BVerwG Beschluss v. - 1 WB 27/15

Auswahlverfahren; Fortsetzung nach Fehlerbehebung; Bewerberkreis

Leitsatz

Wird ein Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen militärischen Dienstpostens fortgesetzt, nachdem eine fehlerhafte erste Auswahlentscheidung aufgehoben wurde, so ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der zu treffenden neuen Auswahlentscheidung maßgeblich. Die Auswahl nach dem Leistungsprinzip ist dabei grundsätzlich nicht auf den bei der ersten Auswahlentscheidung betrachteten Bewerberkreis begrenzt.

Gesetze: § 3 Abs 1 SG

Tatbestand

1Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde er am ... 2009 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom ... 2009 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.

2Mit Schreiben vom beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den neu geschaffenen, nach Besoldungsgruppe B 3 dotierten Dienstposten des Abteilungsleiters ... im ....

3Am wählte der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung für diesen Dienstposten ... aus. Neben dem ausgewählten Bewerber waren der Antragsteller sowie ein weiterer Offizier im Dienstgrad Oberst in die engere Wahl gezogen worden.

4Mit Schreiben vom legte der Antragsteller gegen seine Nichtauswahl „Beschwerde“ ein.

5Aufgrund einer Entscheidung des Abteilungsleiters Personal vom wurde die Auswahlentscheidung zugunsten von ... am aufgehoben und angeordnet, dass das Auswahlverfahren zur Besetzung des Dienstpostens erneut aufgenommen werde. Grund für die Aufhebung war, dass es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen der betrachteten Bewerber fehle. Der strittige Dienstposten war zum Zeitpunkt der Aufhebung der Auswahlentscheidung noch nicht besetzt; der zunächst ausgewählte Bewerber ... wurde auch nicht mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens betraut.

6Nachdem in der Folgezeit keine Einigkeit zwischen dem Antragsteller und dem Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - erzielt wurde, wie die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete „Beschwerde“ vom nach Aufhebung der ursprünglich angegriffenen Auswahlentscheidung zu behandeln sei, legte das Bundesministerium der Verteidigung den Antrag - auf Wunsch des Antragstellers - mit einer Stellungnahme vom dem Senat vor.

7Im gerichtlichen Verfahren beantragte der Antragsteller, das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, das noch nicht beendete Auswahlverfahren zur Besetzung des nach Besoldungsgruppe B 3 dotierten Dienstpostens Abteilungsleiter ... im ... zum Abschluss zu bringen und ihn, den Antragsteller, für diesen Dienstposten auszuwählen und auf den Dienstposten zu versetzen. Zur Begründung verwies der Antragsteller darauf, dass er aus dem ursprünglichen Bewerberfeld der einzig verbliebene Kandidat sei; die beiden anderen Bewerber seien inzwischen anderweitig versetzt. Ungeachtet dessen habe er von Beginn an ausgewählt werden müssen, weil er der am besten geeignete Bewerber sei.

8Das Bundesministerium der Verteidigung trat dem unter Hinweis auf seine - dem Antragsteller bereits vorgerichtlich mit Schreiben vom mitgeteilte - Auffassung entgegen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Aufhebung der ursprünglichen Auswahlentscheidung mangels Beschwer unzulässig sei. Es stehe dem Antragsteller frei, im Falle einer erneuten Nichtauswahl wiederum die gerichtliche Entscheidung zu beantragen.

9Am entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung, den strittigen Dienstposten nunmehr mit dem Antragsteller zu besetzen. Bei der Auswahl waren neben dem Antragsteller weitere Mitbewerber, die nicht bereits zum Bewerberkreis bei der ursprünglichen Auswahlentscheidung gezählt hatten, mitbetrachtet worden.

10Im Hinblick auf seine Auswahl und seine anschließende Versetzung auf den Dienstposten hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten dem Bund aufzuerlegen. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat der Erledigungserklärung bereits vorab mit Schreiben vom zugestimmt.

11Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: 487/15 -, die Gerichtsakte des noch offenen parallelen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 WDS-VR 8.15 und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

12Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa 1 WB 4.08 - Rn. 8 m.w.N.).

13Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, den Antrag, die Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen, abzulehnen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keinen Erfolg gehabt hätte.

141. Soweit sich die vom Bundesministerium der Verteidigung zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertete "Beschwerde" vom auf die erste Auswahlentscheidung vom bezog, war der Antragsteller seit der Aufhebung dieser Entscheidung am 10./ nicht mehr beschwert. Auch für das Verpflichtungsbegehren, auf den strittigen Dienstposten versetzt zu werden, fehlt seitdem das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung hat gleichzeitig mit der Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung verfügt, das Auswahlverfahren zur Besetzung des Dienstpostens erneut aufzunehmen und auf der Grundlage vergleichbarer - zum Teil erst noch zu erstellender - dienstlicher Beurteilungen einer neuen Auswahlentscheidung zuzuführen. Mehr konnte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht beanspruchen.

152. Der Antragsteller musste den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom auch nicht im Hinblick auf die ausstehende zweite Auswahlentscheidung - von der ex ante nicht absehbar war, dass sie zu seinen Gunsten ausfallen würde - aufrechterhalten.

16Wird während eines laufenden Konkurrentenstreits um einen höherwertigen militärischen Dienstposten die angefochtene Auswahlentscheidung aufgehoben und eine neue Auswahlentscheidung getroffen, erstreckt sich der gegen die erste Auswahlentscheidung eingelegte Rechtsbehelf nicht auf die zweite Auswahlentscheidung ( 1 WDS-VR 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = NZWehrr 2016, 31, jeweils LS und Rn. 32 f.). Der Antragsteller hätte deshalb in dem (nicht eingetretenen) Fall, dass der Abteilungsleiter Personal wiederum einem anderen Bewerber den Vorzug eingeräumt hätte, die zweite Auswahlentscheidung mit einem gesonderten Rechtsbehelf anfechten müssen.

173. Die Aufrechterhaltung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom war schließlich nicht geeignet, die Zahl der für die Dienstpostenbesetzung in Betracht kommenden Offiziere auf den der Auswahlentscheidung vom zugrundeliegenden Bewerberkreis "festzuschreiben".

18a) Maßgeblich nach Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens ist nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ersten (aufgehobenen), sondern der zweiten (noch zu treffenden) Auswahlentscheidung (vgl. 1 WB 44.11 - juris Rn. 27 m.w.N.; ebenso für das Dienstrecht der Beamten und Richter 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 58). Dies bedeutet auch, dass ggf. ein neues Bewerberfeld und das jeweils aktuelle Beurteilungsbild der zu betrachtenden Bewerber für die neue Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen sind ( 1 WDS-VR 1.15 - NVwZ-RR 2016, 60 = NZWehrr 2016, 31, jeweils Rn. 33).

19b) Soweit der 2. Revisionssenat gebilligt hat, dass ein neu hinzutretender Kandidat - ausnahmsweise - vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann, wenn er sich erst lange nach Ablauf einer Bewerbungsfrist beworben hat und das Auswahlverfahren bereits so weit fortgeschritten ist, dass alle Voraussetzungen für die Auswahlentscheidung vorliegen ( 2 VR 6.11 - juris Rn. 3 ff.), ist eine solche Sachverhaltsgestaltung hier nicht gegeben. Nach Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung vom stand die Vorbereitung der neuen Auswahlentscheidung wegen der Notwendigkeit, aktuelle dienstliche Beurteilungen einzuholen, vielmehr erst in den Anfängen.

20c) Der Antragsteller kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des 2. Revisionssenats berufen, wonach ein Bewerber im Falle des unberechtigten Abbruchs eines Auswahlverfahrens dessen zeitnahe Fortführung mit dem bestehenden Bewerberkreis verlangen kann (vgl. 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 21 ff.).

21Es liegt hier bereits kein Fall des Abbruchs eines Auswahlverfahrens vor. Der Dienstherr kann ein Auswahlverfahren etwa dann abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (vgl. 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 19 und Beschluss vom - 1 WB 56.14 - juris Rn. 31, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier indes nicht. Die erste Auswahlentscheidung vom wurde nicht deshalb aufgehoben, weil der Dienstherr das Auswahlverfahren für gescheitert und ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hielt; es ging vielmehr lediglich darum, das begonnene Auswahlverfahren unter Behebung eines Fehlers fort- und zu Ende zu führen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:290416B1WB27.15.0

Fundstelle(n):
OAAAI-50992