Umsatzsteuer | Unentgeltlichkeit der Wärmeabgabe (BFH)
Liefert ein Unternehmer mit einer
von ihm hergestellten Biogasanlage vorsteuerabzugsberechtigt Strom gegen
Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich auf andere
Personen überträgt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.
S. von
§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG
(; veröffentlicht am
).
Sachverhalt: Die Klägerin, eine KG, errichtete eine Biogasanlage, die sie im Jahr 2006 in Betrieb nahm. Den mit der Anlage erzeugten Strom lieferte sie gegen Entgelt und machte aus den Errichtungskosten den Vorsteuerabzug geltend. Das FA folgte den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Klägerin, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO gleichstanden. Mit zwei im März 2006 und Oktober 2008 abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich die Klägerin zur unentgeltlichen Lieferung von Wärme an zwei GbRs. In den Jahren 2009 und 2010 erweiterte die Klägerin ihre Anlage und machte auch insoweit den Vorsteuerabzug geltend.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA für die Jahre 2007 bis 2009 (Streitjahre) davon aus, dass die unentgeltlichen Wärmelieferungen zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG geführt haben. Diese sei nach den Selbstkosten zu bemessen. Eine erst im Zusammenhang mit der Außenprüfung getroffene Preisvereinbarung für die Wärmelieferungen erkannte das FA nicht an und sah vier hierüber gegenüber den GbRs erteilte Rechnungen als unbeachtlich an. Der Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das FG der Klage überwiegend statt. Nach dem FG-Urteil liegt mit der kostenlosen Abgabe von Wärme an die beiden GbRs, die die Klägerin von vorneherein beabsichtigt habe, zwar tatbestandlich eine unentgeltliche Zuwendung i. S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor. Gleichwohl sei diese aber nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht steuerbar ().
Der BFH hat die Revision des FA aus anderen als den geltend gemachten Gründen als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
Die für die Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erforderliche Unentgeltlichkeit hat das FG im Ergebnis zu Recht bejaht. Im Streitfall folgt die Unentgeltlichkeit aus dem Fehlen einer zu einem Entgelt führenden Preisvereinbarung, für die das FG in den zwischen den Beteiligten geführten Parallelverfahren (s. und , betreffend der dortigen Streitjahre 2012 bis 2017) zutreffend auf die Gesamtumstände des ohne wesentliche Änderung auch die Streitjahre 2007 bis 2009 umfassenden Streitfalls abgestellt hat.
Die weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG liegen vor. Die unentgeltliche Übertragung der Wärme als Gegenstand (, Rz. 18) auf die beiden GbRs als Empfängerinnen führte dazu, dass die Klägerin diesen jeweils zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft hat (vgl. , Leitsatz 1). Soweit der BFH zudem darauf abstellt, dass ein "unversteuerter Endverbrauch droht" (, Leitsatz 2), ist auch diese Voraussetzung erfüllt, da die auf die beiden GbRs übertragene Wärme einem derart eigenständigen Endverbrauch zugeführt werden konnte. Entgegen dem Revisionsvortrag der Klägerin ist es für die Zuwendungsbesteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unerheblich, ob der Zuwendende außerunternehmerische Zwecke verfolgt.
Entgegen dem Urteil des FG ist auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG zu bejahen. Für die Frage, ob der nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zugewendete Gegenstand entsprechend dem Satz 2 dieser Regelung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, ist bei Gegenständen, die der Unternehmer mit eigenen Produktionsmitteln herstellt, darauf abzustellen, ob er aus dem Erwerb derartiger Anlagen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Dementsprechend hat der BFH bereits zu einem Blockheizkraftwerk ausdrücklich entschieden, dass in der Verwendung von dort erzeugtem Strom und Wärme für den Eigenbedarf eine der Umsatzbesteuerung unterliegende Entnahme i. S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG liegt, wenn der Betreiber den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Kraftwerks geltend gemacht hat (, Leitsatz 2). Dabei bejaht der BFH den die Entnahme nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG begründenden Vorsteuerabzug auch dann, wenn der Betreiber von Anfang an teilweise eine private Strom- und Wärmenutzung beabsichtigt (, Rz. 15, 17). Da § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG nicht zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG unterscheidet, gilt dies ebenso im Rahmen von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.
Der vollumfängliche Vorsteuerabzug in Bezug auf Produktionsmittel, die der Unternehmer auch für Entnahme- oder Zuwendungszwecke verwendet, steht entgegen dem Urteil des FG nicht im Widerspruch zur Versagung des Vorsteuerabzugs bei einer ausschließlichen Entnahmeverwendung.
Die Klägerin ist zum vollen Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Biogasanlage berechtigt. Da die Mitnutzung für unentgeltliche Wärmelieferungen den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten für die Anlage nicht einschränkt, ist entgegen dem FG-Urteil nicht über eine Vorsteueraufteilung, sondern über die Bemessung dieser Entnahme nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG zu entscheiden.
Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:
Das Besprechungsurteil ist zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Abgabe von Wärme aus einer Biogasanlage ergangen. Die Frage ist, was passiert umsatzsteuerrechtlich, wenn die beim Betrieb einer Biogasanlage zwangsläufig neben dem Strom miterzeugte Wärme (unentgeltlich) abgeben wird. Hier hat lange Zeit Unsicherheit bestanden und die Besprechungsentscheidung sorgt in weiten Bereichen nunmehr für Rechtssicherheit. So ist geklärt, dass es bei der unentgeltlichen Wertabgabe in der Variante des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG, also jeder anderen unentgeltlichen Zuwendung eines Gegenstands für Zwecke des Unternehmens, nicht auf unternehmensfremde Zwecke der Entnahme ankommt. Entschieden ist auch, dass es wirtschaftlich nachvollziehbarer Gestaltungen bei Vertragsschluss bedarf, will man die Unentgeltlichkeit vermeiden. Erst nachträglich geschlossene Vereinbarungen (nachdem z. B. die Betriebsprüfung den Sachverhalt ermittelt hat) führen nicht zum Ziel. Und klar ist auch, dass der sog. KWK-Bonus kein Entgelt darstellt, das einer unentgeltlichen Wertabgabe entgegenstehen könnte. Noch nicht im Detail geklärt ist, wie das in die Diskussion eingeführte „Drohen eines unversteuerten Endverbrauchs“ in die Prüfung der unentgeltlichen Wertabgabe eingeführt werden kann. Klar aber ist, dass das „Mitteldeutsche Hartstein-Industrie“ im vorliegenden Zusammenhang zu keinem Erkenntnisgewinn führt, weil es einen anderen Sachverhalt betrifft.
Interessant an dem Besprechungsurteil ist aber insbesondere auch die sog. „Segelanleitung“, die der BFH dem FG für dessen erneute Entscheidung mit an die Hand gibt. Dabei geht es um die Bemessungsgrundlage. Der BFH weist dabei auf den Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG und eine Aufteilung nach ggf. fiktiven Umsätzen hin. Die Hinweise sind ausdrücklich ohne Bindung nach § 126 Abs. 5 GO erfolgt. Sie sind dennoch interessant, denn der BFH wird in der Sache V R 34/20 möglicherweise auch über die Bemessungsgrundlage entscheiden müssen. Dann können vielleicht auch bindende Worte zur Bemessungsgrundlage erwartet werden. Man darf auf die Entscheidung jedenfalls gespannt sein.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
XAAAI-60080