Gestaltungsmissbrauch und kein Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums bei Dividendenstripping mittels als Sicherheit für ein
Wertpapierdarlehen bezeichneter und regelmäßig ausgetauschter
Wertausgleichsaktien
Leitsatz
Werden börsennotierte Aktien als „Wertausgleich“ oder „Sicherheit“ für ein Wertpapierdarlehen an festverzinslichen Wertpapiere
um den Diviendenstichtag hin- und herübertragen, wird der kurzzeitige zivilrechtliche Eigentümer regelmäßig nicht wirtschaftlicher
Eigentümer, wenn der 97 % der Bruttodividenden an die andere Vertragspartei zahlen muss und er einen Zwischenverkauf der erhaltenen
Aktien und die Rückgabe nur von anderweitig beschafften Aktien derselben Gattung und Menge weder beabsichtigt noch tatsächlich
durchführt. Dass die Aktien von einem Steuerausländer stammen, der hinsichtlich der innerstaatlich bestimmten Abgeltungswirkung
der Kapitalertragsteuer auf die ihm bezogenen Dividende unionsrechtswidrig benachteiligt wäre, ändert daran nichts.
Wer kein wirtschaftliches Eigentum an den im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses gehaltenen Aktien hat, hat trotz zivilrechtlichen
Eigentums keinen Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung der von den Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer aus § 36
Abs. 2 Nr. 2 EStG.
Wird im Erhebungsteil eines erklärungsgemäßen Körperschaftsteuerbescheids Kapitalertragsteuer auf Dividenden angerechnet,
beinhaltet dies regelmäßig, dass die Finanzbehörde die dem Steuerpflichtigen wegen des zivilrechtlichen Eigentums zugeflossene
Dividende als ihm zurechenbaren Kapitalertrag im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veranlagt hat. Daher kann das Finanzamt
die Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO durch Abrechnungsbescheid im Sinne von § 218 AO widerrufen,
wenn die Finanzbehörde den Körperschaftsteuerbescheid ausdrücklich oder konkludent dahingehend geändert hat, dass der Zahlungszufluss
wegen fehlenden wirtschaftlichen Eigentums nicht mehr als Kapitalertrag im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veranlagt
sein soll.
Beim inländischen zivilrechtlichen, aber nicht wirtschaftlichen Anteilseigner steht es der Anwendung des § 42 AO auf eine
Dividendenstrippinggestaltung nicht entgegen, wenn die abgeltende Dividendenbesteuerung beim ausländischen Anteilseigner unionsrechtswidrig
wäre. Vielmehr kann die Verlagerung des Aufwands aus der (vermeintlich) abgeltenden Dividendenbesteuerung auf einen die Aktien
nur kurz über dem Dividendenstichtag haltenden Steuerinländer einen Gestaltungsmissbrauch darstellen. In diesem Fall ist der
aus der Versagung der Anrechnung der Kapitalertragsteuer und dem fehlenden Rückgriff auf den Steuerausländer sich ergebende
Verlust nicht abzugsfähig.
Der zu einer Mehrheitsbeteiligung führende Hinzuerwerb von GmbH-Anteilen mit dem Ziel, die Mehrheitsbeteiligung insgesamt
zeitnah zu veräußern, begründet hinsichtlich der nur kurzzeitig gehaltenen Geschäftsanteile keine die Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns
ausschließende Handelsabsicht im Sinne von § 1 Abs. 12 KWG 1998 und § 1a KWG 2007.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStRE 2022 S. 1463 Nr. 23 OAAAI-60699
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Online-Dokument
Hessisches Finanzgericht
, Urteil v. 01.07.2021 - 4 K 646/20
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