Bundesebene, der die finanzbehördliche Ansicht hinsichtlich der Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Ertragsteuerrechts auf Transaktionen und Tätigkeiten im Bereich Distributed Ledger hätte entnommen werden können. Nur vereinzelt hatten Landesfinanzbehörden zu diesem Thema Stellung genommen, wobei sich die Aussagen insoweit im Wesentlichen darauf beschränkten, dass die Veräußerung von Kryptowährungen zu Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG führen können soll und im Fall beim Mining von Einkünften aus Gewerbebetrieb, jedoch nicht von einem Anschaffungsvorgang auszugehen sei.

2. Entwurf des BMF-Schreibens im Juni 2021

Im Juni 2021 veröffentlichte das BMF dann den Entwurf eines BMF-Schreibens betreffend Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token (nachfolgend kurz „Entwurf“ genannt) und lud zur Stellungnahme ein. Von dieser Möglichkeit wurde vonseiten der Verbände und Berater dann auch zahlreich und umfänglich Gebrauch gemacht. Neben dem grundsätzlich zugesprochenen Lob für den Ansatz, durch das Voranstellen eines Erläuterungsteils, in dem zum Zweck eines gemeinsamen Sachverständnisses Begriffe definiert und technische Abläufe beschrieben wurden, wurde auch umfänglich Kritik geübt, insbesondere hinsichtlich der Ausführungen zu der ertragsteuerrechtlichen Einordnung in Teil II des Entwurfs.

Dem Entwurf folgte am eine vom BMF abgehaltene Anhörung, in der zu verschiedenen Kritikpunkten Stellung bezogen wurde. Das BMF nahm sich von da ab weitere neun Monate Zeit, um sich intern noch einmal mit den einzelnen Punkten auseinanderzusetzen, bevor es dann am das lang erwartete Schreiben betreffend Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token (datierend auf den ; nachfolgend kurz „BMF-Schreiben“ genannt) online zum Abruf bereitgestellt hat.

3. Rechtsprechung

In der Zwischenzeit hatte auch das FG Köln als zweites Finanzgericht zur Ertragbesteuerung von Kryptowährungen geurteilt und erfreulicherweise bekommt hierdurch nun der BFH die Gelegenheit, im Rahmen der Revision zu wesentlichen Rechtsfragen Stellung zu beziehen, wie z. B.

  1. Fällt eine Kryptowährung begrifflich unter das Tatbestandsmerkmal eines anderen Wirtschaftsguts i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und damit in den Anwendungsbereich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften?

  2. Liegt bezüglich der Aufdeckung von Transaktionen mit Kryptowährungen ein Vollzugsdefizit vor?

Der gesamte Prozess und die in diesem Rahmen geführten Diskussionen veranschaulichen, dass das Thema „Ertragbesteuerung von Kryptowährungen bzw. virtuellen Währungen“ erst am Anfang steht und die Aufbereitung und ertragsteuerliche Würdigung von Sachverhalten rund um die Distributed Ledger Technologie nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Steuerrechts höchst streitanfällig ist.

II. Wesentliche Punkte der Ertragbesteuerung im Status quo

1. Begriffe „Kryptowährung“ und „virtuelle Währungen“

Augenscheinlich verfolgen die Finanzgerichte einerseits und das BMF andererseits eine andere Terminologie. Die Finanzgerichte verwenden den landläufig gebräuchlichen Begriff Kryptowährungen bzw. allgemein Kryptowerte, definieren diesen jedoch nicht, sondern ziehen ihn ohne Weiteres als Oberbegriff für Bitcoin, Ethereum, Monero & Co. heran.

Das BMF hingegen verwendet für sogenannte Currency und Payment Token grundsätzlich den Begriff „virtuelle Währungen“ und definiert diesen gesondert, um auf dieser Basis sowohl den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens als auch die Qualifikation als Wirtschaftsgut festzumachen. Die Definition erfolgt explizit in Anlehnung an die Definition des EU-Rechts, wie sie in Art. 3 Nr. 18 der EU-Richtlinie 2015/849 v. , geändert durch die Art. 1 Nr. 2 Buchst. d der EU-Richtlinie 2018/843 v.  enthalten ist. Statt S. 216jedoch diese Definition inhaltsgleich zu übernehmen, nahm das BMF an einigen Stellen Anpassungen vor und definierte den Begriff „virtuelle Währungen“ in Rz. 1 des BMF-Schreibens als

„digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.“

Das BMF passt also die noch im Entwurf enthaltene Definition an, die – insoweit inhaltsgleich mit der Definition des EU-Rechts – noch wie folgt lautete:

„[...] digital dargestellte Werteinheiten von Währungen, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber deren Werteinheiten von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.“

Damit reagierte das BMF auf den Schritt von El Salvador, Bitcoin/BTC (neben US-Dollar) ab als erstes Land der Welt als offizielle Landeswährung zu akzeptieren, wodurch Bitcoin/BTC nach der Definition des Entwurfs nicht mehr als „virtuelle Währung“ einzuordnen gewesen wäre. Die im BMF-Schreiben angepasste Definition fängt diese Situation ab, in dem der gesetzliche Status einer Währung oder von Geld nun davon abhängig sein soll, dass die digital dargestellten Werteinheiten von einer Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden. Zudem bezieht sich die Definition auch nicht mehr auf „digital dargestellte Werteinheiten von Währungen“, sondern nur noch auf „digital dargestellte Werteinheiten“.

Das Ziel des BMF, Bitcoin/BTC sowie zukünftig ggf. auch andere Währungen (weiterhin) zu erfassen, die von anderen Ländern den gesetzlichen Status einer Währung oder Geld innehaben, dürfte damit erreicht worden sein. Allerdings besteht im Beratungsfeld „Kryptowerte“ – und dies liegt in der Natur der Sache begründet – ein wesentliches Problem seit jeher darin, dass keine zentralen Definitionen von Begriffen existieren. Die hieraus resultierende Hürde für die Kommunikation in dieser grenzüberschreitenden Materie wird aber jedenfalls nicht geringer, wenn die deutsche Finanzverwaltung Begriffe des EU-Rechts zwar grundsätzlich übernimmt, diese dann jedoch wieder autonom (abweichend) definiert.

2. Wirtschaftsgut i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG

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Seiten: 6
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