BVerwG Urteil v. - 2 WD 2/21

Sexueller Übergriff während eines Partyurlaubs im Ausland; disziplinarische Vorbelastung; Nachbewährung

Gesetze: § 1 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 8 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 8 Abs 2 S 3 WDO 2002, § 38 Abs 1 WDO 2002, § 58 Abs 2 Nr 3 WDO 2002, § 58 Abs 7 WDO 2002, § 62 Abs 1 WDO 2002, § 84 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 84 Abs 1 S 2 WDO 2002, § 1 Abs 3 S 2 SG, § 1 Abs 3 S 3 SG, § 7 SG, § 10 Abs 3 SG, § 12 S 1 SG, § 17 Abs 2 S 3 SG, § 23 SG, § 48 S 1 Nr 2 SG, § 177 Abs 2 Nr 1 StGB, § 177 Abs 6 S 2 Nr 1 StGB, § 2 Abs 1 Nr 1 SoldGG, § 7 Abs 2 SoldGG, § 4 Abs 1 S 1 Nr 2 SVorgesV, § 4 S 2 SVorgesV, § 4 Abs 3 SVorgesV

Tatbestand

1Das disziplinargerichtliche Verfahren betrifft den Vorwurf des sexuellen Übergriffs.

21. Der ... geborene Soldat verfügt über den Hauptschulabschluss und hat die Berufsfachschule in der Fachrichtung Technik Schwerpunkt Metalltechnik besucht. Nach einer erfolgreichen Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Juli 2010 zum Unteroffizier ernannt. Seine Dienstzeit endet regulär mit Ablauf des . Zuletzt wurde er 2015 zum Oberfeldwebel ernannt. Die Urkunde über die Ernennung zum Hauptfeldwebel wurde dem Soldaten wegen des laufenden disziplinargerichtlichen Verfahrens aufgrund der Zustimmungsentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom nicht ausgehändigt.

3Den Feldwebelanwärterlehrgang Teil AMT schloss er mit "gut" ab, den Feldwebellehrgang Teil AMT mit "3"; den Feldwebellehrgang Teil MFT absolvierte er mit "2,250". Seit Januar 2016 ist er Angehöriger der ... und wird dort als Schirrmeister eingesetzt. Den Kurs zum Schirrmeister bestand er mit der Note "1".

4Der Soldat wurde zuletzt planmäßig am im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "6,00" beurteilt. Er sei ein höchst motivierter, pflicht- und verantwortungsbewusster Unteroffizier, der sich uneingeschränkt mit dem Beruf des Soldaten identifiziere. Mit seinem offenen, optimistischen, hilfsbereiten Wesen und seiner Freundlichkeit wirke er auf das Gemeinschaftsgefüge fördernd ein. Leistungsprofil und Persönlichkeitsbild ließen ein Entwicklungspotential bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen seiner Laufbahn erkennen. Der nächsthöhere Vorgesetzte hat sich dem angeschlossen.

5Die Sonderbeurteilung vom beurteilt den Soldaten mit "7,10". Dieser sei ein eifriger, engagierter und äußerst zuverlässiger Unteroffizier, der als Schirrmeister durch gutes Fachwissen, hervorragendes Engagement und absolut zuverlässige Arbeit überzeuge. Seine Ziele verfolge er engagiert mit Fleiß und guter Einsatzbereitschaft. Besonnen und souverän führe er die ihm unterstellten Soldaten. Er halte sich körperlich fit und beweise vorbildlich Verlässlichkeit und Leistungswillen. Persönliche Belange stelle er jederzeit hinter dienstliche Anforderungen zurück. Auch in Belastungssituationen treffe er ausgewogene Entscheidungen. Er sei seinen Untergebenen stets Vorbild, führe von Vorne und verstehe, zu motivieren. Durch seine fachliche Kompetenz, seine charakterliche Reife und seine beispielhaften Führungsqualitäten habe er sich den uneingeschränkten Respekt aller Dienstgradgruppen erneut erworben. Der nächsthöhere Vorgesetzte hat sich dem angeschlossen. Der Soldat verliere nie das Wesentliche aus den Augen und erziele auch in stressigen Situationen tadellose Arbeitsergebnisse.

6Erstinstanzlich hat der Leumundszeuge Hauptmann ... den ihm seit 2018 bekannten Soldaten als ausgezeichneten Schirrmeister beschrieben, den er zum Berufssoldaten fördern wolle. Der Soldat habe seine Leistungen gesteigert; er würde ihn in seiner Vergleichsgruppe dem mittleren Feld zuordnen. In der Berufungshauptverhandlung hat er seine Aussage bestätigt und ergänzend ausgeführt, der Soldat habe sich erneut gesteigert. Er würde ihn aktuell mit "7,3" bzw. "7,4" beurteilen. Probleme mit den Kameradinnen in seiner Einheit habe er nie gehabt. Dies betreffe auch die zwei Kameradinnen, die an dem seinerzeitigen Partyurlaub teilgenommen hätten.

7Der Soldat verfügt über Ehrenzeichen und zwei förmliche Anerkennungen aus den Jahren 2010 und 2013 wegen vorbildlicher Pflichterfüllung.

8Der aktuelle Disziplinarbuchauszug des Soldaten weist ein fünfzehnmonatiges Beförderungsverbot aus dem Jahr 2013 aus, das gegen ihn wegen Verkehrsunfallflucht ausgesprochen wurde. Er enthält auch die sachgleiche strafgerichtliche Verurteilung des Soldaten zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten durch das Landgericht ... vom wegen sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Das Urteil des Landgerichts erging auf eine maßnahmebeschränkte Berufung des Soldaten gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom . Dem Urteil des Landgerichts lag ein Sachverständigengutachten zugrunde, aufgrund dessen eine alkoholbedingt erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit angenommen wurde. Der Soldat hat aufgrund des Strafurteils an die Geschädigte 4 000 € Schmerzensgeld gezahlt; auf der Grundlage einer zivilgerichtlichen Entscheidung zahlte er ihr weitere 700 €.

9Der aktuelle Zentralregisterauszug weist die zu diesem gerichtlichen Disziplinarverfahren sachgleiche strafgerichtliche Verurteilung aus.

10Der Soldat ist ledig und kinderlos. Er erhält Dienstbezüge von etwa 2 425 € netto. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind nach seinen Angaben geordnet.

112. Auf der Grundlage des unter dem eingeleiteten disziplinargerichtlichen Verfahrens hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten durch Anschuldigungsschrift vom als Dienstvergehen zur Last gelegt:

"Der Soldat hat am gegen 6:00 Uhr in Palma de Mallorca in einem Hotelzimmer im Hotel ... zwei Finger etwa vier Zentimeter tief in die Scheide der zu diesem Zeitpunkt schlafenden Kameradin Oberstabsgefreiter A. (...) gegen deren Willen und unter Ausnutzung ihrer Widerstandsunfähigkeit eingeführt."

123. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten mit Urteil vom aus dem Dienstverhältnis entfernt.

13a) In tatsächlicher Hinsicht stehe auf der Grundlage der Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts, von denen sich zu lösen kein Anlass bestehe, fest:

"Im Zeitraum vom bis zum befand sich die Bundeswehrsoldatin A. mit einer Gruppe von weiteren Personen, teilweise ebenfalls Soldatinnen und Soldaten, zu einem Partyurlaub auf Mallorca. Hier teilte sie aus Kostengründen ein Doppelzimmer in dem Hotel ... mit dem Angeklagten. Eine Beziehung, insbesondere eine sexuelle Beziehung, bestand zwischen dem Angeklagten und der Zeugin A. nicht. Die beiden waren auch übereingekommen, dass es zwischen ihnen auf dem Mallorcaurlaub zu keinen sexuellen Handlungen kommen sollte. Am frühen Morgen des Sonntags, , hatte der Angeklagte, der ganz erheblich dem Alkohol zugesprochen hatte und infolgedessen betrunken war, sich als erster in das Hotel und in das Doppelzimmer begeben und bereits ins Bett gelegt. Die Zeugin A. folgte etwas später, legte sich ebenfalls ins Bett und schlief ein. Nachdem die Zeugin eingeschlafen war, startete der Angeklagte einen Annäherungsversuch. Er legte sich direkt neben die Zeugin, die auf der Seite schlief, den Rücken dem Angeklagten zugewandt. Der Angeklagte legte den Arm um die Zeugin und streichelte ihren Bauch. Es erfolgte seitens der Zeugin keinerlei Reaktion, sodass dem Angeklagten bewusst wurde, dass die Zeugin noch schlief. Er setzte daraufhin seinen Annäherungsversuch fort, indem er seine Hand in die Hose und in den Slip der Zeugin führte. Anschließend drang er mit zwei Fingern in die Scheide der Zeugin ca. 4 cm tief ein. Daraufhin erwachte die Zeugin A. und der Angeklagte zog seine Hand wieder zurück. Die Zeugin stand auf und realisierte erst einige Minuten später, was der Angeklagte ihr angetan hatte. Zwar hat der Angeklagte sich einige Tage später noch während des Mallorcaurlaubs bei der Zeugin entschuldigt. Dennoch belastete die Zeugin das Geschehen so sehr, dass sie schließlich gemeinsam mit ihrer Schwester zur Polizei ging und am Strafanzeige erstattete. Außerdem begab sie sich in truppenärztliche Behandlung und wurde überwiesen an das Bundeswehrkrankenhaus ..., wo sie von der Sachverständigen Zeugin Oberfeldarzt R. behandelt wurde. Es wurde bei ihr ein Verdacht auf psychische Belastungsreaktion diagnostiziert. Die letzte Behandlung fand statt am . Allerdings konnte die Zeugin A. trotz Behandlungsfortschritten das Geschehene dennoch nicht dauerhaft verarbeiten und stellte sich am erneut vor. Es wurden Depressionen diagnostiziert und die Angeklagte nahm kurzzeitig auch Antidepressiva. Die Angeklagte ist auch knapp ein Jahr nach dem Geschehen nicht mehr vollwertig bei der Bundeswehr einsetzbar. Insbesondere bei gemeinsamen Übungen mit Männern, welche mit Übernachtungen verbunden sind, hat sie große psychische Probleme. Sie wurde deswegen auch heimatnah versetzt und ist Heimschläferin. Nach Einschätzung der Ärztin R. werden die Beschwerden noch etwa ein halbes bis ein Jahr andauern."

14b) Der Soldat habe dadurch vorsätzlich seine Dienstpflichten verletzt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, die Würde, die Ehre und Rechte der Kameradin zu achten sowie sich so zu verhalten, dass er auch außerhalb des Dienstes die Achtung und das Vertrauen, die sein Dienst als Soldat erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtige; dabei hafte er als Vorgesetzter verschärft. Die Tatsache, dass es sich um einen Partyurlaub gehandelt habe, vermöge sein Verhalten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Es habe sich zwar um eine außerdienstliche Reise gehandelt; gleichwohl sei die Geschädigte eine Kameradin. Die alkoholbedingte Enthemmung bilde keinen Milderungsgrund, weil der Soldat für den Alkoholkonsum verantwortlich sei.

15Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer und habe erhebliche Auswirkungen gezeitigt. Die Kameradin sei in ihrer körperlichen Integrität und Intimsphäre in gravierender Art und Weise unter Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht verletzt worden. Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten erhöhe die Schwere des Dienstvergehens. Hinzu komme, dass die Geschädigte infolge des Übergriffs erhebliche psychische Probleme gehabt habe und Kameraden von dem Vorfall erfahren hätten. Mildernd wirke zwar, dass der Soldat sein Fehlverhalten eingeräumt und sich entschuldigt habe und eine Nachbewährung vorliege; er sei jedoch disziplinarisch vorbelastet.

16Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde bei einer außerdienstlichen sexuellen Belästigung in Gestalt eines strafbaren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zwar eine Dienstgradherabsetzung. Es sei jedoch eine Abweichung davon erforderlich, weil der Soldat zum einen schweres kriminelles Unrecht begangen habe. Zum anderen habe er das der Geschädigten gegebene Versprechen gebrochen, keinen sexuellen Kontakt zu ihr zu suchen, und damit deren Vertrauen missbraucht. Trotz der Nachbewährung sei die persönliche Integrität des Soldaten derart beschädigt, dass dem Dienstherrn eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar sei.

174. Mit seiner unbeschränkten Berufung, zu der ihm mit Beschluss vom (2 WDB 15.20) Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt worden ist, trägt der Soldat im Wesentlichen vor, die Disziplinarmaßnahme sei in ihrer existenzvernichtenden Auswirkung nicht ausreichend gewürdigt worden. Für ihn sprächen die Stellungnahmen des Leumundszeugen, der Umstand, dass die Tat bereits Jahre zurückliege, er sich bei der Geschädigten entschuldigt und erheblichen Schadensersatz geleistet habe. Die Tat sei zudem während eines privaten Urlaubs als persönlichkeitsfremde, alkoholbedingte Augenblickstat erfolgt.

185. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Person des Soldaten wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts, hinsichtlich der Zeugenaussagen und der in das Verfahren eingeführten Urkunden auf das erstinstanzliche sowie auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung hingewiesen.

Gründe

19Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang begründet. Dem Soldaten ist zwar der Dienstgrad eines Feldwebels zu belassen, er ist jedoch aus dem Dienstverhältnis zu entfernen.

20Da die Berufung unbeschränkt eingelegt ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

211. An der Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen bestehen keine Zweifel. Das Truppendienstgericht hat sich zu Recht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO an die Tatsachenfeststellungen im Urteil des Amtsgerichts gebunden gesehen. Anlass, sich von ihnen gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO zu lösen (vgl. 2 WD 11.21 - Rn. 27 m.w.N.), bestand nicht. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, bei dem nach § 121 Abs. 2 WDO eine Zurückweisung in Betracht käme.

222. Der Soldat hat wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen. Dies erfolgte auch schuldhaft. Dass seine Alkoholisierung zu seiner Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB (analog) geführt hätte, hat er weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich, da bei ihm im Strafverfahren auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens lediglich eine - wenn auch erheblich - eingeschränkte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) festgestellt wurde.

23a) Er hat gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verstoßen. Sie beansprucht auch Geltung, obwohl die Pflichtverletzung im Ausland begangen wurde, weil sich der räumliche Anwendungsbereich der Wehrdisziplinarordnung nicht auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt. Sie gilt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 WDO für Soldaten, ohne dass im Weiteren Anforderungen an den Ort der Handlungen gestellt würden (Dau/Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022, § 1 Rn. 2, sowie Eichen, NZWehrr 2012, 148 ff.; a.A. Dreist, NZWehrr 2012, 1 ff.).

24Ein außerdienstliches Verhalten liegt vor. Zwar war eine Kameradin von dem Verhalten des Soldaten betroffen; allerdings ereignete es sich weder während des Dienstes noch innerhalb dienstlicher Anlagen und es wies auch keinen funktionellen Bezug zum Dienst auf ( 2 WD 3.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 72 Rn. 23 und vom - 2 WD 13.16 - juris Rn. 92). Mangels eines funktionellen dienstlichen Zusammenhangs im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SoldGG ist auch der Anwendungsbereich des Verbots der sexuellen Belästigung durch § 7 Abs. 2 SoldGG nicht eröffnet ( 2 WD 3.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 72 Rn. 23).

25Das außerdienstliche Verhalten war geeignet, das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die die dienstliche Stellung des Soldaten erfordert, nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG in ernsthafter Weise zu beeinträchtigen. Eine ernsthafte Beeinträchtigung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine Straftat begangen wird, die zumindest mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich sanktioniert werden kann ( 2 WD 10.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 77 Rn. 19); ansonsten bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens zusätzlicher Umstände ( 2 WD 2.19 - Buchholz 450.2 § 18 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 21). Vorliegend folgt die disziplinare Relevanz des Verhaltens aus dem Strafrahmen, der dafür maßgeblich wäre und vom Landgericht auch als maßgeblich angesehen worden ist. Der Senat, der insoweit durch § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO nicht an die rechtliche Würdigung des Landgerichts gebunden ist ( 2 WD 29.20 - Rn. 22), teilt dessen Auffassung, dass der Soldat den Straftatbestand nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat, womit gemäß § 177 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen bis zu 5 Jahren eröffnet ist.

26b) Der Soldat hat ferner gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG verstoßen. Sie verlangt, dass der Soldat die Rechte des Kameraden, vorliegend das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) der (seinerzeitigen) Oberstabsgefreiten A., zu achten hat ( 2 WD 23.20 - Rn. 25 und 28).

27c) An einem Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nach § 10 Abs. 3 SG fehlt es. Zwar gehört die Fürsorgepflicht zu den vornehmlichsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen und verlangt von ihm insbesondere, die körperliche und namentlich sexuelle Integrität sowie die Rechte und Würde des Untergebenen strikt zu achten. Diese Verpflichtung hat im militärischen Bereich besondere Bedeutung, denn Untergebene sind dort besonders schutzbedürftig ( 2 WD 11.12 - Rn. 30). Der Soldat hatte zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung jedoch keine Vorgesetztenstellung inne, an die § 10 Abs. 3 SG durch die Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 SG anknüpft. Es bestand zum Tatzeitpunkt kein "Verhältnis der besonderen militärischen Unterordnung" ( 2 C 5.72 - BVerwGE 44, 52 <55>), woraus sich eine besondere Schutzbedürftigkeit und eine besondere Fürsorgepflicht ableitete ( 2 WD 18.15 - juris Rn. 67).

28Allein der Umstand, dass der Soldat einen höheren Dienstgrad innehatte als die Geschädigte, führt nicht dazu, weil sich der Übergriff nicht innerhalb militärischer Anlagen ereignet hat. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 SG besteht außerhalb des Dienstes keine Befehlsbefugnis allein auf Grund des Dienstgrades. Dem entspricht die auf § 1 Abs. 3 Satz 2 SG gestützte Vorgesetztenverordnung, die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VorgV die Befehlsbefugnis von Unteroffizieren (vom Feldwebel an aufwärts) gegenüber Dienstgradniedrigeren nur in den Kompanien und den entsprechenden Einheiten sowie innerhalb der Besatzung eines Schiffes einräumt. Auch Regelungen wie § 4 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 3 VorgV unterstreichen, dass Unteroffizieren eine Befehlsbefugnis gegenüber Soldaten außer Dienst nur innerhalb geschlossener militärischer Anlagen zusteht (vgl. BDH, Beschluss vom - WB 6.58 - NZWehrr 1959, 109 ff.; 2 WD 57.86 - BVerwGE 83, 295 und vom - 2 WD 24.94 -, BVerwGE 103, 148 ff.; zu Offizieren: 2 WDB 11.86 - BVerwGE 83, 285 ff.). Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht bereits deshalb ausgeschieden wäre, weil der Soldat der Geschädigten gegenüber gleichberechtigt aufgetreten ist ( 2 WD 33.86 - BVerwGE 83, 291 <293 f.> und vom - 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148 <155>; ablehnend: Eichen/Mezger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 10 Rn. 37; Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, SG, 10. Aufl. 2018, § 10 Rn. 16).

29d) An einem Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG fehlt es ebenfalls, weil § 17 Abs. 2 Satz 3 SG eine abschließende Regelung für Verfehlungen strafrechtlichen Gehalts außerhalb des Dienstes bildet ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 50 m.w.N.).

303. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus.

31a) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" zu bestimmen.

32aa) Auch bei strafbaren sexuellen Übergriffen im außerdienstlichen Raum mit strafrechtlicher Relevanz bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 62 Abs. 1 WDO). Dies hat der Senat jüngst für Handlungen bestätigt, die den Straftatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB verwirklichten ( 2 WD 29.20 - Rn. 25 ff.). Davon verschärfend abzuweichen besteht kein Anlass, weil der Soldat den Straftatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Denn dessen Mindeststrafrahmen liegt mit 6 Monaten unter einem Jahr und damit unter dem des einen höheren Unrechtsgehalt ahndenden § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB. Diese strafrechtliche Wertung ist auch für die disziplinarrechtliche Würdigung leitend. Die Orientierung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung. Sie verhindert, dass die Wehrdienstgerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen ( 2 WD 4.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 73 Rn. 16 m.w.N.). Dem entspricht, dass der Senat als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung auch bei einem sich auf den Intimbereich beziehenden Übergriff auf eine schlafende Soldatin während eines Auslandseinsatzes bestimmt hat ( 2 WD 15.17 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 56 Rn. 48).

33bb) Ob sich der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zur Höchstmaßnahme verschiebt, wenn ein besonders schwerer Fall in Form einer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) vorliegt, kann dahingestellt bleiben ( 2 WD 29.20 - Rn. 27). Zwar stellte das etwa 4 cm tiefe Einführen von zwei Fingern in die Scheide der Geschädigten ein Eindringen in deren Körper dar. Dabei können auch Penetrationen mit dem Finger, die eindeutig sexuell konnotiert sind, beischlafähnliche sexuelle Handlungen mit besonderer Erniedrigungswirkung sein. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies für eine mit dem Finger vorgenommene Penetration der Scheide anerkannt (vgl. - juris Rn. 7 m.w.N.); jedoch bildete das Verhalten des Soldaten angesichts der atypischen Gesamtumstände keinen besonders schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB wie der Gesetzgeber regelmäßig vermutet. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung der Strafgerichte an, das den Regelfall des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB verneint hat.

34Die Entscheidung über das Absehen von der Regelwirkung ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind. Dabei ist es gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen; insbesondere eine Bewertung nur des engeren Tatgeschehens ist nicht ausreichend ( - NStZ-RR 2009, 308 Rn. 4; Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 177 Rn. 141 f.). Hier sprechen nicht nur die vom Landgericht festgestellten Umstände wie das Geständnis, die zeitnahe Entschuldigung, keine Vorstrafen, das nur kurze Eindringen ohne körperliche Verletzungsfolgen, die Situation "Partyurlaub" mit geplantem täglichen Alkoholkonsum und Übernachtung in einem gemeinsamen Zimmer, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB und die Zahlung von Schmerzensgeld gegen einen besonders schweren Fall, sondern auch das Nachtatverhalten des Soldaten. Dieser hat sich am Tag der Pflichtverletzung von den anderen Gruppenmitgliedern zurückgezogen, um sich mit dem unter Alkoholeinfluss begangenen Fehlverhalten auseinanderzusetzen, und sich - wenn auch erst nach Rücksprache mit dem Zeugen ... - bei der Geschädigten noch während des Urlaubs entschuldigt.

35b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Dabei müssen mildernde Umstände umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 Rn. 53). Nach Maßgabe dessen ist das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn bei objektiver Betrachtung zerstört, sodass die Entfernung aus dem Dienstverhältnis auszusprechen war.

36aa) Der Soldat hat nicht nur gegen die Wohlverhaltenspflicht, sondern zugleich gegen die Kameradschaftspflicht verstoßen. Eigenart und Schwere des Dienstvergehens erlangen dadurch zusätzlich erhebliches Gewicht. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der das Recht einer Kameradin auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (vgl. 2 WD 23.12 - juris Rn. 60 und vom - 2 WD 14.16 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 53 Rn. 20). Dies gilt umso mehr, als der Soldat sowohl der geschädigten Kameradin als auch gegenüber dem Kameraden ... zugesagt hatte, dass es mit der Kameradin zu keinen sexuellen Kontakten kommen werde. Zutreffend hat das Truppendienstgericht in dem Bruch dieses Versprechens einen erheblich erschwerenden Umstand gesehen (auch wenn dem Ehrenwort eines Soldaten nicht mehr dieselbe Bedeutung zukommt wie in früheren Zeiten vgl. 1 WD 13.67 - BVerwGE 33, 90 <91>).

37Verschärfend tritt hinzu, dass der Soldat als Oberfeldwebel gemäß § 10 Abs. 1 SG zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet war. Diese Verpflichtung relativierte sich auch nicht dadurch, dass die Pflichtverletzung außerhalb des Dienstes und dienstlicher Anlagen begangen wurde. Denn nach der Senatsrechtsprechung ist dafür nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. 2 WD 7.20 - NVwZ-RR 2021, 770 Rn. 40 m.w.N.).

38Das Dienstvergehen zeitigte zudem massive negative Folgen. Es belastete die geschädigte Kameradin derart, dass sie sich - ausweislich der amtsgerichtlichen Protokollierung der Aussage der Truppenpsychologin R. - in psychotherapeutische Behandlung begeben musste und auch knapp ein Jahr nach dem Geschehen dienstlich noch nicht mehr vollwertig einsetzbar war. Dadurch verursachte er zugleich beim Dienstherrn Schäden. Das Dienstvergehen wurde zudem auch in der Einheit bekannt und die sexuellen Beweggründe des Soldaten waren eigennützig.

39Hinzu tritt die Vorbelastung des Soldaten durch das 2013 gegen ihn verhängte fünfzehnmonatige Beförderungsverbot, das im Disziplinarbuchauszug noch zu Recht ausgewiesen und damit beachtlich ist, weil die siebenjährige Tilgungsfrist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 WDO) durch die 2018 sachgleiche strafgerichtliche Verurteilung gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 WDO von Neuem zu laufen begann. Auch wenn keine einschlägige disziplinare Vorbelastung vorliegt und keine Gesetzmäßigkeit des Inhalts besteht, dass eine disziplinarische Vorbelastung bei einem erneuten Dienstvergehen zwingend zu einer schwereren als der zuvor verhängten Disziplinarmaßnahmeart führt ( 2 WD 15.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 33 Rn. 60 und vom - 2 WD 9.17 - juris Rn. 38), wirkt sich hier erschwerend aus, dass der Soldat bereits einmal wegen einer vorsätzlichen Straftat disziplinarisch belangt worden ist und dass er sich weder das gerichtliche Disziplinarverfahren noch das Beförderungsverbot als Warnung dienen ließ.

40bb) Dem stehen keine Milderungsgründe von solcher Art und solchem Gewicht gegenüber, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.

41Für den Soldaten sprechen seine Unrechtseinsicht und seine Reue sowie der Umstand, dass er sich - wenn auch erst nach Rücksprache mit dem Kameraden ... - bei der Geschädigten entschuldigt hat. Dass er Schadensersatz nicht freiwillig geleistet hat, sondern dazu erst verurteilt werden musste, spricht indes nicht für ihn (vgl. zum Täter-Opfer-Ausgleich: 2 WD 29.20 - Rn. 34). Bereits das Amtsgericht hat dazu angemerkt, es hätte dem Soldaten gut angestanden, bereits lange vor Anklageerhebung und Terminbestimmung der Geschädigten ein Schmerzensgeldangebot zu unterbreiten, um so erkennbar Reue und seinen guten Willen zu zeigen.

42Des Weiteren steht zwar zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der Beurteilungen sowie der Aussagen des Leumundszeugen fest, dass die Tat persönlichkeitsfremd ( 2 WD 31.18 - Buchholz 449 § 23 SG Nr. 4 Rn. 38) war. Jedoch liegt keine Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten vor ( 2 WD 23.20 - juris Rn. 36). Zum einen ist der Soldat angesichts der disziplinarischen Vorbelastung nicht als (ansonsten) tadelfrei anzusehen; zum anderen ist eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat nur gegeben, wenn der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand begangen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit gehört ( 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48). Gegen Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit spricht der Umstand, dass der Soldat sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts zunächst direkt neben die Zeugin und dann den Arm um sie legte, sie anschließend am Bauch streichelte und, erst nachdem sie keinerlei Reaktion zeigte, seine Hand in ihren Slip und die Finger dann in deren Scheide einführte. Damit liegt ein mehraktiges Geschehen vor.

43Die Pflichtwidrigkeit des Handelns wird auch nicht dadurch relativiert, dass der Soldat sich nach den Feststellungen des Landgerichts im Zustand einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit befunden hat. Zwar wäre die enthemmende Wirkung einer Alkoholisierung auch bereits im Vorstadium des § 21 StGB schuldmildernd zu berücksichtigen ( 2 WD 25.11 - juris Rn. 74), wenn der Soldat wegen einer Alkoholerkrankung schuldlos Alkohol konsumiert und wegen dieses Zustandes das Dienstvergehen begangen hätte ( 2 WD 21.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 65 Rn. 35). Da Hinweise auf eine Alkoholerkrankung jedoch nicht vorliegen, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Soldat, der sich schuldhaft - also fahrlässig oder vorsätzlich - alkoholisiert und sich damit in einen zum Dienstvergehen führenden Zustand versetzt, dafür verantwortlich bleibt ( 2 WD 29.20 - Rn. 33 m.w.N.).

44Der zeitliche Abstand zur Tat gebietet ebenfalls keine Milderung, weil sie strafrechtlich sanktioniert worden ist (vgl. 2 WD 4.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 73 Rn. 23).

45Eine die disziplinare Maßnahmebemessung limitierende Indizwirkung kommt auch nicht dem Umstand zu, dass das Landgericht gegen den Soldaten - ausdrücklich auch im Hinblick auf die dienstrechtlichen Folgewirkungen - eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr verhängt hat, sodass dessen Dienstverhältnis nicht bereits dadurch beendet wurde (§ 48 Satz 1 Nr. 2 SG). Steht im Einzelfall § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstige Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung ( 2 WD 11.20 - NVwZ-RR 2021, 807 - Rn. 53).

46Die sonstigen für den Soldaten sprechenden Gründe wie Nachbewährung und überlange Verfahrensdauer sind zwar nicht geeignet, von der Höchstmaßnahme abzuweichen ( 2 WD 29.20 - Rn. 39 <zur Verfahrensdauer> und vom - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 37 <zur Nachbewährung>).

47cc) Die Nachbewährung begründet jedoch einen minder schweren Fall im Sinne des § 63 Abs. 4 WDO. Der mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis regelmäßig verbundene Verlust des Dienstgrades ist deshalb auszuschließen und dem Soldaten der Dienstgrad eines Feldwebels zu belassen.

48Ein minder schwerer Fall im Sinne von § 63 Abs. 4 WDO kann auch dann vorliegen, wenn gewichtige mildernde Umstände nicht nur in der Tat (vgl. 2 WD 11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 42), sondern auch in der Person eines Soldaten vorliegen, die es nicht erlauben, von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen. Auch aus solchen Umständen kann sich ergeben, dass ein aus dem Dienstverhältnis zu entfernender Soldat nicht als charakterlich unzuverlässig zu bewerten ist (vgl. BDH, Urteil vom - WD 68.62 - NZWehrr 1964, 74 <75>).

49Zu diesen Umständen gehört, dass der Soldat nicht nur vor dem Dienstvergehen gute Leistungen erbracht, sondern sich durch seine deutliche Leistungssteigerung von "6,00" (2016) auf "7,10" (2021) und schließlich "7,3" bzw. "7,4" (2022) auch überzeugend nachbewährt hat ( 2 WD 21.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 65 Rn. 36) und ihm eine bereits konkret anstehende Beförderung ( 2 WD 23.20 - Rn. 35) entgangen ist. Durch die Nachbewährung kommt - mehr noch als durch die Einlassungen des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung - Reue und Unrechtseinsicht sowie vor allem dessen ungebrochener Leistungswille zum Ausdruck, durch den er sich das Vertrauen jedenfalls seines gegenwärtigen Disziplinarvorgesetzten erarbeitet hat. Die trotz der Belastung durch das gerichtliche Disziplinarverfahren erbrachte Leistungssteigerung ist durch die grundsätzliche Belassung eines Dienstgrades unter Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels zu honorieren ( 2 WD 18.18 - Buchholz 450.2 § 63 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 43 f.).

504. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO. Dass dem Soldaten sein Dienstgrad belassen wurde, lässt die Kostentragung durch ihn nicht unbillig werden (§ 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WDO); entsprechendes gilt, soweit der Soldat nach § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO seine notwendigen Auslagen zu tragen hat (vgl. 2 WD 18.18 - Buchholz 450.2 § 63 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 45 m.w.N.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:200122U2WD2.21.0

Fundstelle(n):
KAAAI-58973