BGH Beschluss v. - II ZR 51/21

Gesellschafterbeschlüsse über einen Gesellschafterausschluss und eine Geschäftsanteilseinziehung: Wert der Beschwer bei Antrag auf Nichtigerklärung

Gesetze: § 5 ZPO, § 543 Abs 2 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 39 Abs 1 GKG, § 45 Abs 1 S 3 GKG

Instanzenzug: Az: 9 U 30/20vorgehend LG Lübeck Az: 8 HKO 11/19

Gründe

1I. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da nicht - wie geboten - glaubhaft gemacht ist, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Durch die Zurückweisung der Berufung ist die Beklagte in Höhe von 7.000 € beschwert.

21. Der Wert des Klageantrags, einen Einziehungs- oder Ausschlussbeschluss für nichtig zu erklären, richtet sich regelmäßig nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils des betroffenen Gesellschafters einer GmbH (, NZG 2009, 518 Rn. 2; Beschluss vom - II ZR 244/08, juris Rn. 2; Beschluss vom - II ZR 243/19, juris Rn. 7; Beschluss vom - II ZR 262/18, ZInsO 2020, 440 Rn. 4 mwN; Beschluss vom - II ZR 93/20, juris Rn. 3). Der Wert der Beschwer einer beklagten GmbH, die sich gegen ein kassatorisches Urteil hinsichtlich eines Beschlusses über die Einziehung eines Geschäftsanteils oder den Ausschluss eines Gesellschafters wendet, richtet sich nach ihrem Interesse an der Wirksamkeit jenes Beschlusses. Maßstab der Bewertung ist dafür grundsätzlich ebenfalls der Verkehrswert des Geschäftsanteils des betroffenen Gesellschafters. Legen die beklagte GmbH und ein sie als streitgenössischer Nebenintervenient unterstützender Gesellschafter selbständige Rechtsmittel gegen ein im Beschlussanfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsprozess ergangenes kassatorisches Gestaltungsurteil ein, so findet hinsichtlich der Beschwer jedenfalls wegen des einheitlichen Streitgegenstands und der einheitlichen Urteilswirkungen keine Wertaddition statt (, ZIP 2001, 1734; Beschluss vom - II ZR 93/20, juris Rn. 4). Anknüpfungspunkt für den Wert kann die Abfindung sein, weil die Abfindung grundsätzlich auf den Verkehrswert des Geschäftsanteils, mithin den Betrag gerichtet ist, den ein Dritter als Erwerber zahlen würde (, ZIP 2001, 1734).

32. Das Berufungsgericht ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten von einem Verkehrswert der Geschäftsanteile des Klägers von allenfalls 7.000 € ausgegangen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen höheren Wert glaubhaft gemacht.

4a) Die Auffassung der Beklagten, bei einem Einziehungsbeschluss gebe es einen über dem Nominalwert eines Geschäftsanteils liegenden "mathematischen Mindestwert" widerspricht der Rechtsprechung des Senats, dass der Verkehrswert des Geschäftsanteils maßgeblich ist, der geringer sein kann als der Nominalwert.

5b) Der Verweis auf den Rangrücktritt einer Gläubigerin der Beklagten lässt ebenso wenig Rückschlüsse auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile des Klägers zu wie die Behauptung nicht bezifferter Schadensersatzansprüche gegen den Kläger.

6c) Es kommt nicht darauf an, welche Forderungen der Kläger mit der Begründung erhoben haben soll, die Nebenintervenientin als seine Mitgesellschafterin habe die Beklagte geschädigt. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, welchen Einfluss dieser Umstand auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile des Klägers haben soll.

7d) Ohne Ermessensfehler hat das Berufungsgericht dem Einziehungsbeschluss neben dem Abtretungsbeschluss keinen eigenständigen Wert beigemessen.

8Werden im Wege einer objektiven Klagehäufung mehrere Beschlüsse angefochten, wird der Streitwert für jeden angefochtenen Beschluss zwar grundsätzlich gesondert festgesetzt und gemäß § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG ein Gesamtstreitwert gebildet. Etwas anderes gilt aber, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung der angefochtenen Beschlüsse ein im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG identischer Streitgegenstand vorliegt (vgl. , juris Rn. 5).

9Das ist bei den beiden von dem Kläger erfolgreich angefochtenen Beschlüssen der Fall. Die Einziehung der Geschäftsanteile sollte nach der Formulierung der Beschlüsse nur für den Fall zum Tragen kommen, dass die zwangsweise Abtretung der Geschäftsanteile ganz oder teilweise unwirksam wäre. Beide Beschlüsse sind wirtschaftlich auf den identischen Streitgegenstand, die Beendigung der Gesellschafterstellung des Klägers, gerichtet.

10e) Das Berufungsgericht hat der Bestellung des besonderen Vertreters zu der Durchführung der angefochtenen Beschlüsse keinen besonderen Wert beigemessen, weil die Bestellung lediglich der Abwicklung diene. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht keinen höheren Wert glaubhaft.

11II. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zuzulassen hat. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:080322BIIZR51.21.0

Fundstelle(n):
GmbHR 2022 S. 537 Nr. 10
RAAAI-62240