Versuchte schwere Brandstiftung: Voraussetzungen für die Unterbringung einer wahnhaft handelnden Täterin in einem psychiatrischen Krankenhaus
Gesetze: § 20 StGB, § 22 StGB, § 63 StGB, § 306a StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 23 KLs 11/21
Gründe
1Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Beschuldigten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
21. Nach den Feststellungen warf die von einer inneren Stimme dazu aufgeforderte Beschuldigte am späten Abend des einen Stuhl, eine Vase und weitere Gegenstände aus einem Fenster ihrer Wohnung in Richtung der auf dem Gehweg stehenden Nachbarn, nachdem sie kurz zuvor alle Türklingeln betätigt hatte. Der Stuhl verfehlte sein Ziel um eineinhalb Meter. Die Vase verursachte an einem geparkten Fahrzeug einen Sachschaden in Höhe von 2.442,95 Euro (Tat 1).
3Kurze Zeit später zündete sie im Flur ihrer „vollständig zugemüllten“ Wohnung „in krankheitsbedingtem Wahn“ einen auf einem hölzernen Tisch liegenden Eierkarton an, der Feuer fing. Hierdurch entstand ein Brandfleck auf dem Tisch. Zudem verschmorte ein nahe stehender Ventilator. Zu einem Übergreifen der Flammen auf andere Gegenstände kam es nicht. Die Beschuldigte nahm die Ausbreitung des Brandes auf die Wohnung und das Haus billigend in Kauf (Tat 2).
4Am entzündete sie im psychiatrischen Krankenhaus Zeitungspapier, legte es in das Wertfach des hölzernen Schrankes und schloss diesen. Auf der Suche nach der Quelle des Brandgeruchs entdeckte das Klinikpersonal das noch glimmende Papier und löschte es mit einem Feuerlöscher. Für Reinigungs-, Maler- und Reparaturleistungen entstanden Kosten in Höhe von 5.327 Euro. Die Beschuldigte nahm billigend in Kauf, dass das Feuer auf den Schrank und wesentliche Bestandteile des Gebäudes übergreifen könnte (Tat 3).
5Die Strafkammer hat die Tat 1 als versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und die Taten 2 und 3 jeweils als versuchte schwere Brandstiftung, in einem Fall (Tat 3) in Tateinheit mit Sachbeschädigung, gewertet. Sachverständig beraten hat sie angenommen, dass die Beschuldigte an einer schizoaffektiven Störung leide, aufgrund derer ihre Einsichtsfähigkeit zu allen Tatzeitpunkten vollständig aufgehoben gewesen sei. Kurz- und mittelfristig bestehe ein hohes Risiko, dass sie erneut den Brandstiftungsdelikten vergleichbare Taten begehe.
62. Die Unterbringungsentscheidung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
7a) Die Anlasstaten der versuchten schweren Brandstiftung sind nicht ausreichend belegt.
8Der Generalbundesanwalt führt dazu in seiner Antragsschrift aus:
„Gelangt die Tat nur in das Versuchsstadium, muss der vom Täter gefasste Tatplan vorsehen, dass er durch seine Handlung unmittelbar zum Inbrandsetzen oder der (ganz oder teilweisen) Zerstörung durch Brandlegung ansetzt. Einen solchen Tatplan hat die Strafkammer für die Beschuldigte bei beiden Taten nicht dargetan. […]
Die festgestellten objektiven Umstände indizieren einen solchen Tatentschluss bereits nicht. Der Holztisch und der Ventilator sind durch das Feuer lediglich beschädigt worden (UA S. 8). Feststellungen zur Möglichkeit eines eigenständigen Weiterbrennens beider Gegenstände unter den in der Wohnung der Beschuldigten herrschenden Bedingungen hat das Landgericht nicht getroffen. Soweit es in den Urteilsgründen heißt, in der gesamten Wohnung und damit wohl auch im Flur seien Gegenstände und Unrat auf dem Boden verteilt gewesen (UA S. 5) reicht dies für die Annahme einer konkreten Brandgefahr nicht aus. [...]
Die Feststellungen zu den objektiven Tatumständen (Tat 3) erweisen sich als lückenhaft, weil die Strafkammer nichts zur Beschaffenheit des Wertsachenschließfachs mitteilt. Sollte das Wertfach – nicht fernliegend – aus Metall gefertigt gewesen sein, ist bereits nicht ersichtlich, weshalb die Beschuldigte mit dem Einlegen einer unbekannten Menge brennenden Zeitungspapiers davon ausgehen musste, das Zimmer oder gar Gebäudeteile des Krankenhauses in Brand zu setzen. Darüber hinaus ergibt sich aus den Feststellungen nicht, ob die von der Beschuldigten gewählte Art und Weise der Tatausführung überhaupt geeignet war, eine Inbrandsetzung zu ermöglichen. Denn nach dem Einlegen des brennenden Papiers verschloss die Beschuldigte das Fach. Inwieweit dadurch ein Sauerstoffmangel in dem Fach entstand, so dass eine Inbrandsetzung ausschied, hat die Strafkammer nicht erkennbar geprüft.“
9Dem schließt sich der Senat an. Zudem hat die Strafkammer nicht erörtert, ob das Vorstellungsbild der Beschuldigten gegen den festgestellten Tatentschluss sprechen könnte. Dazu hätte Veranlassung bestanden, weil die Beschuldigte angegeben hat, sich mit Bränden „auszukennen“ und niemanden zu gefährden, wenn sie Feuer mache (UA S. 7). Hierbei muss es sich – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – im Hinblick auf die objektiven Feststellungen nicht von vorneherein um bloße Schutzbehauptungen handeln.
10b) Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei ihrer Gefährlichkeitsprognose, die sich maßgeblich auf die Brandstiftungsdelikte stützt, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn sie sich rechtsfehlerfrei mit dem subjektiven Vorstellungsbild der Beschuldigten auseinandergesetzt hätte.
113. Sollte das neue Tatgericht zu der Feststellung gelangen, dass die Beschuldigte ohne einen natürlichen Vorsatz im Hinblick auf die versuchten Brandstiftungen handelte, wird es zu prüfen haben, ob auch die Verwirklichung allein der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Fall 1 und der Sachbeschädigungen in den Fällen 1 und 3 geeignet sein könnte, eine Gefährlichkeit der Beschuldigten im Sinne des § 63 StGB zu begründen (vgl. ). Aus der bisherigen Delinquenz und einer weiteren Brandlegung in der Wohnung darf es allerdings nur dann Schlüsse ziehen, wenn hierzu – anders als bisher geschehen – ausreichende Feststellungen getroffen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 556/19; vom – 6 StR 247/20). Im Hinblick auf das Geschehen vom wird das neue Tatgericht Feststellungen zum Rücktrittshorizont zu treffen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:080222B6STR7.22.0
Fundstelle(n):
YAAAI-61445