Instanzenzug: Az: S 8 KR 39/20vorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 20 KR 267/20 Urteil
Gründe
I
1Der bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Erstattung der Kosten einer ambulant durchgeführten Fusionsbiopsie mit Magnetresonanztomographie (MRT) der Prostata iHv 1121,05 Euro bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger habe kein Anspruch auf die Fusionsbiopsie mit MRT als Sachleistung zugestanden. Es handele sich um eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht anerkannte und nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossene neue Untersuchungsmethode. Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des G-BA bedürfe, lägen nicht vor. Weder handele es sich um einen sogenannten Seltenheitsfall, noch lägen Hinweise auf ein Systemversagen vor. Die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung nach § 2 Abs 1a SGB V lägen ebenfalls nicht vor. Zwar handele es sich beim Prostatakarzinom um eine - potenziell - tödlich verlaufende Erkrankung. Allerdings stünden für die durchzuführende Diagnostik allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Untersuchungsmethoden zur Verfügung, insbesondere die sonografisch gestützte Prostatastanzbiopsie (Urteil vom ).
2Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
3Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.
41. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
5Der Kläger formuliert als Rechtsfrage,
"welche Maßstäbe konkret an die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der grundrechtsrelevanten Auslegung ganz konkret anzusetzen sind, wenn ein gesetzlich Krankenversicherter, der eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung hat, sich einer Behandlung zu unterziehen hat, die zwar nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten ist, jedoch eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht."
6a) Diese Frage erfüllt schon nicht die Anforderungen an eine klar formulierte Rechtsfrage. Denn die Konkretisierung setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "kann sein" hinausläuft (stRspr; vgl zB - juris RdNr 6 mwN; - juris RdNr 10). Die Frage des Klägers ist so allgemein gehalten, dass ihre Beantwortung eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen würde. Sie könnte offensichtlich nicht losgelöst von näher zu differenzierenden Sachverhaltskonstellationen beantwortet werden. Eine in dieser Weise unkonkrete Frage kann jedoch gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein (vgl hierzu auch - juris RdNr 8).
7b) Überdies fehlt es auch an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der von dem Kläger formulierten Frage.
8Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
9Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts der GKV bzw - jetzt - des § 2 Abs 1a SGB V (vgl ausführlich zB - SozR 4-2500 § 2 Nr 12 RdNr 19 ff; - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 18 ff, jeweils mwN; speziell für die Behandlung eines Prostatakarzinoms vgl - SozR 4-2500 § 27 Nr 8; speziell für Untersuchungsmethoden zur Abklärung lebensbedrohlicher Risiken von Therapieoptionen vgl - SozR 4-2500 § 2 Nr 11 RdNr 25 f).
10Sofern der Kläger rügt, das LSG habe lediglich sehr verallgemeinernd angemerkt, dass eine sonografisch gestützte Stanzbiopsie als anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Untersuchungsmethode zur Verfügung gestanden habe, ohne den konkreten Einzelfall zu berücksichtigen, wendet er sich allein gegen die Richtigkeit der Entscheidung in dem vorliegenden Einzelfall. Dies vermag die Revisionsinstanz jedoch nicht zu eröffnen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl - SozR 1500 § 160a Nr 7; - juris RdNr 21).
112. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
123. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:040122BB1KR2221B0
Fundstelle(n):
TAAAI-58328