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Online-Nachricht - Donnerstag, 28.04.2022

Lohnsteuer/Verfahrensrecht | Haftung für pauschalierte Lohnsteuer (BFH)

Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten begründet regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH. Das gilt auch im Fall der nachträglichen Pauschalierung der Lohnsteuer (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gem. § 69 Satz 1 i. V. mit § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Danach trifft den Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 EStG).

Sachverhalt: Die Klägerin war seit der Gründung alleinige Geschäftsführerin der GmbH. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für den Zeitraum September 2014 bis Juni 2017 wurde festgestellt, dass für Juli 2015 bis Juni 2017 für die private Nutzung eines Firmen-Kfz durch die Klägerin keine Lohnsteuer angemeldet, einbehalten und abgeführt worden war. Ferner setzte der Prüfer für den Zeitraum Januar 2015 bis Juni 2017 einen geschätzten Anteil von an die Arbeitnehmer der GmbH erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen, die bisher in vollem Umfang als steuerfrei behandelt worden waren, als steuerpflichtig an. Das Finanzamt (FA) führte eine pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG durch.

Für die Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume Dezember 2017 und Januar 2018 meldete die GmbH zwar Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge fristgerecht an, führte diese jedoch für Dezember 2017 nur noch teilweise und für Januar 2018 überhaupt nicht mehr ab. Bereits mit Schreiben vom hatte ein Sozialversicherungsträger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt.

Weil die Forderungen von der GmbH nicht beigetrieben werden konnten, nahm das FA die Klägerin nach vorheriger Anhörung gem. §§ 69, 34 AO mit drei Haftungsbescheiden in Haftung.

Der BFH führte hierzu aus:

  • Die Klägerin hat ihre Pflichten zum einen dadurch verletzt, dass sie die für die Monate Dezember 2017 und Januar 2018 angemeldete Lohnsteuer nicht bzw. nicht vollständig abgeführt hat. Zum anderen hat sie die mit Nachforderungsbescheid festgesetzte Lohnsteuer (und die Nebenleistungen) weder korrekt angemeldet noch gezahlt.

  • Diese Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer beruht auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten der Klägerin als Geschäftsführerin.

  • Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer (Aufgabe der Senatsrechtsprechung im Urteil v. - VII R 108/88).

  • Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es im Streitfall nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt der pauschalierten Lohnsteuer laut Nachforderungsbescheid an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten.

  • Bezüglich der Haftungsbescheide zur Lohnsteuer Dezember 2017 und Januar 2018 ist die Klägerin auch nicht durch ihren Hinweis auf den von ihr beauftragten Steuerberater entschuldigt.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 69 Abs. 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 AO ist zwar verschuldensabhängig ausgestaltet, gleichwohl ein „scharfes Schwert“. Denn der Pflichtenkreis des Geschäftsführers ist weit gezogen. Er umfasst u. a. (steuerliche) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, Erklärungs-, Auskunfts-, Vorlagepflichten, Steuereinbehaltungs- und Entrichtungspflichten sowie Duldungspflichten). Dies gilt auch bei Zahlungsschwierigkeiten der GmbH. Sie ändern weder etwas an der Pflichtenstellung des Geschäftsführers noch schließen sie sein Verschulden bei einem darauf beruhenden Pflichtenverstoß aus. Nach der Rechtsprechung des BFH ist zwar generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH dann nicht schuldhaft handelt, wenn er die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten – und als Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten – steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt, sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass hat, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen. Allerdings darf der Geschäftsführer nicht blind auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch den Dritten vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Deshalb ist der GmbH-Geschäftsführer gut beraten, sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten zu lassen, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können. Außerdem sollte er den Dritten (Rechtsanwalt/Steuerberater) stets vollständig und zutreffend über das Geschehen in Kenntnis setzen. Denn nur dann kann eine konkrete Anfrage bei diesem und eine entsprechende unmissverständliche Antwort, dahingehend dass steuerliche Pflichten nicht zu erfüllen seien, einen Entschuldigungsgrund darstellen. Auch hierauf weist der BFH in der Besprechungsentscheidung nochmals ausdrücklich hin. Zudem hat der BFH an seiner Rechtsprechung betreffend die Anforderungen an das Verhalten des Geschäftsführers nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters festgehalten und den Vorwurf, er habe damit eine Haftungsfalle zu Lasten des GmbH-Geschäftsführers geschaffen, zurückgewiesen. Um sich zu entlasten, muss der in Haftung genommene Geschäftsführer substantiiert darlegen und ggf. nachweisen, welche Schritte er zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte und dass und aus welchen Gründen sich deren Weiterverfolgung wegen der Haltung des vorläufigen Insolvenzverwalters als sinnlos darstellte. Denn in der Krise der Gesellschaft treffen den Geschäftsführer erhöhte Pflichten.

Hinweis: Deshalb kann sich ein Geschäftsführer nicht allein mit der Behauptung entlasten, er habe angenommen, der vorläufige Insolvenzverwalter werde seine Zustimmung zur Abgabentilgung verweigern. Im Regelfall ist vom Geschäftsführer zumindest eine entsprechende dokumentierte Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu erwarten. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann darauf verzichtet werden, wenn nämlich konkrete und eindeutige objektive Anhaltspunkte für die Sinnlosigkeit einer solchen Anfrage bestehen. Ein hypothetischer Kausalverlauf kann dabei keine Berücksichtigung finden kann.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
JAAAI-60601