Einkommensteuer | Verhältnis von Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz zur Grenzgängerregelung nach Art. 15a DBA-Schweiz (FG)
Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz ist lex specialis zu Art. 15a DBA-Schweiz bei der Besteuerung von Einkünften eines Piloten aus unselbständiger Arbeit mit Wohnsitz in der Schweiz und Arbeit in Deutschland (; Revision anhängig, BFH-Az. I R 22/21).
Sachverhalt: Der Kläger war im Streitjahr 2017 bei seinem inländischen Arbeitgeber als Pilot tätig; arbeitsvertraglich war ihm der Arbeitsort A (im Inland) zugewiesen. Im Streitjahr war er ausschließlich auf Intercontinental- bzw. Langstrecken eingesetzt. Seinen Wohnsitz hatte er in der Schweiz, hierhin kehrte er nach seinen Arbeitseinsetzen zurück. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger die Rückerstattung vom Arbeitgeber abgeführter Lohnsteuer unter Berufung auf die Grenzgängerregelung nach Art. 15a DBA-Schweiz.
Der 6. Senat des FG Hamburg wies die Klage ab:
Der Kläger ist mit seinen inländischen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig.
Aus dem DBA-Schweiz ergibt sich nichts Anderes: Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz weist das Besteuerungsrecht für Vergütungen, die für unselbständige Arbeit, die an Bord von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr ausgeübt werde, dem Vertragsstaat zu, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung - im Streitfall in A - befindet.
Die Grenzgängerregelung nach Art. 15a DBA-Schweiz steht dem nicht entgegen, sie ist insbesondere nicht lex speciales gegenüber Art. 15 DBA-Schweiz.
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die historische Auslegung. Denn Art. 15a DBA-Schweiz befand sich ursprünglich als vierter Absatz in Art. 15 DBA-Schweiz. Das Protokoll vom (BT-Drs. 12/5195, Bl. 7) brachte eine Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung in Art. 15a DBA-Schweiz. Es wurden redaktionelle Folgeänderungen in Art. 15 DBA-Schweiz vorgenommen. Dabei wurde gerade nicht in Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Vorbehalt zugunsten von Art. 15a DBA-Schweiz aufgenommen, sondern nur die bestehenden Vorbehalte in den übrigen Sätzen redaktionell angepasst.
Zudem heißt es in dem Protokoll zur Änderung des DBA-Schweiz vom (BT-Drucks. 17/6257, S. 9ff.), dass die Bundesrepublik ihr Besteuerungsrecht bis 2016 für bestimmte Mitglieder des Bordpersonals nicht wahrnimmt. Eine solche Regelung wäre nicht notwendig gewesen, wenn das Bordpersonal unter die Grenzgängerregelung fallen würde bzw. dann wären entsprechende Abgrenzungsregelungen für Bordpersonal, das unter die Grenzgängerregelung fallen würde, notwendig gewesen. Dadurch, dass solche Regelungen nicht getroffen worden sind, ergibt sich im Umkehrschluss, dass Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz lex specialis zu Art. 15a DBA-Schweiz sein sollte und nicht umgekehrt.
Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Norm für eine Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz als lex specialis. Die Regelung in Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz ist nämlich so auf die spezifischen Besonderheiten des Luftpersonals zugeschnitten, dass es den besonderen Regelungskontext unterlaufen würde, wenn man eine allgemeinere Regelung, die beim Grenzgängerstatus ansetzt, für gewisse Teile des Luftpersonals heranziehen würde.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und ist beim BFH unter dem Az. I R 22/21 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist im Rechtsprechungsportal der Hansestadt Hamburg abrufbar.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 1/2022 sowie (il)
Fundstelle(n):
NWB OAAAI-58911