Verletzung von Beteiligungsrechten des GVPA bei Erlassen über die Gewährung von Sonderurlaub zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen während der Corona-Pandemie
Leitsatz
Will das Bundesministerium der Verteidigung einen für Beamte geltenden Sonderurlaubserlass mit gleichem Inhalt für die Soldaten der Bundeswehr übernehmen, kann darin eine beteiligungspflichtige eigene Grundsatzregelung im Sinne des § 38 Abs. 3 SBG liegen.
Gesetze: § 25 Abs 3 Nr 1 SBG 2016, § 25 Abs 3 Nr 8 SBG 2016, § 38 Abs 3 S 3 SBG 2016, § 48 Abs 2 SBG 2016, § 9 SoldUrlV, § 22 Abs 2 SUrlV 2016
Tatbestand
1Der Antragsteller rügt die Verletzung seiner Beteiligungsrechte bei Erlassen über die Gewährung von Sonderurlaub zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen während der Corona-Pandemie.
2Der nach § 9 der Verordnung über den Urlaub der Soldatinnen und Soldaten - Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung - (SUV) für den Sonderurlaub der Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich entsprechend geltende § 22 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte sowie für Richterinnen und Richter des Bundes - Sonderurlaubsverordnung -(SUrlV) lautet:
(1) 1Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung kann gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 2Für mehr als drei Monate kann Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung nur in besonders begründeten Fällen und nur durch die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte unmittelbar nachgeordnete Behörde genehmigt werden.
(2) Mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat kann Sonderurlaub aus wichtigen persönlichen Gründen auch unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden.
(3) 1Für einen in den §§ 5 bis 21 nicht genannten Zweck kann Beamtinnen und Beamten Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, wenn der Sonderurlaub auch dienstlichen Zwecken dient. 2Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung für mehr als zwei Wochen bedarf der Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten unmittelbar nachgeordneten Behörde. 3Sonderurlaub für mehr als sechs Monate bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat.
3Mit Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom erklärte dieses im Hinblick auf die Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen wegen der Ausbreitung von COVID-19 seine Zustimmung nach § 22 Abs. 2 SUrlV und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen sein Einverständnis mit der Gewährung von insgesamt 10 Arbeitstagen - in besonderen Härtefällen auch länger - Sonderurlaub unter Fortzahlung von Bezügen nach § 22 Abs. 2 SUrlV zum Zwecke der Kinderbetreuung zeitlich befristet bis einschließlich .
4Durch die "Weisung Nr. 3 zum Erhalt der Führungsfähigkeit des BMVg und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im Falle einer COVID-19-Lageverschärfung" vom erstreckte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) diese - für Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unmittelbar geltende - Regelung auf Soldatinnen und Soldaten.
5Mit Runderlass des BMVg "Einheitliche Gewährung von Sonderurlaub für alle Statusgruppen bei Schließung von Kindertagesstätten und Schulen infolge des Corona-Virus" vom wurde auf das Rundschreiben des BMI sowie die Weisung Nr. 3 hingewiesen und darüber informiert, dass für die Gewährung von Sonderurlaub zur Kinderbetreuung eine ab dem geltende Anschlussregelung herausgegeben werde. Zugleich wurden Hinweise zur Handhabung der Härtefallregelung zur Gewährung von mehr als zehn Tagen Sonderurlaub erteilt. Über diesen Runderlass wurde elektronisch am selben Tage auf Weisung des Staatssekretärs informiert.
6Mit Rundschreiben des BMI "Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gem. § 22 Abs. 2 SUrlV bzw. Arbeitsbefreiung unter (Voraus)Leistung einer Entschädigung durch den Arbeitgeber nach § 56 Abs. 1a IfSG anlässlich aktueller Entwicklungen in Bezug auf das Corona-Virus (COVID 19) zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen" vom wurde das Rundschreiben vom dahingehend ergänzend klargestellt, dass Sonderurlaub erst dann gewährt wird, wenn positive Arbeitszeitsalden (Mehrarbeits-, Überstunden und Gleitzeitguthaben) abgebaut sind. Außerdem wurden die Regelungen zur Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge nach § 22 SUrlV zum einen zeitlich über den hinaus bis zum und zum anderen auch sachlich auf die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen im Falle der pandemiebedingten Schließung von teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen erstreckt. Auch insofern ist außerdem vorgesehen, dass positive Arbeitszeitsalden (Mehrarbeit-, Überstunden und Gleitzeitguthaben) vorrangig abzubauen seien.
7Der - am selben Tage dem Antragsteller elektronisch übersandte - Runderlass des BMVg vom "Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gem. § 22 Abs. 2 SUrlV bzw. Arbeitsbefreiung unter (Voraus)Leistung einer Entschädigung durch den Arbeitgeber nach § 56 Abs. 1a IfSG anlässlich aktueller Entwicklungen in Bezug auf das Corona-Virus (COVID 19) zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen" hob den Runderlass vom auf, gab das Rundschreiben des BMI vom bekannt und wies hierzu darauf hin, dass die Erstreckung der Anwendung auf Soldatinnen und Soldaten auch dieses Rundschreiben erfasse. Von der mit dem Rundschreiben erstmals eröffneten Möglichkeit, positive Arbeitszeitsalden zu berücksichtigen, sei für das BMVg und seinen Geschäftsbereich zunächst weiterhin kein Gebrauch zu machen.
8Mit Schreiben vom an den Unterabteilungsleiter P II wies der Sprecher des Antragstellers darauf hin, dass bei den Runderlassen vom und vom seine förmliche Beteiligung versäumt worden sei und bat, diese nachträglich einzuleiten.
9Nachdem das BMI fernmündlich informiert hatte, dass die vorrangige Berücksichtigung positiver Arbeitszeitsalden nicht im Ermessen der Dienststellen stehe und der Staatssekretär ... am eine entsprechende Korrektur der Runderlasse des BMVg anordnete, gab das BMVg dem Antragsteller am gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und § 38 Abs. 3 Satz 1 SBG einen ergänzenden Erlass vom vor Herausgabe zur Kenntnis und leitete zugleich das Beteiligungsverfahren ein.
10Der ergänzende Erlass vom sieht vor, dass die ab dem geltenden Regelungen des Rundschreibens des BMI vom ab sofort vollumfänglich - einschließlich der vorrangigen Berücksichtigung positiver Arbeitszeitsalden - anzuwenden seien. Zudem wurden die dieser Bestimmung zugrundeliegenden Regelungen unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 56 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 4 IfSG erläutert.
11Noch am selben Tage machte der Antragsteller Bedenken gegen den ergänzenden Erlass geltend und bat um Begründung der besonderen Eilbedürftigkeit der Maßnahme. Unter dem wurde dem Antragsteller erläutert, die Sache sei eilbedürftig, weil seit dem bereits zu anderen als vom BMI vorgegebenen Bedingungen Arbeitsbefreiung bzw. Sonderurlaub gewährt werde. Der Erlass werde nunmehr als vorläufige Regelung herausgegeben werden.
12Unter dem - dem Antragsteller am selben Tage elektronisch übersandt - ordnete sodann der ergänzende Erlass "Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gem. § 22 Abs. 2 SUrlV bzw. Arbeitsbefreiung unter (Voraus)Leistung einer Entschädigung durch den Arbeitgeber nach § 56 Abs. 1a IfSG anlässlich aktueller Entwicklungen in Bezug auf das Corona-Virus (COVID 19) zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen" an, vorläufig die ab dem geltenden Regelungen des Rundschreibens des BMI vom ab sofort vollumfänglich - einschließlich der vorrangigen Berücksichtigung positiver Arbeitszeitsalden - anzuwenden.
13Am legte der Sprecher des Antragstellers gegen den Erlass vom und den diesen ergänzenden Erlass vom fristwahrend Rechtsbehelf ein. Zum einen benachteilige die Regelung über den vorrangigen Abbau positiver Zeitguthaben die Leistungsträger in der Bundeswehr. Zum anderen fehle es an einer Eilbedürftigkeit, sodass die Anrechnungsregelung nicht ohne vorherige Gremienbeteiligung in Kraft gesetzt werden dürfe.
14Nachdem der Antragsteller im Rahmen seiner 1. Sondersitzung am beschlossen hatte, sich gegen die Verletzung seiner Beteiligungsrechte bei den Erlassen vom und vom zu beschweren und anwaltlich vertreten zu lassen, beantragte der Sprecher des Antragstellers unter dem die Zusage der Kostenübernahme, die ihm unter dem auch erteilt wurde.
15Unter dem legitimierte sich die Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Staatssekretär, nahm Bezug auf den fristwahrend eingelegten Rechtsbehelf und bat um Zusicherung der Vorläufigkeit der Regelungen. Andernfalls werde sie die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung empfehlen. Mit Schriftsatz vom beantragte sie sodann ausdrücklich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesministerium der Verteidigung legte die Anträge mit einer Stellungnahme vom dem Senat vor.
16Der Antragsteller macht geltend, die fristwahrende Einlegung des Rechtsbehelfs sei gemäß § 45 Abs. 3 SBG von der Geschäftsführungsbefugnis seines Sprechers umfasst. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung zu § 39 BPersVG. Er habe am beschlossen, Beschwerde in der streitgegenständlichen Angelegenheit einzulegen und damit das Handeln seines Sprechers nach § 184 Abs. 1 BGB genehmigt. Dass dies möglich sei, ergebe sich auch aus der Rechtsprechung zu § 26 BetrVG. Das BMVg habe einen Vertretungsmangel entgegen § 174 BGB nicht unverzüglich angezeigt und das Rechtsgeschäft zurückgewiesen. Das Schreiben vom könne als fristwahrende Beschwerde angesehen werden. Zudem sei die Berufung auf den Fristablauf wegen der Corona-Pandemie unbillig. Für den Fristbeginn komme es auf die Kenntnisnahme durch das Plenum an, die erst in dessen Sitzung erfolgt sei.
17Seine Beteiligungsrechte aus § 38 Abs. 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Nr. 8 und Nr. 1 SGB seien hinsichtlich des Runderlasses vom und hinsichtlich dessen Aktualisierung durch Erlass vom verletzt. Die Übertragung der Regelung des BMI für Beamte und Angestellte auf die Gruppe der Soldaten sei eine Grundsatzregelung des BMVg. Eine Regelung auch für diese Gruppe durch das BMI würde das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG verletzen. Der Erlass des BMI enthalte nur die Zustimmung zu der Regelung des BMVg. § 24 Abs. 2 Nr. 1 SBG verdränge § 25 Abs. 3 Nr. 8 SBG nicht. Eine vorläufige Regelung im Sinne von § 43 Abs. 3 SBG liege nicht vor. Unaufschiebbar im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 SBG sei nur eine Maßnahme, die weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen schaffe. Dies sei nicht der Fall, wenn die beabsichtigte Maßnahme vorweggenommen werde und nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Die Regelung eines Ausgleiches sei auch im Nachhinein möglich.
18Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass der Runderlass vom sowie vom seine Beteiligungsrechte verletzt.
19Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
20Der Antrag vom sei unzulässig, da der Sprecher des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt keine Prozessführungsbefugnis gehabt habe. § 39 BPersVG und § 174 BGB seien nicht anwendbar. Das Fehlen eines Beschlusses zur Einlegung des Rechtsbehelfs sei erst mit dem Schreiben an den Staatssekretär vom bekannt geworden. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Hinweis wegen des Fristablaufes entbehrlich gewesen. Der Antragsteller sei elektronisch am 9. und am über die Erlasse informiert worden und habe damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt. Der Schriftsatz vom kündige nur die Empfehlung eines Rechtsbehelfs an. Der Antrag vom sei verfristet.
21Die streitgegenständlichen Runderlasse seien keine Grundsatzregelungen des BMVg. Das BMI habe mit Rundschreiben vom von seinem Zustimmungsvorbehalt nach § 9 SUV i.V.m. § 22 Abs. 2 SUrlV Gebrauch gemacht und andere Stellen damit in die Lage versetzt, Beschäftigten des Bundes, das Fernbleiben vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge zu ermöglichen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür habe es als Bedingungen selbst definiert. Damit habe ein essenzieller Bestandteil der Entscheidung nicht zur Disposition des BMVg gestanden. Dieses habe die Entscheidung des BMI nur erläuternd ohne eigene Regelung bekannt gegeben. Das Rundschreiben des BMI sei dahingehend auszulegen, dass es auch für die Statusgruppe der Soldaten verbindlich umzusetzen sei. Das BMI habe dem BMVg damit im Wege des Selbsteintritts die Zuständigkeit für die Regelung entzogen. Ein Mitbestimmungsrecht folge nicht aus § 25 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 8 SBG. § 24 Abs. 2 Nr. 1 SBG gehe als lex specialis vor. Hilfsweise sei die vorläufige Herausgabe der Erlasse unaufschiebbar gewesen. Die Pandemielage und die flächendeckende Schließung von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen hätten zur Herstellung von Handlungs- und Rechtssicherheit für die Beschäftigten sofortigen Handlungsbedarf ausgelöst. Der vorrangige Einsatz von Gleitzeitguthaben könne durch eine Wiedergutschrift rückgängig gemacht werden.
22Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
23Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
241. Er ist zulässig.
25a) Der Antragsteller hat konkrete Anträge formuliert. Diese sind im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO). Hiernach begehrt der Antragsteller, die Verletzung seiner Beteiligungsrechte beim Erlass der beiden Runderlasse des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. und vom festzustellen.
26b) Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist eröffnet ( 1 WB 23.19 - juris Rn. 15 m.w.N.). Der Antragsteller kann im Verfahren vor den Wehrdienstgerichten die Verletzung seines Beteiligungsrechts aus § 38 Abs. 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 SBG rügen.
27c) Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig. Der Antragsteller kann gemäß § 21 Abs. 1 WBO unmittelbar die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragen, denn die von ihm geltend gemachten Rechte beziehen sich auf Erlasse des Bundesministeriums der Verteidigung, von dem er sich in der Wahrnehmung der Rechte verletzt sieht. Ob die fraglichen Erlasse eigene Grundsatzregelungen des Bundesministeriums der Verteidigung darstellen oder - wie dieses geltend macht - dem Bundesministerium des Innern zuzurechnen sind, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages.
28d) Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er macht geltend, dass das Bundesministerium der Verteidigung sein Beteiligungsrecht aus § 38 Abs. 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 8 SBG verletzt habe, indem es ihn vor der Inkraftsetzung der Erlasse vom und vom nicht förmlich beteiligt habe.
29e) Der Feststellungsantrag ist statthaft (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 27.18 - Buchholz 449.7 § 21 SBG Nr. 1 Rn. 22 und vom - 1 WB 23.19 - Buchholz 449.7 § 38 SBG Nr. 1 Rn. 18). Hier stehen im Hinblick auf die fraglichen Erlasse konkrete Anlassverfahren im Raum, die den Sachverhalt bestimmen, aus dem sich das feststellungsfähige Rechtsverhältnis ergibt.
30f) Es fehlt auch nicht am notwendigen Feststellungsinteresse. Die konkreten Anlassverfahren sind - über den Einzelfall hinaus - geeignet, die rechtlichen Anforderungen an das Beteiligungsrecht aus § 38 Abs. 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 SBG und an vorläufige Regelungen im Sinne von § 43 Abs. 2 SBG weiter zu klären (vgl. 1 WB 27.18 - Buchholz 449.7 § 21 SBG Nr. 1 Rn. 23).
31g) Die Einlegung des Rechtsmittels durch den Sprecher des Antragstellers am wahrt die hier laufende Monatsfrist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 29.11 - juris Rn. 17 und vom - 1 WB 55.19 - juris Rn. 17 f.).
32Kenntnis vom Beschwerdeanlass hatte der Antragsteller mit der Bekanntgabe der Runderlasse, hinsichtlich derer er seine unzureichende Beteiligung rügt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat beide Runderlasse jeweils per E-Mail auch an den Antragsteller übersandt. Dass diese E-Mails ihm nicht zugegangen seien, hat der Antragsteller weder behauptet noch substantiiert dargetan. Vielmehr hat sein Sprecher mit Schreiben vom selbst vorgebracht, dass der Gesamtvertrauenspersonenausschuss über den Runderlass vom "per Innenverteiler III informiert" worden sei. Über denselben Verteiler ist auch der Runderlass vom verteilt worden.
33Damit liefen die Fristen am und am an und endeten mit Ablauf des (Montag) bzw. des (Freitag).
34h) Der Zulässigkeit des Antrages steht auch nicht das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung durch den Sprecher des Antragstellers entgegen.
35aa) Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers konnte sein Sprecher zwar nicht auf der Grundlage seiner Kompetenz zur Führung der laufenden Geschäfte nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SBG in eigener Zuständigkeit Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.
36Ohne einen Mitgliederbeschluss ist der Sprecher des Antragstellers nach § 45 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SBG nur zur Führung der laufenden Geschäfte berechtigt. Eine Eil- oder Notkompetenz des Sprechers kennt das Gesetz nicht (Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 2021, § 35 SBG Rn. 22, § 45 SBG Rn. 19). Damit sind ihm in eigener Zuständigkeit nur solche Angelegenheiten zugewiesen, die keiner Beschlussfassung des Gremiums bedürfen, die Leitung der Geschäftsstelle und die Führung der Korrespondenz mit den Mitgliedern (Gronimus, a.a.O.). Zu den laufenden Geschäften gehören Angelegenheiten, die die technische, organisatorische und büromäßige Arbeit zur Vorbereitung und Durchführung der vom Gremium zu fassenden oder bereits gefassten Beschlüsse betreffen (vgl. Ilbertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, 14. Aufl. 2018, § 32 Rn. 34, Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 32 Rn. 60, Altvater et al., Bundespersonalvertretungsgesetz, 9. Aufl. 2020, § 32 Rn. 7 jeweils mit Nachweisen zur Rspr). Ausgenommen sind solche Angelegenheiten, für die ein Gremienbeschluss notwendig ist (vgl. 7 P 3.69 - BVerwGE 34, 180 <187>). Möchte der Antragsteller den Rechtsweg beschreiten, so bedarf es der Beschlussfassung durch die hierzu berufenen Mitglieder (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 29.11 - juris Rn. 14 und vom - 1 WB 24.16 - Buchholz 449.7 § 42 SBG Nr. 2 Rn. 15). Hiernach ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs grundsätzlich keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung (so ausdrücklich 6 PB 17.99 - Seite 3).
37Ein entsprechender Gremienbeschluss kann zwar auch in Form einer Übertragung der fristwahrenden Einlegung von Rechtsmitteln auf den Sprecher in der Geschäftsordnung des Gremiums erfolgen. Dass dies hier geschehen wäre, macht der Antragsteller aber weder geltend, noch ist es sonst ersichtlich.
38Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Rechtsprechung zu § 39 BPersVG (zitiert nach Gronimus/Knorz/Wienzeck, Die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 4). Die dort zitierte Entscheidung ( 6 PB 17.99 -) führt keineswegs aus, dass der Personalratsvorsitzende ohne Personalratsbeschluss fristwahrend einen Rechtsbehelf einlegen kann. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass der Personalrat zur Fristwahrung einen auf die fristwahrende Einlegung eines Rechtsbehelfs beschränkten Beschluss treffen und später über die eigentliche Durchführung des Verfahrens entscheiden kann. Nach Maßgabe einer entsprechenden Beschlusslage hätte durch den Sprecher fristwahrend und unter dem Vorbehalt des endgültigen Beschlusses über die Verfahrensdurchführung Rechtsmittel eingelegt werden können.
39bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung ist aber eine nachträgliche Genehmigung der Antragstellung durch das zuständige Gremium grundsätzlich möglich. Sie liegt in dem unstreitig am erfolgten Beschluss, den Rechtsbehelf einzulegen und den Sprecher mit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes zu betrauen.
40Es gibt keine Besonderheiten des Soldatenbeteiligungsrechts, die einer ergänzenden Anwendung der rechtsgeschäftlichen Grundsätze über die Vertretung ohne Vertretungsmacht neben den gesetzlichen Vertretungsregeln entgegenstehen würden (vgl. 1 WB 29.11 - juris Rn. 18). Hiernach ist ein ohne die notwendige Beschlussfassung des Gremiums eingelegter Rechtsbehelf zwar zunächst unzulässig, weil die Einlegung durch einen vollmachtlosen Vertreter schwebend unwirksam ist. Allerdings kann der Mangel eines ohne Vollmacht eingelegten Rechtsbehelfs gemäß § 89 ZPO bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung in der Tatsacheninstanz durch Genehmigung des Handelns des vollmachtlosen Vertreters rückwirkend geheilt werden (vgl. Beschluss des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom - GmS-OGB 2/83 - BVerwGE 69, 380; BAG, Beschlüsse vom - 7 ABR 120/09 - juris Rn. 37 f. und vom - 7 ABR 61/13 - juris Rn. 25 jeweils m.w.N.). Dies ist hier geschehen.
412. Der Antrag ist auch begründet.
42Das Bundesministerium der Verteidigung war verpflichtet, den Antragsteller vor dem Erlass der streitgegenständlichen Runderlasse im Wege der Mitbestimmung zu beteiligen. Dies ist unstreitig unterblieben.
43a) Der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG ist eröffnet. Insbesondere stehen, soweit Soldaten betroffen sind, bei beiden Erlassen eigene Regelungen des Bundesministeriums der Verteidigung und nicht ein nur deklaratorischer Hinweis auf eine Regelung des BMI im Raum.
44aa) Unter Grundsatzregelungen im Sinne des § 38 Abs. 3 SBG sind Regelungen mit allgemeingültigem Charakter zu verstehen, die das Bundesministerium der Verteidigung in Wahrnehmung seiner Aufgaben als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen oder einer unbestimmten Anzahl von Beschäftigten erlässt und die für eine Vielzahl von Fällen gelten. Sie müssen Gestaltungswirkung haben, mithin auf eine Veränderung eines Rechtszustandes hinwirken. Die Gestaltungswirkung bzw. der Regelungscharakter fehlt, wenn lediglich normative (gesetzliche, verordnungsrechtliche, tarifvertragliche) Bestimmungen wiedergegeben und bekanntgemacht werden. Gleiches gilt für bloß norminterpretierende Verwaltungsvorschriften (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 23.19 - Buchholz 449.7 § 38 SBG Nr. 1 Rn. 23 ff. sowie - 1 WB 55.19 - Buchholz 449.7 § 38 SBG Nr. 2 Rn. 27 ff. m.w.N.).
45bb) Ob eine beteiligungspflichtige Grundsatzregelung vorliegt, ist nicht davon abhängig, ob der die Regelung erlassenden Behörde ein Entscheidungsspielraum zukommt (vgl. - juris Rn. 25). Es ist für das Beteiligungsrecht unerheblich, ob die beteiligungspflichtige Erlassbehörde auf Weisung einer übergeordneten Dienststelle handelt ( - juris Rn. 26 f.). Interne Weisungen berühren die Entscheidungszuständigkeit einer Dienststelle nicht und ändern nichts daran, dass diese nach außen hin eigenverantwortlich handelt. Das Beteiligungsrecht einer Personalvertretung kann aber durch eine unmittelbar gestaltende Anordnung einer vorgesetzten Dienststelle ausgeschlossen sein, wenn diese der nachgeordneten Dienststelle keinen eigenen Regelungsspielraum lässt. Dies ist der Fall, wenn sich das Handeln der übergeordneten Dienststelle nicht in einer internen Weisung erschöpft, sondern im Wege des Selbsteintritts der nachgeordneten Dienststelle die Zuständigkeit für die Regelung entzieht und die übergeordnete Dienststelle sich der nachgeordneten Dienststelle nur als Boten zur Übermittlung der Regelung bedient ( 6 PB 29.08 - juris Rn. 10).
46cc) Nach diesen Maßstäben erschöpfen sich die streitgegenständlichen Erlasse nicht in bloßen Hinweisen auf § 9 SUV i.V.m. § 22 Abs. 2 SUrlV oder der Norminterpretation. Vielmehr enthalten sie auch für die zur Entscheidung berufenen Stellen bindende Vorgaben bei deren Ausübung des normativ eingeräumten Ermessens. Insoweit handelt es sich um rechtsgestaltende Verwaltungsanordnungen mit Geltungsanspruch für eine unbestimmte Vielzahl von Soldatinnen und Soldaten.
47Der Runderlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom weist zur Anwendung des Rundschreibens des BMI darauf hin, dass die Nummer 4 der Weisung Nr. 3 vom weiterhin gilt und damit die Erstreckung der Anwendung auf Soldatinnen und Soldaten auch für dieses Rundschreiben Gültigkeit hat. Damit sind die Vorgaben des Rundschreibens des BMI vom für die Statusgruppe der Soldaten durch die für die Gewährung von Sonderurlaub zuständigen Stellen zu beachten. Diese interpretieren zwar zunächst das Tatbestandsmerkmal der wichtigen persönlichen Gründe im Sinne von § 22 Abs. 2 SUrlV und sind insoweit nicht rechtsgestaltend. Jedoch enthalten sie zudem auch konkrete Voraussetzungen, unter denen allein von der Möglichkeit, Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge zu gewähren, Gebrauch gemacht werden darf und sie bestimmen zugleich Dauer und Umfang des Sonderurlaubs. Damit enthalten sie ermessensleitende Maßgaben mit gestaltender Wirkung. Weiter verweist der Runderlass vom darauf, dass von der Möglichkeit, bei der Gewährung von Sonderurlaub positive Arbeitszeitsalden zu berücksichtigen, für das BMVg und seinen Geschäftsbereich weiterhin zunächst kein Gebrauch gemacht wird. Damit wird ein Teil der ermessensleitenden Vorgaben des Rundschreibens vom modifiziert und damit durch eine eigene Regelung mit gestaltender Wirkung ersetzt.
48Der Runderlass vom beendet die vorläufige Nichtanwendung der Vorgaben des BMI bezüglich des vorrangigen Einsatzes positiver Arbeitszeitsalden. Damit setzt er diesen bislang suspendierten Teil der ermessenleitenden Vorgaben des BMI auch für die Statusgruppe der Soldaten in Kraft und geht ebenfalls über den bloßen Hinweis auf § 9 SUV i.V.m. § 22 Abs. 2 SUrlV und die Interpretation dieser Norm hinaus.
49Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung handelt es sich, soweit Soldatinnen und Soldaten betroffen sind, auch nicht um eine im Wege des Selbsteintritts erfolgte Regelung des BMI. Dies folgt bereits daraus, dass die Runderlasse des BMI gar keine Regelungen für die Statusgruppe der Soldaten enthalten. Sie betreffen allein Beamte und Tarifbeschäftigte und sind für diese Statusgruppen auch unmittelbar bindend, soweit sie im Geschäftsbereich anderer Ministerien tätig sind, worauf die Weisung Nr. 3 des BMVg auch zutreffend hinweist. Diese Weisung und an sie anknüpfend auch die streitgegenständlichen Runderlasse erstrecken die inhaltlichen Vorgaben des BMI jeweils auf die nicht erfasste Gruppe der Soldaten. Ein Selbsteintritt des BMI kann nicht vorliegen, wenn dieses schon nach dem Wortlaut seiner Rundschreiben Soldaten gar nicht im Blick hat. Hinzu kommt noch, dass zwischen dem BMI und dem BMVg auch kein Über-/Unterordnungsverhältnis im Sinne der vom BMVg in Bezug genommenen Rechtsprechung zu §§ 75, 76 BPersVG besteht. Vielmehr stehen beide Ressorts im Rahmen ihrer jeweiligen Ressortkompetenz gleichgeordnet nebeneinander.
50Da gemäß § 9 SUV für den Sonderurlaub der Soldatinnen und Soldaten § 22 Abs. 2 SUrlV nur entsprechend gilt, ist die nach dieser Norm erforderliche Zustimmung für die Statusgruppe der Soldaten im Übrigen durch das Bundesministerium der Verteidigung zu erteilen. Denn nur das Bundesministerium der Verteidigung besitzt nach § 14 SUV die für die Urlaubserteilung bei Soldatinnen und Soldaten maßgebliche, übergeordnete sachliche Zuständigkeit. Daher ist dieses bei der Regelung von Vorgaben für die Ermessensausübung auch nicht an entsprechende Vorgaben des BMI für die Statusgruppe der Beamten gebunden. Wenn es diese gleichwohl - wie hier geschehen - für seinen Regelungsbereich übernimmt, trifft es eine Entscheidung in eigener Verantwortung, für die es auch selbst die in seinem Bereich geltenden Mitbestimmungsrechte zu wahren hat.
51dd) Die streitgegenständlichen Erlasse betreffen inhaltlich einen Sachbereich, für den das Soldatenbeteiligungsgesetz dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG ein Mitbestimmungsrecht zubilligt. Dies ist bei Grundsatzregelungen im personellen, sozialen oder organisatorischem Bereich vorgesehen, sofern das Gesetz in diesen Bereichen der Vertrauensperson ein Mitbestimmungsrecht einräumt.
52aaa) § 25 Abs. 3 Nr. 1 SBG greift allerdings nicht ein.
53Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Dieses Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf Regelungen über die gleitende Arbeitszeit, soweit diese Beginn und Ende der Kern- und Gleitphasen festlegen ( 6 P 21.89 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 75 S. 67 f. zu § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG).
54Entgegen der Einschätzung des Antragstellers bedeutet dies allerdings nicht, dass alle Regelungen mit Auswirkungen auf die Gleitzeit erfasst sind. Vielmehr sind auch Gleitzeitbestimmungen nur insoweit erfasst, als sie für Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit, Pausen und die Verteilung der Arbeit auf einzelne Wochentage Vorgaben enthalten. Dies ist bei den hier in Rede stehenden Bestimmungen aber nicht der Fall. Sie betreffen die Gewährung von Sonderurlaub und die Frage, ob als Voraussetzung dafür durch Mehrarbeit erworbene Zeitguthaben abzubauen sind. Diese Regelung bestimmt nicht zugleich mit, wann Soldaten ihren täglichen Dienst beginnen, beenden und an welchen Wochentagen sie arbeiten.
55bbb) Jedoch ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 25 Abs. 3 Nr. 8 SBG.
56Der Begriff der Maßnahmen, die der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst dienen, erfasst der Art der Maßnahme nach jedenfalls die in Abschnitt 3 des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (SGleiG) angeführten Maßnahmen, während die im Wort "dienen" zum Ausdruck kommende Zweckbindung verlangt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Dienst entweder der erklärte Zweck der Maßnahme ist oder diese sich unausweichlich auf dieses Ziel regelnd auswirkt (Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 2021, § 25 SBG Rn. 92).
57Neben der Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Dienst erleichtern (§ 12 SGleiG), erfassen §§ 12 ff. SGleiG auch den familienbedingten Urlaub (§ 13 bis § 15 SGleiG). Auch wenn der Urlaub gemäß § 13 Abs. 1 SGleiG nach Maßgabe von § 28 Abs. 5 und 7 SG einen Urlaub unter Wegfall von Geld und Sachbezügen (Betreuungsurlaub und Elternzeit) meint, während der Sonderurlaub unter Erhalt der Bezüge in § 28 Abs. 4 SG i.V.m. der Soldatenurlaubsverordnung geregelt ist, schließt es nicht aus, einen zum Zweck der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen erteilten Sonderurlaub unter Fortzahlung von Bezügen als Maßnahme zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst zu fassen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 25 Abs. 3 Nr. 8 SBG ist nicht allein auf Maßnahmen nach §§ 12 ff. SGleiG beschränkt, erfasst vielmehr auch über diese hinausgehende Förderungsmaßnahmen, die demselben Zweck dienen. Dass familienbedingte Beurlaubung eine solche Maßnahme sein kann, lässt sich der gesetzgeberischen Wertung des § 13 Abs. 1 SGleiG entnehmen. Wenn schon eine Freistellung ohne Fortzahlung der Bezüge diesem Ziel dient, so fördert die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge das Ziel erst recht. Es wäre wertungswidersprüchlich, Förderungsmaßnahmen, die über das mitbestimmungspflichtige gesetzliche Mindestmaß hinausgehen, aber demselben Zweck dienen, der Mitbestimmung zu entziehen. Dient eine Beteiligungsvorschrift - hier § 25 Abs. 3 Nr. 8 SBG - einem bestimmten Regelungszweck - hier der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf -, dann erfasst der die Mitbestimmung begründende Tatbestand alle diese Ziele anstrebenden Maßnahmen, denn die Ziele der Beteiligung, die vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der Soldaten und zur Erfüllung der Aufgaben der Streitkräfte (vgl. § 2 Abs. 1 SBG i.V.m. § 9 Abs. 1 BPersVG), sind durch alle von dieser Zweckbestimmung getragenen Maßnahmen in gleicher Weise betroffen.
58Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung wird die Mitbestimmung nach § 25 Abs. 3 Nr. 8 SBG nicht durch die schwächere Beteiligung nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 SBG als lex specialis verdrängt. Vielmehr stehen unterschiedliche Beteiligungsformen bei inhaltlichen Überschneidungen gleichberechtigt nebeneinander (Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, § 23 SBG Rn. 13 und § 25 SBG Rn. 93, vgl. auch 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 6 f. und Leitsatz 3).
59b) Die Umsetzung der in Rede stehenden Maßnahmen war entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung auch nicht deshalb vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens zulässig, weil es sich um vorläufige Maßnahmen nach § 43 Abs. 2 SBG handelte.
60Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SBG können Dienststellen bei Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Damit sind in Mitbestimmungsverfahren die durch § 43 Abs. 1 SBG vorgegebenen Verfahrensabläufe für besonders eilbedürftige Fälle modifiziert. Eine der Natur der Sache nach unaufschiebbare Maßnahme liegt vor, wenn sie trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens und der fehlenden Zustimmung des zu beteiligenden Gremiums eine - allerdings nur vorläufige Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen ( 6 P 6.91 - juris Rn. 15 m.w.N.).
61Hinsichtlich des Erlasses vom greifen diese Regelungen schon deshalb nicht ein, weil er entgegen § 43 Abs. 2 Satz 4 SBG gar nicht als vorläufige Regelung gekennzeichnet ist.
62Der Erlass vom ist zwar als vorläufige Regelung bezeichnet. Jedoch handelt es sich schon nach der vom Bundesministerium der Verteidigung vorgetragenen Begründung für den sofortigen Handlungsbedarf des Dienstherrn nicht um Gründe, die eine Unaufschiebbarkeit der Maßnahme im öffentlichen Interesse rechtfertigen können. Hiernach war die Eilbedürftigkeit darin begründet, dass für die betroffenen Beschäftigten unter den Bedingungen der Pandemie sofort Handlungs- und Rechtssicherheit geschaffen werden sollte. Damit ist aber nicht begründet, dass die vorherige Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens die Erfüllung der Pflichten und Aufgaben der Streitkräfte zumindest konkret gefährdet hätte. Dass ohne die sofortige Begrenzung von Personalausfallzeiten durch die vorrangige Nutzung positiver Arbeitszeitsalden der Dienstbetrieb nicht hätte aufrechterhalten werden können, wird weder geltend gemacht noch plausibilisiert.
633. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:240222B1WB33.21.0
Fundstelle(n):
BAAAI-61791