BMF - IV C 7 - S 2236/21/10001 :002 BStBl 2022 I S. 633

Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Biogasanlagen und der Erzeugung von Energie aus Biogas

Besprechung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder vom 5. bis (TOP 12 ESt II/22)

Bezug: BStBl 2000 I S. 1532

Bezug: BStBl 2006 I S. 248

Bezug: BStBl 2021 II S. 226

Bezug: BStBl 1996 II S. 409

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die ertragsteuerrechtliche Behandlung von Biogasanlagen und der Energieerzeugung aus Biogas das Folgende:

A. Einkommensteuer

I. Biogasanlagen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebs

1. Biogaserzeugung als Teil des Hauptbetriebs

1Die Erzeugung von Biogas ist Teil der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion, wenn die Biomasse überwiegend im eigenen Betrieb erzeugt wird und das Biogas oder die daraus erzeugte Energie (Strom, Wärme) überwiegend im eigenen Betrieb verwendet wird.

2Der Absatz von Strom und Wärme führt unabhängig vom Umfang der verarbeiteten und selbst erzeugten Biomasse nach R 15.5 Absatz 12 Satz 2 EStR 2012 zu Einkünften aus einem neben dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bestehenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 EStG (vgl. R 15.5 Absatz 1 Satz 4 EStR 2012). Die Überführung von Biomasse aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in den Gewerbebetrieb ist nach den Grundsätzen des § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG vorzunehmen.

2. Beteiligung einer land- und forstwirtschaftlich tätigen Person an einer Mitunternehmerschaft, die eine Biogasanlage betreibt

3Ist eine land- und forstwirtschaftlich tätige Person an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, die aus Biogas Energie erzeugt, und diese land- und forstwirtschaftlich tätige Person verkauft Biomasse ihres eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs an die Mitunternehmerschaft, sind die daraus resultierenden Einnahmen nicht als Sonderbetriebseinnahmen der beteiligten land- und forstwirtschaftlich tätigen Personen bei der Mitunternehmerschaft, sondern als Einnahmen im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen (Einzel-)Betriebs zu erfassen. Die Betriebseinnahmen gehören dort zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen und sind bei der Beurteilung nach R 15.5 Absatz 11 EStR 2012 entsprechend zu berücksichtigen. Gleiches gilt, soweit die Biomasse von einer land- und forstwirtschaftlich tätigen Mitunternehmerschaft erzeugt wird, die an einer Biogasanlagen-Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

4Der land- und forstwirtschaftliche (Einzel-)Betrieb des Mitunternehmers bleibt auch dann bestehen, wenn die Ernte überwiegend oder gar ausschließlich als Biomasse für die Energieerzeugung in der Mitunternehmerschaft dient. Es liegt keine Überführung des land- und forstwirtschaftlichen (Einzel-)Betriebs in das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft vor. Bei unentgeltlicher Abgabe der Biomasse an die Biogasanlagen-Mitunternehmerschaft sind die Grundsätze des § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 EStG zu beachten.

5Wird zwischen der land- und forstwirtschaftlich tätigen Person und der Biogasanlagen-Mitunternehmerschaft auch der Transport von Biomasse durch die land- und forstwirtschaftlich tätige Person vereinbart, liegt ein einheitlich zu beurteilender Verkauf von eigenen Erzeugnissen vor. Der Transport stellt insoweit eine Nebenleistung zum Verkauf der Biomasse („Lieferung vor Ort“) dar. Soweit die an der Biogasanlagen-Mitunternehmerschaft beteiligte landund forstwirtschaftlich tätige Person Transportdienstleistungen für die Mitunternehmerschaft aufgrund eines gesonderten schuldrechtlichen Vertrags erbringt, handelt es sich im Rahmen der Mitunternehmerschaft um Sondervergütungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG. Die Sondervergütungen sind deshalb beim land- und forst-wirtschaftlichen (Einzel-)Betrieb keine Einnahmen aus einer dem Grunde nach gewerblichen Tätigkeit im Sinne der R 15.5 Absatz 9 bis 11 EStR 2012. Entsprechendes gilt für die Aufwendungen, die für den Transport entstehen. Die mit dem Transport im Zusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter sind Betriebsvermögen des Betriebs, in dem sie überwiegend verwendet werden. Sofern ein solches Wirtschaftsgut (z. B. Güllefassanhänger) dem land- und forstwirtschaftlichen (Einzel)Betrieb zuzuordnen ist, ist für die Verwendung dieses Wirtschaftsguts im Rahmen der Biogasanlagen-Mitunternehmerschaft eine Entnahme zu erfassen.

II. Biogasanlagen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs

1. Be-/Verarbeitung der Biomasse im Nebenbetrieb

6Die Erzeugung von Biogas erfolgt im Rahmen eines Nebenbetriebs, wenn die Biomasse überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugt wird und das Biogas überwiegend zum Verkauf bestimmt ist (vgl. R 15.5 Absatz 3 Satz 1 bis 3 i. V. m. Satz 4 Nummer 1 EStR 2012). Die Verwertung der pflanzlichen oder tierischen Rohstoffe als Biomasse bis hin zur Reinigung des Biogases stellt in diesen Fällen die erste Stufe der Be- oder Verarbeitung im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft dar. Gleiches gilt in den Fällen, in denen eine land- und forstwirtschaftlich tätige Person Umsätze aus der Übernahme der Biomasse erzielt und das hieraus gewonnene Biogas nahezu ausschließlich zur Energieerzeugung im eigenen Hauptbetrieb einsetzt (vgl. R 15.5 Absatz 3 Satz 4 Nummer 2 EStR 2012).

2. Zukauf von Biomasse und untrennbare Vermischung im Rahmen des Nebenbetriebs

7Bei der Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbebetrieb ist für die Frage, ob die Grenze der R 15.5 Absatz 3 Satz 4 Nummer 1 EStR 2012 überschritten wird, grundsätzlich ein Mengenvergleich der eingesetzten Rohstoffe vorzunehmen. Dies gilt bei Biogasanlagen nur in den Fällen, in denen ausschließlich Rohstoffe mit gleichem Energiegehalt eingesetzt werden. Abweichend hiervon ist die Abgrenzung anhand des typisierten Biogasertrags (siehe nachfolgende Tabelle) aus den eingesetzten Rohstoffen vorzunehmen, wenn in Biogasanlagen Rohstoffe von unterschiedlicher Art und Güte eingesetzt werden. Werden danach überwiegend eigene Erzeugnisse im Rahmen einer ersten Stufe der Be- oder Verarbeitung verwendet, ist das hergestellte Biogas noch dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen.

Übersicht eingesetzter Rohstoffe: [1]


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Substrat bzw. Nutzung
Biogasertrag in m3/t Substrat bzw. Frischmasse
Biogasertrag in m3/t organische Trockensubstanz
Rindergülle
30
385
Schweinegülle
15
400
Rindermist [2]
55
330
Schweinemist [3]
12
345
Hühnermist [4]
200
500
Maissilage
220
660
Roggensilage (GPS) [5]
205
620
Grassilage
190
600
Biertreber3
119
612
Getreideschlempe
40
700
Bioabfall [6]
30-280
270-570
Speisereste [7]
70-280
850-900

3. Erzeugung von Biogas und Erzeugung von Energie durch den Nebenbetrieb

8Die Erzeugung von Biogas kann unter den Voraussetzungen der R 15.5 Absatz 3 EStR 2012 im Rahmen eines Nebenbetriebs eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit sein (vgl. R 15.5 Absatz 12 Satz 3 EStR 2012).

9Wird in einer Biogasanlage Energie (Strom, Wärme) erzeugt und abgesetzt, ist dies eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne von R 15.5 Absatz 12 Satz 2 EStR 2012, so dass kein Nebenbetrieb im Sinne von R 15.5 Absatz 3 EStR 2012, sondern ein selbständiger Gewerbebetrieb vorliegt.

III. Biogasanlagen im Rahmen eines gemeinschaftlichen Nebenbetriebs

1. Ebene der Beteiligten

10Erfolgt die Erzeugung von Biogas durch Zusammenschluss mehrerer land- und forstwirtschaftlich tätiger Personen in einer gemeinschaftlich betriebenen Anlage, kann diese Biogasanlage noch als Nebenbetrieb der jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebe angesehen werden. Dies setzt voraus, dass alle Beteiligten als Mitunternehmer zu qualifizieren sind.

2. Ebene der Mitunternehmerschaft

11Ist ein Mitunternehmer als Gewerbetreibender (z. B. im Rahmen eines Strukturwandels) zu beurteilen, ist die gemeinschaftliche Biogasanlage als Gewerbebetrieb zu qualifizieren.

12Nach R 15.5 Absatz 3 Satz 8 EStR 2012 dürfen bei gemeinschaftlichen Nebenbetrieben ausschließlich eigen erzeugte Rohstoffe der beteiligten land- und forstwirtschaftlich tätigen Personen be- oder verarbeitet werden oder nur Erzeugnisse gewonnen werden, die ausschließlich in den Betrieben der beteiligten land- und forstwirtschaftlich tätigen Personen verwendet werden. Für den Verkauf von Biogas aus einer gemeinschaftlich betriebenen Anlage bedeutet dies, dass ausschließlich Biomasse verwendet werden darf, die in den jeweiligen Hauptbetrieben der beteiligten land- und forstwirtschaftlich tätigen Personen erzeugt wurde. Das aus einer Übernahme von Rohstoffen gewonnene Biogas muss ausschließlich zur Energieerzeugung für die eigenen Hauptbetriebe eingesetzt werden.

3. Erzeugung von Energie durch den gemeinschaftlichen Nebenbetrieb

13Wird durch einen gemeinschaftlichen Nebenbetrieb Energie erzeugt, gilt Rn. 9 entsprechend.

IV. Abgrenzung der Wirtschaftsgüter und Absetzung für Abnutzung (AfA)

14Zu einer Biogasanlage gehören insbesondere der Gärbehälter/Fermenter mit dem Nachgärer, die dazugehörige Einbringungs-, Mess- und Steuerungstechnik, die Elektroinstallation, das Rührwerk, die Separierung, die Gasfackeln, der Gasspeicher und die Pumpstation. Diese Wirtschaftsgüter stehen in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Biogasanlage. Damit sind sie unselbständige Bestandteile der als einheitlich bewertbares Wirtschaftsgut anzusehenden Biogasanlage und daher einheitlich mit dieser abzuschreiben.

15Für die Bemessung der AfA gelten die allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Danach sind bewegliche Wirtschaftsgüter und unbewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter, die keine Gebäude sind, grundsätzlich nach § 7 Absatz 1 EStG entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer abzuschreiben. Zur Bestimmung der Nutzungsdauer können als Hilfsmittel die amtliche AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“(BMF-Schreiben vom , BStBl 1996 I S. 1416) und die amtliche AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (BMF-Schreiben vom , BStBl 2000 I S. 1532) herangezogen werden. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer Biogasanlage beträgt nach der amtlichen AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“(a. a. O.) 16 Jahre.

16Die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Biogasanlage genutzten Wirtschaftsgüter, die losgelöst von der Biogasanlage auch alleine nutzbar wären (z. B. Gebäude, Hof- und Platzbefestigung, Zuwege, Grünanlagen mit Umzäunung, Transformator, Gas- und Wärmeleitungen, Fahrsilo, Siloplatte, Fuhrwerkswaage), sind demgegenüber als selbständige Wirtschaftsgüter zu behandeln, soweit sie selbständig bewertbar sind. Sie sind entsprechend der gesetzlichen Regelungen zur AfA abzuschreiben. Nach den in Rn. 15 genannten amtlichen AfA-Tabellen kann von folgenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern ausgegangen werden:


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Gebäude
je nach Ausgestaltung als Scheune oder richtigem Gebäude 25 bzw. 33 Jahre
Fernwärmeleitungen und Gasleitungen aus Stahl oder Kunststoff
20 Jahre
Transformator
20 Jahre
Grünanlagen
15 Jahre
Hofbefestigung
19 Jahre
Fahrsilo, Siloplatte und Waage
jeweils 20 Jahre

17Ein im Zusammenhang mit einer Biogasanlage betriebenes Blockheizkraftwerk stellt ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut dar. Die für den Betrieb eines Blockheizkraftwerkes notwendige Technik und der Motor sind regelmäßig unselbständige Bestandteile des Blockheizkraftwerkes. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Blockheizkraftwerkes beträgt nach der amtlichen AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (a. a. O.) 10 Jahre. Für Blockheizkraftwerke, die bis zum im Zusammenhang mit einer Biogasanlage angeschafft oder hergestellt worden sind, wird es nicht beanstandet, wenn das Blockheizkraftwerk als Teil der Biogasanlage über die Nutzungsdauer von 16 Jahren abgeschrieben wird, wenn dies seit der Anschaffung oder Herstellung erklärt wurde.

V. Bewertung

1. Bewertung des Umlaufvermögens

18Die zum Betreiben einer Biogasanlage eingelagerten Vorräte an Biomasse sind gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 und 2 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder bei Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung und Ausübung des Wahlrechtes mit dem niedrigeren Teilwert zu bewerten. Soweit eine „stehende Ernte“als Biomasse erworben wird, rechnen etwaige Ernte- und Transportkosten zu den Anschaffungskosten der Vorräte. Bei Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung für die „stehende Ernte“nach R 14 Absatz 3 Satz 1 EStR 2012 hat die daraus resultierende reine Biomasse einen Buchwert von 0 Euro. Etwaige Ernte- und Transportkosten erhöhen in diesem Fall den Buchwert.

19Zum Umlaufvermögen gehört als unfertiges Erzeugnis „Biogas“auch der Inhalt im Fermenter und im Nachgärer. Das unfertige Erzeugnis ist mit den bis zum Bilanzstichtag angefallenen Herstellungskosten nach R 6.3 EStR 2012 zu bewerten. Hierzu gehören insbesondere die Anschaffungskosten der Biomasse oder Substrate (z. B. Maissilage und Gülle), die erforderlich sind, um den Fermenter auf das erforderliche Maß zu füllen.

20Der Wert des Fermenterinhalts kann unter Annahme einer Substratverweildauer im Fermenter von beispielsweise 90 Tagen wie folgt ermittelt werden:

Wert Fermenterinhalt (Bestandteil Substrat)

= Wert Substrat in
Euro
t
* tägliche Einsatzmenge in t * 90 Tage * Wertfaktor 25 %

Beispiel für Bestandteil Maissilage:

Bei einem Wert der Maissilage von 35 Euro/t und einer täglichen Einsatzmenge von 20 t beträgt der Wert des Fermenterinhalts:

15.750 Euro = 35
Euro
t
* 20 t * 90 Tage * Wertfaktor
25 %

Etwaige Kosten für Bakterienstämme sind mit der vorgenannten Formel abgegolten. Das sich im Fermenter befindliche Gas, Heizkosten und Gärreste sind zusätzlich zu bewerten.

21Bei Gehaltslieferungen ist zu beachten, dass die Biomasse sowie die Gärreste der landwirtschaftlich tätigen Person zuzurechnen sind und nicht dem Betrieb der Biogasanlage.

2. Bewertung der Entnahme von Strom und Wärme

22Die Sachentnahme von Strom und (Ab-)Wärme ist nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 EStG mit dem Teilwert zu bewerten. Der Teilwert bestimmt sich grundsätzlich nach den anteiligen Herstellungskosten des entnommenen Stroms bzw. der entnommenen Wärme einschließlich Umsatzsteuer, soweit sich für Erzeugnisse gleicher Art und Güte kein niedrigerer Marktpreis gebildet hat (BFH-Urteil vom - IV R 9/17, BStBl II 2021, 226).

23Der Marktpreis für Strom kann aus Vereinfachungsgründen im Wege der Schätzung aus dem Strompreis eines regionalen Energieversorgers abgeleitet oder pauschal mit 0,20 €/kWh angesetzt werden.

24Als Marktpreis für entnommene Wärme kann ein regional üblicher Abgabepreis an fremde Dritte zugrunde gelegt werden. Der bundesdurchschnittliche Fernwärmepreis des jeweiligen Vorjahres auf Basis der jährlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erfüllt die Anforderungen an eine Bewertung nach regionalen Preisen nicht.

25Bei der Abgabe von (Ab-)Wärme beim Betrieb von Biogasanlagen mit Blockheizkraftwerken an fremde Dritte zu verbilligten Preisen oder ohne Entgelt liegt nicht zwingend eine Entnahme vor. Bei der Beurteilung im Einzelfall ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Abgabe aufgrund betrieblicher Veranlassung vorgenommen wird. Das Anstreben eines KWK-Bonus könnte ein Indiz dafür sein. Als weiterer Aspekt kann die (widerlegbare) Vermutung herangezogen werden, dass unter fremden Dritten marktübliche Konditionen vereinbart werden oder zumindest betriebliche Gründe für die Höhe der Vergütung (ggf. auch ohne Vergütung) vorliegen, und somit eine Entnahme zu verneinen wäre.

VI. Rückstellung für Rückbauverpflichtung

26Für nach § 35 Absatz 1 Nummer 6 BauGB baurechtlich zulässige Biomasseanlagen im Außenbereich, zu denen auch Biogasanlagen zählen, ist die in § 35 Absatz 5 Satz 2 BauGB geregelte Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und die Bodenversiegelung zu beseitigen (sog. Rückbauverpflichtung).

27Die gesetzliche Rückbauverpflichtung greift nicht, wenn die Anlage nicht im Rahmen der baurechtlichen Vorhaben, sondern auf der Grundlage eines Bebauungsplans errichtet wird. In diesen Fällen kann eine vertragliche Rückbauverpflichtung im Durchführungsvertrag mit der Kommune im Rahmen des Bauantragsverfahrens getroffen werden.

28Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten darf steuerlich nach R 5.7 Absatz 4 Satz 1 EStR 2012 nur passiviert werden, wenn die öffentlich-rechtliche Handlungsverpflichtung hinreichend konkretisiert ist, also innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums vorgeschrieben ist. Die Vorgabe des § 35 Absatz 5 Satz 2 BauGB begründet regelmäßig noch keinen hinreichend bestimmbaren Zeitraum für die Rückbauverpflichtung vor Eintritt der dauerhaften Aufgabe der zulässigen Nutzung als Biogasanlage. Hat die steuerpflichtige Person die nach § 35 Absatz 5 Satz 2 BauGB erforderliche Verpflichtungserklärung hingegen abgegeben und ist diese Verpflichtung durch Eintragung einer Baulast ins Grundbuch oder durch Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe der voraussichtlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungskosten sichergestellt, ist die Verpflichtung hinreichend konkretisiert. Bei einer vertraglich geregelten Rückbauverpflichtung ist für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Bildung einer Rückstellung auf den Einzelfall abzustellen. Ist in diesen Fällen im Genehmigungsbescheid der Baubehörde eine Rückbauverpflichtung enthalten, ist die Verpflichtung jedenfalls hinreichend konkretisiert. Die Bewertung einer solchen Rückstellung erfolgt nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a Buchstabe d Satz 1 EStG zeitanteilig in gleichen Raten und ist über die Laufzeit anzusammeln. Ebenso ist nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a Buchstabe e Satz 1 EStG eine Abzinsung vorzunehmen.

B. Körperschaftsteuer

I. Biogas-Erzeugungsgenossenschaften

1. Erzeugung und Verkauf von Biogas

29Wird eine Biogasanlage in der Rechtsform einer Genossenschaft betrieben, ist eine Steuerbefreiung nach § 5 Absatz 1 Nummer 14 Satz 1 Buchstabe c KStG nur möglich, wenn für die Erzeugung des Biogases ausschließlich eigen erzeugte Rohstoffe der beteiligten land- und forstwirtschaftlich tätigen Personen verwendet werden. Die Verwertung der pflanzlichen oder tierischen Rohstoffe als Biomasse bis hin zur Reinigung des Biogases stellt in diesen Fällen die erste Stufe der Be- oder Verarbeitung im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft dar.

2. Erzeugung von Energie durch eine Biogas-Erzeugungsgenossenschaft

30Soweit eine Biogas-Erzeugungsgenossenschaft zur Beheizung der Anlage Energie erzeugt, ist dies für die Steuerbefreiung unschädlich. Wird hingegen überschüssige Energie durch eine Biogas-Erzeugungsgenossenschaft in das (Strom-/Wärme-) Netz eingespeist und an Dritte oder auch eigene Mitglieder geliefert, ist diese Bearbeitung der zweiten Stufe der Be- oder Verarbeitung zuzuordnen. Diese Tätigkeit ist nicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 14 KStG be-günstigt. Die Genossenschaft ist insoweit partiell steuerpflichtig (vgl. R 5.11 Absatz 1 Satz 3 KStR). In diesen Fällen ist § 5 Absatz 1 Nummer 14 Satz 2 KStG zu beachten.

II. Generatoren-Genossenschaft

1. Erzeugung von Energie

31Die Be- oder Verarbeitung von Biogas im Rahmen einer Generatoren-Genossenschaft stellt eine weitere und damit die zweite (gewerbliche) Stufe der Be- oder Verarbeitung dar. Die Erzeugung von Energie durch Generatoren ist eine Betätigung außerhalb der Land- und Forstwirtschaft; insoweit scheidet eine Steuerbefreiung nach § 5 Absatz 1 Nummer 14 Buchstabe c KStG aus. Dies gilt unabhängig davon, ob Mitglieder der Genossenschaft oder Dritte Abnehmer der erzeugten Energie sind.

2. Beteiligung der Biogas-Erzeugungsgenossenschaft

32Beteiligt sich eine Biogas-Erzeugungsgenossenschaft an einer steuerpflichtigen Generatoren-Genossenschaft, sind die Gewinnanteile oder Bezüge nach R 5.11 Absatz 5 KStR als Einnahmen aus nicht begünstigter Tätigkeit anzusehen. In diesen Fällen ist § 5 Absatz 1 Nummer 14 Satz 2 KStG zu beachten.

3. Rückvergütung an eine Biogas-Erzeugungsgenossenschaft

33Rückvergütungen im Sinne des § 22 KStG sind den Einnahmen aus den Geschäften zuzurechnen, für die die Rückvergütungen gewährt worden sind (R 5.11 Absatz 5 Satz 6 KStR). Soweit die Generatoren-Genossenschaft in zulässiger Weise eine Rückvergütung nach § 22 KStG für den Verkauf des Biogases (Gegengeschäft) gewährt, fallen die der Biogas-Erzeugungsgenossenschaft aus der Rückvergütung zufließenden Erträge bei Vorliegen der unter den Rn. 29 und 30 genannten Voraussetzungen daher in den steuerbefreiten Teil der Genossenschaft.

III. Bewertung des Feldinventars und der Vorräte einer steuerpflichtigen Körperschaft bei Erzeugung von Biogas und Energie

34Nach R 14 Absatz 2 i. V. m. Absatz 3 Satz 1 EStR 2012 kann bei landwirtschaftlichen Betrieben oder Teilbetrieben zur Vereinfachung der Bewertung von einer Aktivierung des Feldinventars und der stehenden Ernte abgesehen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass in der Schlussbilanz des Betriebs für vorangegangene Wirtschaftsjahre oder beim Wechsel zum Betriebsvermögensvergleich keine Aktivierung eines Wirtschaftsguts Feldinventar oder stehende Ernte vorgenommen wurde (vgl. R 14 Absatz 3 Satz 2 EStR 2012). Dies gilt nach R 8.3 Satz 2 und 3 KStR auch für Betriebe, die kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielen. In diesen Fällen muss sich der Betrieb der Körperschaft ausschließlich auf die Land- und Forstwirtschaft beschränken oder es muss ein organisatorisch verselbstständigter Betriebsteil vorliegen. Die Rn. 18 ist bei Körperschaften analog anzuwenden.

35Für die Frage, ob ein organisatorisch verselbstständigter Betriebsteil im Sinne der R 8.3 Satz 3 KStR vorliegt, ist auf die einkommensteuerrechtliche Definition des Teilbetriebs abzustellen; zur Definition des Teilbetriebs vgl. R 16 Absatz 3 EStR 2012. Kann die Erzeugung von Biomasse und die Herstellung von Biogas bzw. die Energieerzeugung organisatorisch und technisch ohne weiteres getrennt werden, kann unter diesen Voraussetzungen im Einzelfall ein Teilbetrieb vorliegen.

36Ein Teilbetrieb liegt nicht vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen von mehreren Teilbereichen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden (z. B. Grund und Boden, auf dem sich neben einer Biogasanlage auch Wirtschaftsgebäude für den landwirtschaftlichen Betrieb befinden). Insoweit müssen gemeinsam genutzte wesentliche Betriebsgrundlagen nicht nur räumlich, sondern auch zivilrechtlich real aufteilbar sein (vgl. BFH-Urteil vom – VIII R 39/92, BStBl 1996 II S. 409).

37Liegen die Voraussetzungen für einen Teilbetrieb im Einzelfall vor und können die Erträge und Aufwendungen getrennt ausgewiesen werden, bestehen keine Bedenken, für den originär landwirtschaftlichen Bereich die Nichtaktivierung des Feldinventars bzw. der stehenden Ernte zu gewähren. Gleichwohl sollte das wirtschaftliche Ergebnis des Teilbetriebs im Rahmen der Gewinnermittlung der Körperschaft zum Ausdruck gebracht werden.

C. Zeitliche Anwendung

38Die vorstehenden Regelungen gelten für Wirtschaftsjahre, die nach der Veröffentlichung der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien am beginnen.

Für Wirtschaftsjahre die nach dem und vor dem beginnen, sind die Regelungen des BMF-Schreibens vom (BStBl 2006 I S. 248) wahlweise weiterhin anzuwenden. Die Regelungen des BMF-Schreibens vom (a. a. O.) und die Regelungen dieses BMF-Schreibens sind für den vorgenannten Zeitraum einheitlich anzuwenden.

BMF v. - IV C 7 - S 2236/21/10001 :002


Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 633
BB 2022 S. 918 Nr. 17
DStR-Aktuell 2022 S. 8 Nr. 15
EStB 2022 S. 212 Nr. 6
KÖSDI 2022 S. 27715 Nr. 5
WAAAI-59886

1Quelle: KTBL (2021): Gasausbeute in landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Potenziale, Erträge, Einflussfaktoren. Darmstadt, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL)

2Gelagert; Nur als Teilsubstrat und i. d. R. mit Vorbehandlung nutzbar.

3Auswertung von Laborergebnissen (kein „Richtwert“)

4Geflügelmist; Nur als Teilsubstrat und i. d. R. mit Vorbehandlung nutzbar.

5Getreide, Ganzpflanzensilage

6Bioabfall und Speisereste setzen sich aus einer Vielzahl von Substraten unterschiedlicher Herkunft zusammen. Im Einzelnen können sich die tatsächlichen Gasausbeuten von den hier angegebenen Werten deutlich unterscheiden.

7Bioabfall und Speisereste setzen sich aus einer Vielzahl von Substraten unterschiedlicher Herkunft zusammen. Im Einzelnen können sich die tatsächlichen Gasausbeuten von den hier angegebenen Werten deutlich unterscheiden.