Anordnung häuslicher Quarantäne nach einem Auslandseinsatz
Leitsatz
Die Weisung Nr. 5 "Weisung für Maßnahmen bei Ein- und Ausreisen für im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätigen Personals im Zusammenhang mit der Lage COVID-19" vom ist keine unmittelbar anfechtbare truppendienstliche Maßnahme.
Gesetze: § 18 Abs 3 WBO, § 21 Abs 2 S 1 WBO, § 10 Abs 4 SG, § 11 SG, § 30 Abs 1 S 2 IfSG, § 54a IfSG
Tatbestand
1Der Antrag betrifft die Anordnung häuslicher Quarantäne nach einem Auslandseinsatz.
2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Facharzt für ... Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März ... enden. Im November ... wurde er zum Oberfeldarzt befördert. Seit Juni 2006 wird er beim Bundeswehrkrankenhaus ... - derzeit als Oberarzt der Klinik ... im Funktionsbereich ... - verwendet. Er war mehrfach zu Auslandseinsätzen kommandiert, zuletzt vom bis zum nach Masar-e-Sharif.
3Nach seiner Rückkehr aus Afghanistan befand sich der Antragsteller vom bis zum in häuslicher Absonderung. Nach eigenen Angaben ist ihm am vor seiner Abreise in den Einsatz durch das Lagezentrum des Bundeswehrkrankenhauses ... mündlich mitgeteilt worden, er habe sich nach der Rückkehr nach Deutschland in Quarantäne zu begeben.
4Dem lag die Weisung Nr. 5 "Weisung für Maßnahmen bei Ein- und Ausreisen für im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätigen Personals im Zusammenhang mit der Lage COVID-19" vom zugrunde. Diese lautet auszugsweise:
"3. Durchführung
a. (...)
I. (...)
II. Bei Rückkehr aus Einsätzen, Missionen, EV sowie DEA aus dem Ausland ist das Personal als Selbstbeschränkung der Bw grundsätzlich und unverzüglich in Verantwortung der truppendienstlichen Vorgesetzten in eine 14-tägige häusliche Quarantäne zu nehmen.
(...)
c. Maßnahmen zur Koordinierung
(1) Einzelbestimmungen:
• Grundsätzlich können Rückkehrende aus Einsätzen, Missionen oder EV sowie DEA aus dem Ausland mit Erreichen des PoD und erfolgter Erfassung/Belehrung in der zentralen Aufnahmeorganisation Kdo SKB direkt und unter Beachtung der Gesundheitsauflagen den Stammtruppenteilen übergeben und in die 14-tägige häusliche Quarantäne gem. Anl. 4 entlassen werden (z.B. Abholung durch Familienangehörige),
• Eine i.U./Quarantäne erfolgt für Angehörige Bw unter Überwachung durch die jeweils zuständige ÜbwStÖffRechtlAufgaben des SanDstBW im Zusammenwirken mit den regionalen Sanitätseinrichtungen (RegSanEinr),
• Rückkehrende ohne die Möglichkeit der Wahrnehmung einer häuslichen Quarantäne (bspw. wegen eines Risikofalls in der eigenen Familie o.ä.) werden auf Antrag der OrgBer in eine alternative (häusliche) Quarantäne (z.B. unter Nutzung Hotel für i.U.) durch Kdo SKB eingeschleust und betreut,
• (...)
• Ausnahmen von der i.U./häuslichen Quarantäne im Sinne dieser Weisung sind bei BMVg LZ Corona zu beantragen."
5Ein undatiertes, vom Kommandeur und Ärztlichen Direktor des Bundeswehrkrankenhauses ... unterzeichnetes Schreiben zum Betreff "Anordnung häuslicher Quarantäne nach Rückkehr aus dem Einsatzgebiet" gibt als Beginn der Quarantäne des Antragstellers den und als ihr Ende den an. Bemühungen des Kommandos Sanitätsdienst, das Datum dieses Schreibens und seine Aushändigung an den Antragsteller festzustellen, sind ohne Erfolg geblieben.
6Unter dem beschwerte sich der Antragsteller mit einem an den Kommandeur des Bundeswehrkrankenhauses ... adressierten und bei diesem am eingegangenen Schreiben gegen seine häusliche Absonderung. Diese sei ein Eingriff in seine Grundrechte insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Form eines Hausarrestes. Die Generalklausel des § 28 IfSG rechtfertige dies nicht. Er werde anders behandelt als zivile Einreisende. Die Maßnahme sei nicht angemessen. Die Bundeswehr sei durch § 54a IfSG nicht zu dieser Maßnahme ermächtigt.
7Mit Bescheid vom wies der Kommandeur Gesundheitseinrichtungen im Kommando Sanitätsdienst die Beschwerde zurück. Die Beschwerde richte sich gegen die undatierte Anordnung des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses ... Wann diese dem Antragsteller bekanntgegeben worden sei, sei nicht feststellbar. Die Beschwerde gegen den Dauerbefehl sei aber fristgerecht. Trotz der Erledigung durch Zeitablauf sei sie nach § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO zulässig. Sie sei aber unbegründet. Der Kommandeur sei als Vorgesetzter dem Antragsteller befehlsbefugt gewesen. Der Befehl habe dienstlichen Zwecken - dem Schutz der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr - gedient, nicht gegen die Menschenwürde verstoßen und stehe im Einklang mit der Rechtsordnung, insbesondere mit § 30 Abs. 1 IfSG, der nach § 54a IfSG durch die Weisung Nr. 5 konkretisiert werde. Der Befehl sei verhältnismäßig gewesen.
8Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit Bescheid vom zurück. Die isolierte Unterbringung des Antragstellers sei nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG rechtmäßig gewesen, weil der Kommandeur des Bundeswehrkrankenhauses ... als zuständiger Vorgesetzter den Antragsteller als ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG habe betrachten können. Jedenfalls sei die Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der Maßnahmen auch gegen Nichtstörer erlaube, gerechtfertigt. Die Bundeswehr sei nach § 54a Abs. 1 Nr. 1 IfSG auch zuständig, da die Anordnung während der Dienstausübung erfolgt sei und sich deshalb auch auf den Zeitraum außerhalb der Dienstausübung erstrecken dürfe. Ein anderes Verständnis der Norm würde zu einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führen. Die Voraussetzungen nach der Weisung Nr. 5 seien erfüllt. Der Kommandeur des Bundeswehrkrankenhauses ... sei der zuständige Vorgesetzte.
9Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom hat das Truppendienstgericht ... mit Beschluss vom an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Dieses sei sachlich zuständig, weil der Antragsteller sich gegen die Anordnung häuslicher Quarantäne in der Weisung Nr. 5 des Bundesministeriums der Verteidigung wende und nicht gegen einen entsprechenden Befehl des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses. Selbst wenn es ihn gegeben hätte, hätte er keine eigenständige Regelung enthalten.
10Der Antragsteller macht geltend, seine Beschwerde richte sich gegen seine häusliche Absonderung. Einen schriftlichen Befehl des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses ... habe er nicht erhalten. Er habe aber am im Lagezentrum des Bundeswehrkrankenhauses ... mündlich die Anweisung seines Vorgesetzten erhalten, sich nach Rückkehr aus dem Auslandseinsatz in häusliche Absonderung zu begeben. Auf Nachfrage sei ihm hierzu die Weisung Nr. 5 des Bundesministeriums der Verteidigung als Grundlage der Befehlsgebung übermittelt worden. Unklar sei, auf welche Rechtsgrundlage die Maßnahme gestützt werde. Das Infektionsschutzgesetz jedenfalls rechtfertige seine Absonderung nicht. Nach § 54a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 IfSG in der damals geltenden Fassung sei die Bundeswehr nicht zu der Maßnahme befugt gewesen. Er sei auch nicht ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG gewesen. Zum Zeitpunkt seiner Rückkehr aus dem Einsatz sei Afghanistan noch kein Risikogebiet gewesen. Er habe sich im Einsatzland in einer Enklave deutschen Rechts im Feldlager Mazar-e-Sharif aufgehalten und dort der Überwachung des Infektionsschutzes unterlegen. Die Pandemielage im Feldlager sei nicht mit der Lage im übrigen Land vergleichbar. Vor seinem Rückflug sei er ärztlich untersucht worden. Bei einer Erkrankung bzw. einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht hätte er das Flugzeug gar nicht besteigen dürfen. Ein abstraktes, minimales Restrisiko rechtfertige seine Absonderung nicht. Die Voraussetzungen des § 30 IfSG lägen nicht vor. Neben dieser Spezialregelung sei § 28 IfSG nicht mehr anwendbar. Die Maßnahme sei zudem unverhältnismäßig. Er werde außerdem schlechter gestellt als zivile Einreisende aus Afghanistan, für die es damals keine Quarantänepflicht gegeben habe. Die "Musterverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus" vom und die bei seiner Einreise geltende Corona-Einreiseverordnung des Landes ... seien zudem davon ausgegangen, dass Soldaten nach Einsatzrückkehr von der Quarantäne ausgenommen seien. Ein nicht auf das Infektionsschutzgesetz gestützter Befehl zur Absonderung verstoße gegen § 10 Abs. 4 SG.
11Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die ihm gegenüber getroffene Anordnung einer häuslichen Absonderung nach Rückkehr aus einem Auslandseinsatz in Afghanistan rechtswidrig gewesen sei.
12Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
die Sache an das Truppendienstgericht ... zurückzuverweisen,
hilfsweise den Antrag zurückzuweisen.
13Der Verweisungsbeschluss sei im Sinne von § 18 Abs. 3 WBO fehlerhaft. Gegenstand des Rechtsstreits sei der Befehl des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses ... Mit der Übergabe des Schriftstückes "Anordnung häuslicher Quarantäne nach Rückkehr aus dem Einsatzgebiet" habe dieser dem Antragsteller einen Befehl erteilt. Zwar sei die Aushändigung an den Antragsteller nicht feststellbar. Dieser müsse aber zumindest in sonstiger Weise von dem Befehl erfahren haben. Andernfalls sei nicht erklärbar, wieso er die Quarantäne absolviert habe. Die Weisung Nr. 5 sei keine unmittelbar gegen den Antragsteller wirkende Maßnahme. Sie werde erst durch inhaltliche Adaption seitens des truppendienstlichen Vorgesetzten inhaltlich hinreichend bestimmt. Diesem komme Ermessen über Ort, Beginn und Ende der häuslichen Isolierung zu. Spielraum bestehe nicht nur hinsichtlich des "ob", sondern auch des "wie" der Maßnahme. Im Übrigen sei die häusliche Quarantäne durch den hierfür zuständigen truppendienstlichen Vorgesetzten auch nach § 10 Abs. 4 i.V.m. § 6 SG auf der Grundlage der Weisung Nr. 5 rechtmäßig befohlen worden. Die Anordnung sei zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte geeignet und erforderlich sowie angemessen gewesen.
14Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Akten des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
15Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
161. Der Antragsteller hat einen konkreten Antrag formuliert. Dieser ist im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO). Dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerde- und im gerichtlichen Verfahren ist zu entnehmen, dass er sich gegen die Maßnahme wendet, die Grundlage seiner häuslichen Absonderung ist. Dies ist aber der dem Antragsteller mündlich erteilte Befehl seines Disziplinarvorgesetzten und nicht die Weisung Nr. 5 des Bundesministeriums der Verteidigung, die daher auch nicht unmittelbar Gegenstand des Verfahrens ist. Mit Schriftsatz vom hat der Antragsteller klargestellt, dass sich sein Antrag nicht unmittelbar gegen diese Weisung richten soll.
17Die Weisung Nr. 5 kann nicht unmittelbar mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen werden, weil es sich nicht um eine truppendienstliche Maßnahme handelt. Dienstinterne Anordnungen oder Weisungen, die sich an eine nachgeordnete militärische Stelle oder an einen nachgeordneten Vorgesetzten richten und gegenüber dem einzelnen Soldaten erst in Gestalt der Entscheidung des Vorgesetzten wirksam werden, stellen eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, wenn die Anordnung oder Weisung der nachgeordneten Stelle keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum mehr belässt (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 12.17 - Buchholz 449 § 30c SG Nr. 2 Rn. 32 m.w.N. und vom - 1 WB 28.19 - Buchholz 449 § 30c SG Nr. 4 Rn. 19 m.w.N.).
18Eine derartige Dienstvorschrift oder Allgemeinverfügung steht hier aber nicht in Rede. Denn nach dem Wortlaut der Weisung Nr. 5 statuiert diese nicht unmittelbar eine Pflicht von Soldaten, sich nach Rückkehr aus einem Auslandseinsatz in häusliche Absonderung zu begeben. Sie sieht vielmehr eine Pflicht truppendienstlicher Vorgesetzter vor, diese Soldaten "grundsätzlich und unverzüglich" in häusliche Absonderung "zu nehmen". Damit begründet sie unmittelbar nur die Pflicht der Vorgesetzten, die Vorgabe des Bundesministeriums der Verteidigung in jedem konkreten Einzelfall umzusetzen. Hierbei bestehen auch Ermessensspielräume. Denn die zur Umsetzung verpflichteten Vorgesetzten haben zum einen in zeitlicher Hinsicht zu konkretisieren, wann die Absonderung beginnt und endet. Wann eine Maßnahme "unverzüglich" - also ohne schuldhaftes Verzögern - zu beginnen hat, ist von konkreten Umständen des Einzelfalles wie etwa dem genauen Zeitpunkt der Rückkehr ins Inland, der Übergabe an die Stammtruppenteile und der Dauer der Reise an den Wohnort abhängig. Zum anderen haben sie aber auch sachlich zu prüfen, ob die Absonderung in der privaten Häuslichkeit der Familienwohnung oder an einem anderen Ort zu erfolgen hat. Denn nach Punkt 3 c der Weisung Nr. 5 ist auch eine anderweitige Unterbringung - etwa in einem Hotel - möglich, wenn die Quarantäne - etwa wegen der Erkrankung eines Familienmitgliedes - nicht in der eigenen Häuslichkeit stattfinden kann.
192. Der gegen den Befehl des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses ... gerichtete Antrag ist zulässig.
20a) Der Rechtsstreit ist durch das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden. Denn der Verweisungsbeschluss des Truppendienstgerichts Süd ist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 WBO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO bindend.
21Die Bindungswirkung ist grundsätzlich unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Verweisung; eine Überprüfung der Entscheidung des Truppendienstgerichts findet insoweit nicht statt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 50.13 - juris Rn. 9 und vom - 1 WB 12.20 - juris Rn. 20 sowie zu § 83 VwGO Beschluss vom - 1 WB 25.96 - juris Rn. 15). Eine Ausnahme von der Bindungswirkung kommt nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise bei Verweisungsbeschlüssen in Betracht, die "jeder rechtlichen Grundlage entbehren" (so zu § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 80.98 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 16 S. 1 f., vom - 1 WB 46.12 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 32 Rn. 23 und vom - 1 WB 12.20 - juris Rn. 21).
22Von einem derart gravierenden Rechtsverstoß kann vorliegend nicht die Rede sein. Denn der Verweisungsbeschluss ist sorgfältig erarbeitet, in sich stimmig und rechtlich vertretbar.
23b) Der gegen die - nach Angaben des Antragstellers am mündlich übermittelte - Anweisung des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors des Bundeswehrkrankenhauses ..., sich im fraglichen Zeitraum in Quarantäne zu begeben, gerichtete Antrag ist statthaft. Die fragliche Anweisung kam hiernach nämlich von seinem truppendienstlichen Vorgesetzten nach § 1 VorgV. Daher handelt es sich um eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten durch einen militärischen Vorgesetzten mit Anspruch auf Gehorsam, mithin um einen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG.
24c) Der Antragsteller kann geltend machen, durch den angegriffenen Befehl zumindest möglicherweise in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt zu sein und ist daher antragsbefugt. Im Falle eines ausgeführten oder anders erledigten Befehls ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO (hier in weiterer Verbindung mit § 22 WBO) unabhängig davon zulässig, ob der betroffene Antragsteller ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt hat.
25d) Der Senat ist nicht deshalb an einer Sachprüfung gehindert, weil der streitgegenständliche Befehl mangels fristgerechter Beschwerde bestandskräftig geworden wäre. Es kommt hier nicht auf die Frage an, ob der Antragsteller binnen eines Monats nach der nach seinen Angaben am erfolgten Bekanntgabe des streitgegenständlichen Befehls diesen hätte anfechten müssen oder ob er den Befehl als "Dauerbefehl" während dessen gesamter Geltungsdauer fristgerecht anfechten konnte. Denn über seine Beschwerde ist in der Sache entschieden worden, ohne dass sich die für die Entscheidung über seine Beschwerde oder die weitere Beschwerde zuständige Stelle auf die Verfristung berufen hätten. Ein etwaiger Fristmangel wäre daher jedenfalls unbeachtlich (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WRB 1.16 - Rn. 18 ff. und vom - 1 WB 40.18 - juris Rn. 12).
263. Der Antrag ist auch begründet.
27Der Befehl des Kommandeurs des Bundeswehrkrankenhauses ... war zum für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig und verletzte den Antragsteller auch in dessen Rechten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).
28a) Die Anordnung häuslicher Absonderung war nicht als Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz gerechtfertigt. Denn der Kommandeur des Bundeswehrkrankenhauses ... war nicht nach § 54a Abs. 1 Satz 1 IfSG für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zuständig gewesen. Deshalb durfte er nicht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG die häusliche Absonderung des Antragstellers wegen eines Ansteckungsverdachtes (§ 2 Nr. 7 IfSG) anordnen.
29Denn zum Zeitpunkt der Anordnung und während der Umsetzung der streitgegenständlichen Maßnahme galt § 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 IfSG noch nicht in der aktuell geltenden Fassung, nach der das Bundesministerium der Verteidigung gegenüber Soldaten sowohl während als auch außerhalb von deren Dienstausübung das Infektionsschutzgesetz vollzieht. Vielmehr waren nach der bis zum geltenden Fassung von § 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 IfSG (im Folgenden: a.F.) die zuständigen Stellen der Bundeswehr für Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz nur zuständig, soweit es Soldaten während ihrer Dienstausübung betraf (Nr. 1) oder soweit Personen betroffen waren, die sich in ortsfesten oder mobilen Einrichtungen der Bundeswehr aufhielten (Nr. 2). Nach § 54a Abs. 4 IfSG a.F. hatten außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Liegenschaften die allgemein zuständigen zivilen Gebietskörperschaften die erforderlichen Maßnahmen nach dem 5. Abschnitt des Gesetzes - d.h. Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach §§ 24 bis 32 IfSG - im Benehmen mit den zuständigen Stellen der Bundeswehr zu treffen.
30Damit fiel die häusliche Absonderung eines Soldaten, die diesen gerade aus dem Dienstbetrieb herauslöste und - wie im Beschwerdebescheid vom erläutert - als Zeit entschuldigten Fernbleibens vom Dienst galt, nicht in die Kompetenz der Bundeswehr zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes. Eine häusliche Quarantäne betrifft Soldaten nicht nur während der Dienstausübung, sondern regelt einheitlich und unteilbar zugleich dessen Freizeit. Damit ist diese Maßnahme nicht allein durch die Vollzugskompetenz aus § 54a Abs. 1 IfSG abzudecken. Vielmehr verblieb eine häusliche Quarantäneanordnung nach damals geltendem Recht in der Zuständigkeit der zivilen Gesundheitsämter, die sich über diese Maßnahmen mit der Bundeswehr ins Benehmen zu setzen hatten. Erst durch Art. 1 Nr. 19 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom (BGBl. I 2397) ist mit Wirkung vom den zuständigen Stellen der Bundeswehr der Vollzug des Infektionsschutzgesetzes auch übertragen worden, soweit er Soldaten außerhalb ihrer Dienstausübung betrifft. Die Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfes weist aus, dass es sich keineswegs um eine deklaratorische Klarstellung der Zuständigkeiten handelte. Vielmehr war zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr eine Erweiterung von deren Zuständigkeit zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes für Soldatinnen und Soldaten auch außerhalb ihrer Dienstausübung beabsichtigt (BT-Drs. 19/23944 S. 37).
31Mangels Vollzugskompetenz der Bundeswehr für Maßnahmen der vorliegenden Art im maßgeblichen Zeitraum kommt es auch nicht darauf an, ob diese statt auf § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG auf § 28 IfSG gestützt werden könnte. Im Übrigen scheidet eine solche Rechtfertigung der Maßnahme schon deshalb aus, weil für eine Einreisequarantäne § 30 IfSG lex specialis ist und einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG ausschließt (vgl. Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 30 Rn. 23a).
32b) Der Befehl ist auch nicht nach § 10 Abs. 4 SG in Verbindung mit der Weisung Nr. 5 rechtmäßig. Denn er war schon deswegen rechtswidrig, weil die Zuständigkeit für die häusliche Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz dem örtlichen Gesundheitsamt zugewiesen war.
33§ 10 Abs. 4 SG wäre auch in Verbindung mit der Weisung Nr. 5 keine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Grundlage für Quarantäne- bzw. Absonderungsanordnungen. Seine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung erfasst daher solche Maßnahmen nicht.
34Die Anordnung der häuslichen Absonderung verpflichtete den Antragsteller, für den vom Befehl erfassten Zeitraum, seine Wohnung grundsätzlich nicht zu verlassen. Sie stellt damit einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der Person des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Zwar ist ein solcher Eingriff durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Dies setzt aber zunächst voraus, dass das den Eingriff ermöglichende Gesetz das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt, wie dies etwa in § 148 WDO für Maßnahmen nach der Wehrdisziplinarordnung oder in § 30 Abs. 2 Satz 3 IfSG für Absonderungen nach dem Infektionsschutzgesetz geschehen ist. Für die Zuständigkeit truppendienstlicher Vorgesetzter, Befehle an Untergebene zu erteilen, sieht das Soldatengesetz eine entsprechende Bestimmung aber nicht vor. § 17a Abs. 2 Satz 2 SG erfüllt zwar das Zitiergebot, betrifft aber allein Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
35§ 10 Abs. 4 SG würde auch in Verbindung mit der Weisung Nr. 5 den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht werden.
36Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf (vgl. - BVerfGE 83, 130 <142> und - BVerfGE 116, 24 <58>, jeweils m.w.N.). Die Tragweite dieses Grundsatzes wird durch die - in Kurzform so bezeichnete - Wesentlichkeitstheorie näher bestimmt (vgl. - BVerfGE 84, 212 <226>). Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss; sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im Einzelnen gehen müssen. Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen ( - BVerfGE 139, 19 Rn. 54 m.w.N.). Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden ( u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55 m.w.N.; 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 42). Eine die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Quarantäneanordnung regelnde gesetzgeberische Grundentscheidung findet sich in § 10 Abs. 4 SG nicht. Diese Norm enthält keine Vorgaben für den Inhalt eines Befehls. Solche Vorgaben für Absonderungs- oder Quarantänemaßnahmen sind auch § 17a SG nicht zu entnehmen. Für den fraglichen Zeitraum konnte der Vorgesetzte auch nicht auf die Befugnis zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes rekurrieren, das in § 30 IfSG den Anforderungen aus dem Wesentlichkeitsprinzip genügt. Nähere Bestimmungen über Inhalt, Zweck und Ausmaß des in Rede stehenden Eingriffes finden sich zwar in der Weisung Nr. 5 und ihren Anlagen. Eine Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung genügt den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips allerdings nicht, weil es sich nicht um Entscheidungen des Gesetzgebers handelt.
374. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:310322B1WB37.21.0
Fundstelle(n):
VAAAI-63014