BGH Beschluss v. - V ZR 72/21

Wirksamkeit einer durch den Prozessgegner erklärten Aufnahmeerklärung bei insolvenzbedingt unterbrochenem Prozessverfahren

Gesetze: § 86 Abs 1 Nr 1 InsO, § 106 Abs 1 S 1 InsO, § 78 Abs 1 S 3 ZPO, § 240 S 1 ZPO, § 250 ZPO, § 544 ZPO

Instanzenzug: Az: 7 U 113/19vorgehend Az: 22 O 39/17nachgehend Az: V ZR 72/21 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen von der als Eigentümerin eines Grundstücks im Grundbuch eingetragenen Beklagten verlangt, der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks und der Löschung einer zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Vormerkung zuzustimmen; dabei stützt sie sich ihrerseits auf durch Vormerkung gesicherte Ansprüche. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Nachdem die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatte, ist über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom mitgeteilt, die Klägerin nehme den Rechtsstreit auf.

II.

2Die Aufnahme des Rechtsstreits des wegen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens ist mit Zustellung des Schriftsatzes der Klägerin vom an den Insolvenzverwalter (§ 250 ZPO) wirksam erfolgt.

31. Die Aufnahme ist wirksam, obwohl sie durch die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärt worden ist. Zwar müssen Prozesshandlungen wie die Aufnahmeerklärung in Verfahren vor dem Bundesgerichtshof grundsätzlich von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt abgegeben werden (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde für die Aufnahme durch den Beschwerdegegner anerkannt; dieser kann nämlich, ohne Rechtsnachteile zu erleiden, von der Beauftragung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts absehen und die Entscheidung über die Zulassung der Revision abwarten (vgl. , BGHZ 146, 372 ff. zu § 554b ZPO aF; Beschluss vom - X ZR 94/11, NJW-RR 2012, 8 Rn. 4 für die Aufnahme durch einzelne Miterben).

42. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen ein infolge der Insolvenzeröffnung unterbrochener Rechtsstreit aufgenommen werden kann, nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften. Die Berechtigung der Klägerin zur Aufnahme des Rechtsstreits ergibt sich aus § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Nach dieser Bestimmung kann ein zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängiger Rechtsstreit auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn er die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse betrifft. Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn Gegenstand des Rechtsstreits - wie hier - ein durch Vormerkung gesicherter schuldrechtlicher Anspruch ist. Da der Gläubiger eines durch Vormerkung gesicherten Anspruchs Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen kann (§ 106 Abs. 1 Satz 1 InsO), ist der Anspruch insolvenzfest. Inhaltlich handelt es sich um ein Aussonderungsrecht (vgl. , BGHZ 155, 227, 236 f.; Beschluss vom - IX ZB 39/05, NJW-RR 2008, 1274 Rn. 11; Urteil vom - IX ZR 70/20, NJW 2021, 1538 Rn. 34), so dass der Anwendungsbereich von § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO eröffnet ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:250122BVZR72.21.0

Fundstelle(n):
HAAAI-58802