Verfahrensrecht | Wiederaufleben einer Steuerforderung nach § 144 Abs. 1 InsO (BFH)
Bei einer Streitigkeit darüber, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, handelt es sich um eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i. S. von § 218 Abs. 2 AO (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO betreffen, entscheidet das FA nach § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid. Nach § 37 Abs. 1 AO sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO oder die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.
Sachverhalt: Die Klägerin war Inhaberin eines einzelunternehmerisch geführten Gewerbebetriebs. Unternehmensgegenstand war die Vermietung von Grundstücken an eine GmbH. Zwischen dem Einzelunternehmen der Klägerin und der GmbH bestand eine Organschaft i. S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die GmbH war die Organgesellschaft.
Über das Vermögen der GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter machte gegenüber dem Finanzamt Anfechtungsansprüche nach §§ 131 und 133 InsO v. i. H. von ca. 100.000 € geltend. Das FA stimmte im Mai 2013 schließlich einem Vergleichsvorschlag des Insolvenzverwalters zu und kehrte dementsprechend einen Betrag i. H. von etwa 27.000 € an den Insolvenzverwalter aus.
Anschließend forderte das FA die Klägerin zur Zahlung eines Betrags in Höhe von ca. 13.400 € auf, da in dieser Höhe Steueransprüche wegen der Rückgewährung des Erlangten an den Insolvenzverwalter nach § 144 InsO wieder aufgelebt seien.
Der BFH sah die Revision des FA als begründet an:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein nach § 144 Abs. 1 InsO auflebender Steueranspruch in einem Drei-Personen-Verhältnis keinen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO darstellt.
§ 144 Abs. 1 InsO setzt auch bei einem in einem Drei-Personen-Verhältnis geschlossenen Vergleich voraus, dass die Leistung anfechtbar war.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass es sich bei der Forderung, die von der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO erfasst wird, um die nämliche Forderung handelt, die aufgrund der zunächst erfolgten Leistung erloschen ist. Dafür sprechen zunächst das Verb "aufleben", das ausdrücklich an einen früheren Zustand anknüpft, und der Verbzusatz "wieder", der ebenfalls eine Rückbeziehung impliziert. In die gleiche Richtung weist das Possessivpronomen "seine"; denn wenn es in Bezug auf den Empfänger der anfechtbaren Leistung heißt, "seine" Forderung lebe wieder auf, dann verweist diese Formulierung ausdrücklich auf die ursprüngliche, zunächst erloschene Forderung, die aufgrund der Anfechtung wieder entsteht.
Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 InsO, der darauf abzielt, möglichst den Zustand wieder herzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand (vgl. ).
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
ZAAAI-60600