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NWB Nr. 19 vom Seite 1371

Unbeschränkte Steuerpflicht durch pandemiebedingte Reisebeschränkungen?

Gestrandet in Deutschland − Implikationen für die Besteuerung des Arbeitnehmers

Dr. Tom Offerhaus und Isabell Vogler

[i]van Lück in Zugmaier/Nöcker, AO-Kommentar, § 8 NWB PAAAH-45050; § 9 NWB AAAAH-52692 Für die steuerliche Beurteilung internationaler unternehmerischer Aktivitäten spielt der Tätigkeitsort eine entscheidende Rolle. Es ist also fraglich, welche Auswirkungen die unfreiwillige Verlegung des Tätigkeitsorts von Arbeitnehmern und Geschäftsführern infolge der coronabedingten umfassenden Kontakt- und Reisebeschränkungen auf die Besteuerung der Unternehmen haben kann. Regelmäßig wird dies zu einer abkommensrechtlichen Neuordnung der Besteuerungsrechte führen, im schlimmsten Fall droht eine Doppelbesteuerung. Entsprechend bedeutsam ist auch die damit einhergehende Besteuerung der Arbeitnehmer. Während die deutsche Finanzverwaltung mit den meisten Nachbarländern bereits frühzeitig Verständigungsvereinbarungen hinsichtlich der steuerlichen Würdigung sog. Grenzpendler veröffentlicht hat (weiterführende Informationen unter: https://go.nwb.de/avg97), besteht hinsichtlich fernab vom Unternehmenssitz „gestrandeten“ Arbeitnehmern bzw. Angehörigen des Top-Managements weiterhin Unklarheit.

I. Begründung der Steuerpflicht nach nationalem Recht

Für „Expatriates“, „Multi-State Workers“ oder auch Arbeitnehmer, die sich schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten und ihre Tätigkeit daher aufgrund der Reise- und Kontaktbeschränkungen nicht am ursprünglich (auch in steuerlicher Hinsicht) geplanten Tätigkeitsort ausführen konnten, ist dieser – inklusive der damit einhergehenden steuerlichen Konsequenzen – neu zu würdigen. Es könnte folglich schnell zu einer „Mehrfach-Steuerpflicht“ kommen. Das aus deutscher Sicht geltende Welteinkommensprinzip kann sodann nur durch Abkommensrecht eingeschränkt werden (§ 2 Abs. 1 AO).

[i]Ritzkat, Unbeschränkte Steuerpflicht, infoCenter, NWB RAAAC-47056 Die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland (§ 1 Abs. 1 EStG) knüpft an den Wohnsitz (§ 8 AO) oder den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) an und ist ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilen. Außerhalb der bereits durch Konsultationsvereinbarungen mit den Nachbarstaaten geregelten Rechtsfolgen für Grenzpendler können diese Tatbestandsvoraussetzungen für aufgrund von Reisebeschränkungen „gestrandete“ Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen gefährlich werden. Zwei Fallgruppen sollen hier herausgegriffen werden:

  1. Arbeitnehmer eines ausländischen Unternehmens, die ihren Hauptwohnsitz im Sinne des Mittelpunkts ihrer Lebensinteressen im Ausland haben und dort auch ihren Tätigkeitsort haben. Es besteht keine persönliche oder berufliche Verbindung mit Deutschland. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Reisebeschränkungen befand sich diese Fallgruppe in Deutschland zu Urlaubs-/Besuchszwecken.S. 1372

  2. Arbeitnehmer eines ausländischen Unternehmens, die ihren Hauptwohnsitz im Sinne des Mittelpunkts ihrer Lebensinteressen im Ausland haben und hier auch ihren Tätigkeitsort haben. Zusätzlich hat diese Fallgruppe jedoch einen Wohnsitz in Deutschland i. S. des § 8 AO (z. B. ein Ferienhaus an einem deutschen Badesee). Zum Zeitpunkt des Eintritts der Reisebeschränkungen befand sich diese Fallgruppe in Deutschland zu Urlaubs-/Besuchszwecken.

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