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Online-Nachricht - Dienstag, 05.04.2022

Verfahrensrecht | Antrag auf Steuerbefreiung eines Sanierungsertrags in Altfällen (FG)

Der Antrag auf Steuerbefreiung eines Sanierungsertrags in Altfällen (Schuldenerlass vor dem ) ist kein rückwirkendes Ereignis (; Revision anhängig; BFH-Az. IV R 2/22).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine gewerblich tätige Kommanditgesellschaft. Im Jahr 2009 hatte eine Gläubigerin auf eine Forderung gegen die Klägerin verzichtet. In dem bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 2009 wurde kein Sanierungsgewinn berücksichtigt; nachrichtlich gab das beklagte Finanzamt (FA) im Gewinnfeststellungsbescheid an, dass ein Sanierungsgewinn in Höhe von 0 € enthalten sei. Auch der Gewerbesteuermessbescheid 2009 berücksichtigte keinen Sanierungsgewinn aus dem Forderungsverzicht. Die Anträge des Kommanditisten der Klägerin auf Stundung sowie Erlass der Einkommensteuer 2009 aufgrund eines Sanierungsgewinns blieben erfolglos.

Nach Ablösung des sog. Sanierungserlasses durch die Einführung gesetzlicher Regelungen über die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen für Zwecke der Einkommensteuer sowie dessen Berücksichtigung beim Gewerbesteuermessbetrag gem. § 3a, § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG und § 7b, § 36c Abs. 2c Satz 3 GewStG jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom (BGBl. I 2018, 2338) stellte die Klägerin am Anträge auf Feststellung bzw. Berücksichtigung eines Sanierungsertrags. Das FA lehnte die Anträge ab, weil die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfristen für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2009, den Gewerbesteuermessbetrag 2009 und die Einkommensteuer 2009 bereits abgelaufen seien.

Die Verpflichtungsklage wurde abgewiesen:

  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erlass eines Feststellungsbescheids und Änderung des Gewerbesteuermessbescheids zur Berücksichtigung eines Sanierungsertrags.

  • Die allgemeine vierjährige Feststellungsfrist für die gesonderte und einheitliche Feststellung eines Sanierungsertrags für das Jahr 2009 ist im Zeitpunkt der Antragstellung am bereits abgelaufen gewesen. Ob eine Pflicht zur Erklärung eines Sanierungsertrags besteht oder sich die Erklärungspflicht nach § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO auch auf den Sanierungsertrag nach § 3a EStG erstreckt, kann dahinstehen. Selbst wenn eine Erklärungspflicht bestanden hätte, aber die Abgabe der allgemeinen Feststellungserklärung im Jahr 2009 nicht auch als eine (negative) Erklärung des Sanierungsertrags nach § 3a EStG gelten würde, ist die Feststellungsfrist - mangels Abgabe einer Feststellungserklärung - spätestens am abgelaufen gewesen.

  • Mit der Antragstellung begann auch keine neue Feststellungsfrist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO. Die Ausübung des Antrags nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG stellt kein rückwirkendes Ereignis dar. Durch § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG wird dem Steuerpflichtigen zwar das Wahlrecht eingeräumt, § 3a EStG über seinen originären zeitlichen Anwendungsbereich (Neufälle mit Schuldenerlass nach dem ) hinaus anzuwenden. Das Wahlrecht stellt aber nicht selbst ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands dar, sondern ist lediglich formelle Voraussetzung der rückwirkenden Anwendung des § 3a EStG auf den (Alt-)Fall. § 52 Abs. 4a EStG ist nicht Teil des gesetzlichen Steuertatbestands des § 3a EStG, sondern regelt als Übergangsvorschrift lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des § 3a EStG. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 3a EStG auch für Sanierungserträge in Altfällen durch § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG hat zu einer Gleichbehandlung mit den Neufällen, aber nicht zu einer Besserstellung der Altfälle führen sollen.

  • Der Ablauf der Feststellungsfrist für einen Sanierungsertrag ist auch nicht im Hinblick auf die von der Feststellung abhängige Einkommensteuer 2009 des Kommanditisten unbeachtlich. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2009 des Kommanditisten ist im Zeitpunkt der Antragstellung am offensichtlich bereits abgelaufen gewesen. Dessen Billigkeitsanträge und gegen deren Ablehnung erhobene Rechtsbehelfe können den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen.

  • Die Klägerin als auch ihr Gesellschafter haben zwar über mehrere Jahre sowohl im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung als auch auf Ebene der Einkommensteuerfestsetzung bzw. -erhebung versucht, eine steuerliche Begünstigung des (vermeintlichen) Sanierungsertrags zu erreichen, und sind insoweit (auch in formaler Hinsicht) an der wohl undurchsichtigen (Verwaltungs-)Rechtslage gescheitert. Die nicht eindeutige Rechtslage hat aber auf der Verwaltungspraxis beruht, die nach der Rechtsprechung des BFH ohnehin wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung rechtswidrig gewesen ist und daher keinen Billigkeitserlass hätte rechtfertigen können. Aus dem sog. Sanierungserlass und den vorangegangenen Billigkeitsverfahren der Klägerin und des Gesellschafters folgt somit auch keine schutzwürdige verfahrensrechtliche Stellung im vorliegenden, nunmehr auf gesetzlicher Grundlage stehenden Verfahren.

  • Ein etwaiger Sanierungsertrag ist gem. § 7b Abs. 1 GewStG i. V. mit § 3a EStG unmittelbar bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung findet nicht statt. Bei der Festsetzung von Steuermessbeträgen sind die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß anzuwenden (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO). Zur Änderung des gegen die Klägerin bereits erlassenen Gewerbesteuermessbescheids 2009 bedarf es daher einer Befugnis durch eine Änderungsvorschrift. Daran fehlt es. Abgesehen davon steht auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung einer Änderung des Gewerbesteuermessbescheids 2009 entgegen.

Hinweis

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BFH unter dem Az. IV R 2/22 anhängig.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2022 (JT)

Fundstelle(n):
BAAAI-58989