DSGVO | Anspruch auf Akteneinsicht im Steuerverwaltungsverfahren (FG)
Das FG Niedersachsen hat zu der Frage Stellung genommen, ob Steuerpflichtige einen Anspruch auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren haben, ob Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf direkte Steuern Anwendung findet und ob die Vorschrift einen gesonderten Anspruch auf Akteneinsicht umfasst (; Revision zugelassen).
Sachverhalt: Die Kläger hatten für die Erstellung der Steuererklärung einen Steuerberater beauftragt und ihn zur Entgegennahme des Bescheides bevollmächtigt. Erst nach der Bestandskraft des Steuerbescheides haben die Kläger von dem Bescheid Kenntnis erlangt. Den Erläuterungen in dem Bescheid konnten sie entnehmen, dass es Rückfragen gegeben hatte, von denen sie ebenfalls keine Kenntnis hatten. Da der (nunmehr ehemalige) Steuerberater keine Auskunft gegeben hatte, beantragten sie beim Finanzamt Akteneinsicht um die Angaben zu überprüfen und um ggf. Regress nehmen zu können. Dies lehnte das Finanzamt ab. Den Klägern fehle das notwendige berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht. Ein Anspruch würde sich auch nicht aus der DSGVO ergeben.
Das FG Niedersachsen folgte dem Finanzamt nicht und gab den Klägern Recht:
Das Finanzamt hat das Akteneinsichtsgesuch ermessenfehlerhaft abgelehnt. Anders als andere Verfahrensordnungen enthält die AO zwar kein normiertes Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren, dem Steuerpflichtigen steht aber nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung zu. Hierbei hat das FA die Belange des Steuerpflichtigen mit denen der Behörde abzuwägen.
In seiner Entscheidung wurden die abzuwägenden Rechtsgüter konkretisiert und ausgeführt, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG i.V. mit dem Prozessgrundrecht gem. Art. 19 Abs. 4 GG und dem nunmehr in Art. 41 II lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankerten Recht auf Gehör grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht folgt, welches die Finanzbehörde mit dem Schutz Dritter und ihrem Ermittlungsinteresse sowie ihrem Verwaltungsaufwand abzuwägen hat.
Weiterhin wurde ausgeführt, dass Art 15 DSGVO auch auf direkte Steuern (wie die Einkommensteuer) Anwendung findet. Art. 15 DSGVO sieht jedoch nur ein Auskunftsrecht vor. Ob dieses Auskunftsrecht durch Akteneinsicht oder auf anderem Wege zu erfüllen ist, muss das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Das Gericht konnte diese Frage dahinstehen lassen, da den Klägern bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Akteneinsichtsrecht zustand.
Die Revision zum BFH ist zugelassen. Ein Aktzenzeichen ist derzeit nicht bekannt.
Quelle: FG Niedersachsen Newsletter Nr. 5/2022 v. (JT)
Fundstelle(n):
EAAAI-60552