BGH Beschluss v. - 6 StR 148/21

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Vorliegender Hang trotz Abstinenzzeiträumen

Gesetze: § 64 StGB

Instanzenzug: LG Braunschweig Az: 9 KLs 69/20nachgehend Az: 6 StR 148/21 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit unerlaubtem Besitz einer Waffe sowie von Munition zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Die Ablehnung eines Hangs im Sinne von § 64 Satz 1 StGB und die darauf beruhende Entscheidung des - nicht durch einen psychiatrischen Sachverständigen beratenen - Landgerichts, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3Ausweislich der Urteilsgründe weist der Angeklagte eine Drogenproblematik auf (UA S. 15) und hat die Tat begangen „auch aufgrund eigenen Suchtdrucks, um seinen eigenen Konsum mitzufinanzieren“ (UA S. 13). Unter solchen Vorzeichen ist aber das - vom Landgericht an sich zutreffend definierte - Merkmal des Hanges erfüllt. Entgegen der Auffassung der Strafkammer steht dem die halbjährige Abstinenz des Angeklagten nach seiner Festnahme und seinem Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung nicht entgegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung hindern Intervalle der Abstinenz die Annahme eines Hangs nicht ohne Weiteres (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Dabei spricht der Hinweis des Landgerichts auf eine mögliche Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG dafür, dass sich die Drogenproblematik des Angeklagten auch nach seiner Auffassung noch nicht erledigt hat.

4Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB gegeben sein können, bedarf die Sache insoweit unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung.

5Es hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanordnung der Maßregel auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:040521B6STR148.21.0

Fundstelle(n):
DAAAI-61452