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Online-Nachricht - Donnerstag, 07.04.2022

Einkommensteuer | § 6b EStG - Übertragung stiller Reserven auf einen anderen Betrieb (BFH)

Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann. In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten u.a. über die Frage, ob der Kläger eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG, die er in seinem landwirtschaftlichen Einzelunternehmen gebildet hatte, auf die beigeladene Personengesellschaft übertragen durfte, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu entscheiden ist, oder im Rahmen der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Personengesellschaft.

Hierzu führten die Richter des BFH u.a. weiter aus:

  • Der Ergänzungsbilanzgewinn, der mitunternehmerbezogen den laufenden Gesamthandsgewinn korrigiert, ist eine gesondert festzustellende und selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Eine eigene Klagebefugnis des Mitunternehmers hiergegen besteht nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO aber nur dann, wenn dieser Gewinn allein aus den Mitunternehmer betreffenden Gründen streitig ist.

  • Die Möglichkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist schon dann gegeben, wenn der Kläger geltend macht, der unmittelbar erstrebte steuerrechtliche Nachteil sei mit einem mittelbaren steuerrechtlichen Vorteil in einem anderen Verwaltungsakt steuerrechtlich verknüpft.

  • Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann.

  • In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Der Besprechungsfall wirft Licht auf eine ungeklärte Frage bei der Anwendung des § 6b EStG, soweit dessen Fassung die Übertragung stiller Reserven vom veräußernden Betrieb auf einen anderen Betrieb (Reinvestitionsbetrieb) zulässt und damit statt der betriebsbezogenen die sog. gesellschafterbezogene Betrachtungsweise maßgebend ist. Weil es in dieser Situation Festsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren des veräußernden Betriebs und des reinvestierenden Betriebs gibt, stellt sich die Frage, was in welchem Verfahren zu entscheiden ist, ob dabei gestufte Verwaltungsverfahren vorliegen und wenn ja, inwieweit „in welcher Richtung“ ein Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid vorliegt.

Das dem Verfahren beigetretene BMF war der Ansicht, der Feststellungsbescheid der Mitunternehmerschaft des reinvestierenden Betriebs stelle keinen Grundlagenbescheid für die Ausbuchung der Rücklage beim veräußernden Betrieb dar. Bei einem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO beschränke sich die Bindungswirkung auf die von den Feststellungsbeteiligten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Hierzu zählten nicht Sachverhalte der persönlichen Einkunftserzielung wie die Bildung und Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG. Andererseits stelle der Bescheid für den veräußernden Betrieb im Jahr der Auflösung der Rücklage einen Grundlagenbescheid und der Feststellungsbescheid des reinvestierenden Betriebs für das Wirtschaftsjahr, in dem es zum Abzug des Gewinns von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts komme, insoweit einen Folgebescheid dar. Denn von den beiden eingebundenen Finanzämtern sei das für den veräußernden Betrieb zuständige Finanzamt sachnäher, da das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung der Rücklage durch entsprechenden Bilanzansatz im veräußernden Betrieb auszuüben sei. Müssten die mit Bildung und Auflösung der Rücklage im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen eigenständig durch das für den Reinvestitionsbetrieb zuständige Finanzamt geklärt werden, müsste der Steuerpflichtige ggf. parallele Verfahren mit der Gefahr divergierender Entscheidungen führen. In § 6b EStG als gesetzlicher Grundlage sei dieses Stufenverhältnis auch ausreichend zum Ausdruck gebracht worden.

Dem konnte der BFH indes nicht folgen. Er verwies u.a. darauf, dass das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für die Vornahme abgestufter (mehrstufiger) Steuerverwaltungsverfahren eine gesetzgeberische Verfahrens¬entscheidung verlange. Die unverzichtbare Rechtsgrundlage könne nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare sinnvolle Überlegungen ersetzt werden.

Vor diesem Hintergrund hat der BFH erhebliche Zweifel geäußert, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren abgeleitet werden kann. Zwar könne der Norm entnommen werden, dass das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung einer § 6b EStG-Rücklage immer durch entsprechenden Bilanzansatz im veräußernden Betrieb auszuüben ist, auch wenn die stillen Reserven aus der Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden sollen. Ebenso könne der Norm entnommen werden, dass der reinvestierende Betrieb darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang er bei Ansatz seiner Wirtschaftsgüter stille Reserven aus einer im veräußernden Betrieb gebildeten Reinvestitionsrücklage zum Abzug bringt. Aus dem notwendigen Zusammenspiel bilanzsteuerrechtlicher Entscheidungen verschiedener Betriebsinhaber ergebe sich indes noch keine Grundlage dafür, dass das für den jeweiligen Betrieb zuständige Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzungen für diese Fragen allein und mit Bindungswirkung für das jeweils andere Finanzamt prüft.

Abschließend entscheiden musste der BFH die Frage im Besprechungsfall jedoch nicht. Deshalb könnte der Gesetzgeber erwägen, insoweit für Klarheit zu sorgen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
FAAAI-59215