Strafverurteilung wegen sexueller Belästigung u.a.: Merkmal des körperlichen Berührens
Gesetze: § 184i Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Trier Az: 8021 Js 1099/20 2a KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen sexueller Belästigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Der näheren Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
3Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen sexueller Belästigung in zwei Fällen verurteilt hat, hält der Schuldspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Es hat hinsichtlich beider Fälle zu Recht angenommen, der Angeklagte habe die andere Person im Sinne des § 184i Abs. 1 StGB in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt.
4Nach den getroffenen Feststellungen zog der Angeklagte zu zwei verschiedenen Gelegenheiten jeweils einem der neun bzw. zehn Jahre alten Geschädigten im Rahmen spielerischen Herumtobens unvermittelt Hose und Unterhose in sexueller Absicht herunter, so dass deren unbekleidete Geschlechtsteile zu sehen waren. Die geschädigten Jungen reagierten beschämt und belästigt und zogen sich die Kleidungsstücke sogleich wieder hoch.
5Danach ist ein körperliches Berühren der Geschädigten durch den Angeklagten auch unter Zugrundelegung der zur Art und Weise des Herunterziehens der Hosen pauschalen Feststellungen des Landgerichts hinreichend belegt. Für dieses vom Wortlaut der Norm noch gedeckte Verständnis sprechen insbesondere der Wille des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck der Vorschrift.
6Ein körperliches Berühren im Sinne der durch das 50. StÄG vom (BGBl. I S. 2460) in das Strafgesetzbuch eingefügten Vorschrift liegt nach der Gesetzesbegründung jedenfalls dann vor, wenn der Täter auf das Opfer unmittelbar körperlich einwirkt. Hierfür ist im Grundsatz der Kontakt des Täters mit seinem eigenen Körper am Körper des Opfers erforderlich (BT-Drucks. 18/9097 S. 30; ebenso BeckOK StGB/Ziegler, 49. Ed., § 184i Rn. 3; AnwK-StGB/Lederer, 3. Aufl., § 184i Rn. 2; Dölling/Duttge/König/Rössner/Laue, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 184i StGB Rn. 1); mittelbare, durch Maschinen oder durch Dritte ausgeführte Handlungen sollen dagegen nicht ausreichen (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 184i Rn. 2; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 184i Rn. 3 mwN); ob es sich um unbekleidete oder bekleidete Körperstellen handelt, soll unerheblich sein (AnwK-StGB/Lederer, 3. Aufl., § 184i Rn. 2; MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 184i Rn. 7; SSW-StGB/Wolters, 5. Aufl., § 184i Rn. 5; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 184i Rn. 3).
7Das Kriterium des Körperkontakts dient dabei in erster Linie dem Ausschluss gänzlich körperloser Angriffsarten wie der Vornahme sexueller Handlungen vor einer anderen Person oder der bloßen verbalen Einwirkung auf das Opfer (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/9097 S. 30; MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 184i Rn. 7; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184i Rn. 4; BeckOK StGB/Ziegler, 49. Ed., § 184i Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 184i Rn. 2; Joecks/Jäger, Studienkommentar, 13. Aufl., § 184i Rn. 2). Gesetzgeberische Zielvorstellung für die Einführung des § 184i StGB war es ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9097 S. 29 f.) zudem, solche Handlungen zu erfassen, die zwar keine sexuellen Handlungen im Sinne des § 184h Nummer 1 StGB darstellen, weil sie die Erheblichkeitsgrenze nicht erreichen, die aber gleichwohl das Opfer sexuell belästigen. Ausdrücklich als Beispiele genannt werden dort etwa das feste Drücken der behandschuhten Hand des Opfers auf das Geschlechtsteil des Täters (, NStZ 1993, 182), das Berühren im Vaginalbereich über der Kleidung (, juris Rn. 8) oder der flüchtige Griff an die Genitalien einer bekleideten Person (, BGHSt 1, 293, 298).
8Diesen Fallgestaltungen, zu deren strafrechtlicher Erfassung die Vorschrift des § 184i Abs. 1 StGB eingeführt wurde, ist die vorliegende gleich zu achten, weil der Täter durch das Anfassen und Herunterziehen der körpernah getragenen Hosen und Unterhosen der Geschädigten zu deren - bekleideten - Körpern in vergleichbarer Weise Körperkontakt aufnimmt wie die Täter in den in der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Fallbeispielen der Berührung im Vaginalbereich über der Kleidung bzw. der flüchtigen Berührung der Genitalien einer bekleideten Person. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass Körperteile von Täter und Opfer einander bis auf die dazwischenliegende Schicht der Bekleidung angenähert werden und so zueinander in - wenn auch flüchtigen - Körperkontakt treten; in diesem Sinne handelt es sich um eine unmittelbar körperliche Einwirkung und gerade nicht um bloß mittelbare, durch Maschinen oder dritte Personen vorgenommene Berührungen oder sonst gänzlich körperlose Verhaltensweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:090321B3STR489.20.0
Fundstelle(n):
ZAAAI-59337