BGH Urteil v. - 6 StR 388/21

Schwerer Bandendiebstahl: Anforderungen an das Vorliegen einer Bandenabrede

Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 243 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244a Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Rostock Az: 11 KLs 73/20 (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.    wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten R.      wegen Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen und den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es sie freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich dagegen, dass die Angeklagten in den Verurteilungsfällen nicht jeweils des schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen worden sind. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendeten der Angeklagte K.    und mindestens zwei Mittäter - die gesondert verfolgten Z.      und T.      - aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in der Nacht zum in        einen Pkw der Marke Mazda, wobei der Angeklagte oder ein Mittäter das Fahrzeug entweder dadurch öffnete, dass er sich die Eigenschaften des „Keyless-Go“-Systems zunutze machte, oder unter Verwendung eines sogenannte Pick-Werkzeugs. Anschließend starteten sie das Fahrzeug mithilfe eines mobilen On-Board-Diagnose-Werkzeugs über die OBD-Schnittstelle und programmierten einen „Dublettenschlüssel“, der einen späteren Start des Autos ermöglichte. Danach wurde das Fahrzeug T.      übergeben, der es zur gewinnbringenden Verwertung als Kurier nach Polen fahren sollte. K.    und Z.      fuhren ihm mit einem anderen Pkw voraus, um ihn vor etwaigen Polizeikontrollen oder anderen Hindernissen zu warnen (Fall 1 der Urteilsgründe).

3Zwischen dem , 16 Uhr, und dem Morgen des entwendete der Angeklagte K.    gemeinsam mit dem gesondert verfolgten P.     und mindestens einem weiteren Mittäter auf die gleiche Weise wie im Fall 1 erneut in        einen Pkw der Marke Mazda. In diesem Fall fungierte P.     als Kurier, K.    und ein Mittäter fuhren ihm voraus (Fall 2 der Urteilsgründe).

4Am reisten die beiden Angeklagten von Polen nach Deutschland ein, um in        Fahrzeuge der Marke Mazda zu entwenden und von Kurieren zur gewinnbringenden Verwertung nach Polen bringen zu lassen. Sie hatten mit den gesondert verfolgten P.     und O.        vereinbart, dass diese später nachkommen und jeweils ein Auto nach Polen überführen sollten. Der Angeklagte R.       hatte zudem den gesondert verfolgten To.   als dritten Kurierfahrer angeworben. Noch in derselben Nacht entwendeten die Angeklagten auf die gleiche Weise wie in den vorgenannten Fällen zwei Pkw und zwischen dem , 17 Uhr, und dem , 6 Uhr, ein drittes Fahrzeug. In der Nacht zum reisten P.     , O.       und To.   von Polen nach        . Dort übergaben die Angeklagten ihnen jeweils eines der entwendeten Fahrzeuge, um es nach Polen zu bringen. Die Angeklagten fuhren voraus, und die drei Kuriere folgten ihnen in Abständen (Fälle 3 bis 5 der Urteilsgründe).

5In der Nacht zum entwendeten die Angeklagten in        auf die gleiche Weise wie zuvor einen weiteren Pkw der Marke Mazda. Auch in diesem Fall fungierte der gesondert verfolgte To.   als Kurier, die Angeklagten fuhren ihm voraus (Fall 6 der Urteilsgründe).

62. Das Landgericht hat die Taten jeweils als Diebstahl im besonders schweren Fall (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB) angesehen. Die Täterschaft des Angeklagten K.    und des gesondert verfolgten Z.       im Fall 1 der Urteilsgründe hat es unter anderem darauf gestützt, dass beide schon früher in zeitlicher und räumlicher Nähe zu Fahrzeugdiebstählen in        aufgefallen waren: Sie wurden kontrolliert, als sie in der Nacht zum auf der Autobahn 11 in Richtung Polen fuhren und als sie in der Nacht zum auf der Autobahn 19 zwischen den Anschlussstellen         und          unterwegs waren; in beiden Nächten war in        ein Pkw entwendet worden. Bereits am waren K.    , Z.       und eine dritte Person auf einem an der Autobahn 20 gelegenen Rastplatz einer Kontrolle unterzogen worden, bei der in ihrem Pkw sechs unbenutzte sogenannte Arbeitshandys gefunden worden waren, die häufig im Zusammenhang mit Kfz-Diebstählen zur Kommunikation mit Kurierfahrern verwendet werden.

7Die Annahme gewerbsmäßigen Handelns hat das Landgericht wie folgt begründet:

8Der hohe Organisationsgrad, die Zahlung von Lohn an die Kurierfahrer und das notwendige Equipment in Form des kostspieligen OBD-Tools sprächen dafür, dass beide Angeklagte in der Absicht gehandelt hätten, sich durch die Entwendung der Fahrzeuge eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Beim Angeklagten K.    komme die Anzahl der Diebstahlsfälle hinzu, in denen er in Erscheinung getreten sei. Angesichts der Einbindung des Angeklagten R.      in die Organisation, die unter anderem darin zum Ausdruck komme, dass er den Kurierfahrer To.   angeworben habe, sei auch bei ihm von einer von Anfang an bestehenden Wiederholungsabsicht auszugehen.

II.

9Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die Angeklagten jeweils nur des Diebstahls, nicht jedoch des schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1 StGB) schuldig gesprochen hat. Die zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

101. Das Landgericht hat dazu ausgeführt:

11Die Kammer habe nicht die Überzeugung gewonnen, dass sich der Angeklagte K.    sowie Z.       und T.     zur fortgesetzten Begehung von Diebstahlstaten zusammengeschlossen hätten. Eine gemeinsame Tatbegehung dieser Personen habe nur im Fall 1 der Urteilsgründe festgestellt werden können. Zwar spreche der Umstand, dass K.    und Z.       bereits früher im Zusammenhang mit Kfz-Diebstählen in Erscheinung getreten seien, dafür, dass beide vereinbart haben könnten, für eine gewisse Dauer eine Mehrzahl von Straftaten zu begehen. Eine entsprechende Abrede mit T.      lasse sich aber nicht sicher feststellen. Das gelte auch für eine mögliche Zugehörigkeit von K.    und Z.      zu einer organisierten Gruppe von Autodieben und -verwertern, die es nach polizeilichen Erkenntnissen in Polen gebe; es sei möglich, dass K.    und Z.       eigenständig agiert hätten.

12Entsprechend verhalte es sich in den Fällen 2 bis 6 der Urteilsgründe. Ein bandenmäßiger Zusammenschluss des Angeklagten K.    mit dem Angeklagten R.       sowie den gesondert verfolgten O.       , P.     und To.   sei möglich, aber nicht sicher feststellbar.

132. Diese Ausführungen stoßen auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. etwa , NJW 2007, 384, 387; Beschluss vom - 5 StR 8/12, NStZ-RR 2013, 21, 22) auf durchgreifende rechtliche Bedenken. In der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ist zum Vorliegen einer Bandenabrede Folgendes ausgeführt:

„Die Strafkammer hat zwar einen hohen Organisationsgrad unter stetiger Wiederholung desselben Tatbegehungsmusters und Tatobjektes festgestellt. Auch hat sie eine von Beginn an bestehende Einbindung des Angeklagten R.       in die Organisation angenommen (UA S. 24). Schließlich ist sie von einer Vereinbarung zwischen dem Angeklagten K.    und dem gesondert verurteilten Z.     ausgegangen (UA S. 24), dies insbesondere wegen der getroffenen Feststellungen zu einer ‚auffallenden Häufigkeit von gemeinsamem Erscheinen‘ des Angeklagten K.    und des gesondert verurteilten Z.       ‚in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Nähe zu weiteren Diebstählen von Pkw der Marke Mazda in       ‘ und deren damit naheliegenden jeweiligen Tatbeteiligung an diesen, bei denen sie einen Zusammenhang unter anderem über den gesondert verfolgten, späteren Mittäter T.      hergestellt hat (UA S. 11 ff.). Die Strafkammer hat dabei aber den naheliegenden Schluss, dass sich jedenfalls der Angeklagte K.    , der gesondert verurteilte Z.       und der Angeklagte R.       zu einer Bande zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen verbunden haben, nicht weiter in den Blick genommen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Tatbeiträge und der festgestellten Organisationseinbindung des Angeklagten R.       nicht nachvollziehbar, die auch nach der Überzeugung der Strafkammer darin zum Ausdruck gekommen ist, dass der immerhin in vier Fällen beteiligte Angeklagte R.       eigenständig Kurierfahrer angeworben hat (UA S. 24).

Das Vorliegen einer Bandenabrede kann auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden ( -, Rn. 33, juris). Ein solches wiederholtes deliktisches Zusammenwirken von mindestens drei Personen liegt nach den Urteilsfeststellungen vor.

Indizien, die gegen eine Bandenabrede sprechen, sind den Urteilsgründen hingegen nicht zu entnehmen. Auch das zum Teil wechselnde Zusammenwirken insbesondere bezüglich der jeweiligen Kurierfahrer spricht aus den dargelegten Gründen nicht gegen das Bestehen einer Bande und einer Bandenabrede im Sinne der §§ 244, 244a StGB. Mitglied einer Bande kann darüber hinaus auch sein, wer eine künftige (dauerhafte) Gehilfentätigkeit zugesagt hat. Der Mitgliedschaft steht daher nicht entgegen, dass einzelne Beteiligte stets nur Gehilfen sein sollen (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 244 Rn. 39). Vor diesem Hintergrund ist auch das wiederholte Auftreten der mit den Angeklagten zusammenwirkenden Kurierfahrer - insbesondere im Fall II.1. - nicht hinreichend von der Strafkammer berücksichtigt worden.“

143. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht die Angeklagten bei rechtsfehlerfreier Würdigung jeweils des schweren Bandendiebstahls für schuldig befunden hätte. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung zum Vorliegen einer Bande. Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht diejenige der Strafaussprüche nach sich.

15Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die zur Bande getroffenen Feststellungen auf. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen im Übrigen sowie der Einziehungs- und der Anrechnungsentscheidungen bedarf es nicht, weil sie von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung der Schuldsprüche führt, nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:120122U6STR388.21.0

Fundstelle(n):
OAAAI-59465