Suchen
Online-Nachricht - Donnerstag, 17.03.2022

Einkommensteuer | Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für einzeln veranlagte Ehegatten im Trennungsjahr (BFH)

Steuerpflichtige, die als Ehegatten nach §§ 26, 26a EStG einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden, können den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Trennung zeitanteilig in Anspruch nehmen, sofern sie die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllen, insbesondere nicht in einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen, in § 24b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nicht genannten Person leben (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG können allein stehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt, dass allein stehend i.S. von § 24b Abs. 1 EStG solche Steuerpflichtige sind, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu oder es handelt sich um ein Kind, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt. § 24b Abs. 4 EStG regelt, dass sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel ermäßigt.

Sachverhalt: Streitig ist, ob der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bereits im Trennungsjahr der Ehegatten zu berücksichtigen ist, wenn die Ehegatten einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Vorschrift des § 24b Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 EStG ist dahin auszulegen, dass auch Steuerpflichtige, die als Ehegatten nach §§ 26, 26a EStG einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Trennung zeitanteilig in Anspruch nehmen können, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen, insbesondere nicht in einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen, in § 24b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nicht genannten Person leben.

  • Der Auffassung der Finanzverwaltung (, BStBl I 2017, 1432, Rz 6) und der überwiegenden Literatur, wonach die Gewährung des Entlastungsbetrages in jedem Fall ausgeschlossen ist, wenn Ehegatten der Ehegattenveranlagung unterliegen, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Haushaltsgemeinschaft bilden oder nicht, ist nicht zu folgen.

  • Denn diese Rechtsauffassung lässt unberücksichtigt, dass sich der Entlastungsbetrag für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorliegen, um ein Zwölftel ermäßigt (§ 24b Abs. 4 EStG).

  • Sinn und Zweck des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende sprechen für die Anwendung des Monatsprinzips im Jahr der Trennung der Ehegatten und damit für die zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrages.

  • Auch aus der systematischen Stellung der Normen ergibt sich, dass dem Monatsprinzip aus § 24b Abs. 4 EStG der Vorrang vor der in § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG in Bezug genommenen Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zukommt.

  • Zudem vermeidet die vom Senat als zutreffend angesehene Auslegung des § 24b Abs. 3 und 4 EStG mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse.

Zur Fallvariante für das Jahr der Heirat s. die nahezu inhaltsgleiche Entscheidung des .

Anmerkung von Dr. Jens Reddig, Richter im X. Senat des BFH:

Eine hochumstrittene Rechtsfrage zum § 24b-EStG-Freibetrag für Alleinerziehende scheint nunmehr geklärt: Entgegen der Ansicht der FinVerw. (vgl. BStBl. I 2017, 1432, Rz. 6) und der weit überwiegenden Stimmen im Schrifttum (s. die zahlreichen Nachweise in Rz. 11 der Besprechungsentscheidung) gewährt der BFH die Vergünstigung nach § 24b EStG auch im Trennungsjahr der Eheleute – zumindest zeitanteilig.

Hiergegen kann nur auf den ersten Blick angeführt werden, dass bei unterjähriger Trennung (z.B. am 1.4.) für jenes Jahr noch die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung gem. § 26 Abs. 1 EStG und damit auch für den durch eine wahlweise Zusammenveranlagung ausgelösten Splittingtarif (§§ 26b, 32a Abs. 5 EStG) vorlagen. Solche Stpfl. sieht das Gesetz nach § 24b Abs. 3 S. 1 EStG grds. nicht als "alleinstehend" an.

Zu Recht hat der BFH aber auf das in § 24b Abs. 4 EStG verankerte Monatsprinzip abgestellt. Er hat deutlich gemacht, dass der mit dem Kind in der Familienwohnung verbleibende Ehegatte/Elternteil ab der Trennung alleinerziehend und folglich dessen "alleinstehend" i.S. des Gesetzes ist. Ab diesem Zeitpunkt ist er typischerweise höheren Lebensführungskosten wegen des Fehlens von Synergieeffekten durch eine gemeinsame Haushaltsführung ausgesetzt und unterfällt damit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 24b EStG (vgl. BT-Drucks. 15/3339, 11). Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Errungenschaft nicht durch eine rechtsprechungsdurchbrechende Anpassung der Norm entwertet.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
BAAAI-57751