Versuchter sexueller Missbrauch einer Jugendlichen: Unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung
Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 182 StGB
Instanzenzug: LG Regensburg Az: KLs 402 Js 18948/20 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexuellen Missbrauchs eines Kindes mit sexueller Nötigung“ (Einzelstrafe zwei Jahre und zehn Monate) und wegen „versuchten sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen“ (Einzelstrafe vier Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 und 4 StGB (Fall B.II.1.b der Urteilsgründe) und insoweit zum Freispruch des Angeklagten. Bei der angestrebten Missbrauchstat war die Schwelle zum strafbaren Versuch noch nicht überschritten.
3a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen fragte die damals 14-jährige Nebenklägerin den Angeklagten bei einem Aufenthalt in dessen Wohnung, ob sie das WLAN nutzen dürfe. Der Angeklagte äußerte hierauf, dies dürfe sie, wenn er sie „anfassen“ dürfe. Die Nebenklägerin, die zutreffend erkannte, dass der Angeklagte sie insbesondere im Intimbereich sexuell motiviert berühren wollte, lehnte das Ansinnen ab und entfernte sich. Weitere Anstalten, sein Ziel zu erreichen, unternahm der Angeklagte nicht.
4b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 und 4 StGB. Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen begründen eine Versuchsstrafbarkeit nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet. Hieran gemessen hat der Angeklagte noch nicht im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 182 Abs. 2 StGB angesetzt. Denn die Vornahme sexueller Handlungen war nach seiner Vorstellung ersichtlich von der Bereitschaft der Nebenklägerin, sich auf sein Ansinnen einzulassen, und damit von einem wesentlichen Zwischenakt abhängig (vgl. ; Urteil vom - 4 StR 258/13, StV 2014, 413, 414).
5Da auszuschließen ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung diesbezüglich weitergehende Feststellungen getroffen werden könnten, hat der Senat den Angeklagten insoweit freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Der Freispruch entzieht der für diese Tat verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten und dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
62. Hingegen hat die rechtsfehlerfreie Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten (Fall B.II.1.a der Urteilsgründe) Bestand. Der Senat hat den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils entsprechend geändert (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:021121B6STR465.21.0
Fundstelle(n):
EAAAI-59344