BGH Urteil v. - IX ZR 203/12

Insolvenzanfechtungsprozess: Tatrichterliche Feststellung der Zahlungseinstellung und der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf der Grundlage von Indizien

Leitsatz

Zur Feststellung der Zahlungseinstellung und der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes auf der Grundlage von Indizien.

Gesetze: § 17 Abs 1 InsO, § 17 Abs 2 S 2 InsO, § 133 Abs 1 S 2 InsO, § 140 InsO, § 286 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 13 U 142/11vorgehend LG Hildesheim Az: 2 O 353/10

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M.    G.    (nachfolgend: Schuldner), der ein Ingenieurbüro vormals zusammen mit dem Beklagten betrieb. Beide hatten sich im Jahre 2002 zu einer Sozietät von Vermessungsingenieuren zusammengeschlossen. In der Folgezeit änderten die Gesellschafter den Sozietätsvertrag dahingehend ab, dass der Beklagte ab dem eine monatliche Pensionszahlung von 3.500 € erhalten sollte. Im Laufe des Jahres 2005 erbrachte der Beklagte zur Stützung der Liquidität der Gesellschaft drei als Einlage bezeichnete Zahlungen von insgesamt 29.000 €. Ab Januar 2006 führte der Schuldner unter Auflösung der Sozietät das Vermessungsbüro alleine weiter, wobei der Beklagte - zumindest stundenweise - weiter dort tätig war.

2Mit Vertrag vom wandelten der Schuldner und der Beklagte das Kapitalkonto des Beklagten, das zum Jahresende 2005 ein Guthaben von 131.279,07 € auswies und dessen Auszahlung dem Schuldner nicht möglich war, in ein verzinsliches Darlehen um. Für das Jahr 2005 waren 6.500 € Zinsen vereinbart. Ab Januar 2007 sollte das Darlehen in monatlichen Raten von 1.000 € zurückgeführt werden.

3Im Herbst 2006 zeichnete sich ab, dass der Schuldner das Weihnachtsgeld für dieses Jahr an die Mitarbeiter nicht werde leisten können. Um die Sonderzahlungen gleichwohl zu ermöglichen, zahlte der Beklagte im Oktober 2006 insgesamt 20.000 € auf die bis dahin erhaltenen Pensionszahlungen zurück. Im November 2006 schlossen der Schuldner und der Beklagte "mit Rücksicht auf die angespannte wirtschaftliche Situation des ehemals gemeinsam betriebenen P.    Vermessungsbüros" einen Ergänzungsvertrag, wonach der Beklagte im Jahre 2007 anstelle der vereinbarten 42.000 € nur 24.000 € erhalten sollte. Nach dem Vortrag des Klägers kam das Weihnachtsgeld 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten nicht zur Auszahlung. Im Januar 2008 wendete der Beklagte die drohende Zwangsvollstreckung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich mit der Zahlung von 4.800 € ab. Ab November 2008 konnte der Schuldner den laufenden Lohn nicht mehr bezahlen. Es kam zu arbeitsgerichtlichen Klagen, auch wegen des Weihnachtsgeldes 2006.

4Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, erbrachte der Schuldner im Zeitraum von April 2007 bis Februar 2009 an den Beklagten Zahlungen auf den Pensionsanspruch in Höhe von insgesamt 63.500 €, Rückzahlungen auf das Darlehen in Höhe von insgesamt 38.967 € sowie Mietzahlungen für einen an den Schuldner vermieteten Lagerraum in Höhe von 5.793,84 €, insgesamt 108.260,84 €. In dieser Höhe, zuzüglich Zinsen, hat die auf Deckungs- und Vorsatzanfechtung gestützte Klage des Klägers in erster Instanz Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch in vollem Umfang weiter.

Gründe

5Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es die Klage insgesamt abgewiesen hat, ausgeführt:

7Der Kläger habe keinen Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO, weil er zu einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners allenfalls für die Zeit ab November 2008 ausreichend vorgetragen habe. Der Schuldner handele mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er seine Zahlungsunfähigkeit oder seine drohende Zahlungsunfähigkeit kenne. Eine umfassende Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der liquiden Mittel andererseits, aus welcher ein kurzfristig nicht zu behebender Mangel an Zahlungsmitteln in der Zeit ab April 2007 zu entnehmen sei, habe der Kläger nicht vorgelegt. Vortrag zur künftigen Liquiditätssituation, der für den Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sei, fehle ebenfalls. Soweit eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit in den Jahren 2004, 2005 und 2006 durch Privateinlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet worden sei, könne daraus nicht auf eine bestehende oder drohende Zahlungsunfähigkeit ab April 2007 geschlossen werden.

8Zwar könne es zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit auch ausreichen, dass der Anfechtende vortrage, im maßgeblichen Zeitpunkt hätten fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen und deshalb zu Tabelle angemeldet worden seien. Hierfür genüge der Vortrag des Klägers, drei Arbeitnehmer hätten das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 bis zur Verfahrenseröffnung nicht erhalten, aber nicht. Ausreichend seien erst die rückständigen Gehalts- und Gratifikationszahlungen ab November 2008.

9Die Annahme einer Zahlungseinstellung, die auch zur Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO führen könne und bezüglich derer es einer Liquiditätsbilanz nicht bedürfe, sei zu verneinen, weil die vom Kläger vorgetragenen Indizien nicht den Schluss auf eine Einstellung der Zahlungen des Schuldners ab April 2007 zuließen. Selbst wenn man unterstelle, dass Zahlungen auf das Weihnachtsgeld 2006 in Höhe von 30.000 € offen geblieben seien, genüge dies nicht, weil der Betrag nur verhältnismäßig gering sei. Dem Schreiben des Schuldners vom an seine Arbeitnehmer, das Weihnachtsgeld für 2006 nicht zahlen zu können, komme keine entscheidende Bedeutung zu. Gleiches gelte für das Schreiben des Steuerberaters vom , wonach in den ersten fünf Monaten 2007 im Ergebnis ein Verlust festzustellen sei, und die den Arbeitnehmern überlassene vorgedruckte Erklärung, ungeachtet einer eventuell drohenden Insolvenz nicht mit einer Gehaltskürzung einverstanden zu sein.

10Von einer Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners auf Seiten des Beklagten ab November 2008 könne nicht ausgegangen werden, denn die Gesellschaft habe bei seinem Ausscheiden Ende 2005 einen bilanzierten Gewinn von 101.717,54 € gehabt und seine Forderungen gegen den Schuldner seien stets pünktlich befriedigt worden. Dass er Anfang 2008 eingesprungen sei, als der Schuldner 4.080 € benötigt habe, um die Zwangsvollstreckung eines ehemaligen Arbeitnehmers abzuwenden, sei kein ausreichendes Indiz für die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine drohenden Zahlungsunfähigkeit hindeuteten.

II.

11Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs verneint hat, beruhen auf einer unvollständigen Auswertung des maßgeblichen Sachvortrags der Parteien.

121. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dessen Vorliegen ist auch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt. Dies ergibt sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (, BGHZ 167, 190 Rn. 14 mwN; vom - IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Rn. 8 mwN).

13a) Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO (, ZInsO 2013, 2109 Rn. 7 mwN). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte (vgl. , ZInsO 2006, 1210 Rn. 28 mwN; vom , aaO).

14b) Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (, BGHZ 149, 178, 184 f; vom , aaO Rn. 8 mwN).

15aa) Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen ( aaO). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen ( aaO Rn. 9 mwN).

16bb) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht ( aaO Rn. 10 mwN).

172. Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Beweisanzeichen die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Insoweit hat das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt (vgl. , ZInsO 2008, 378 Rn. 13; vom - IX ZR 40/12, ZInsO 2012, 976 Rn. 11; vom , aaO Rn. 10).

18a) Das Berufungsgericht nimmt eine nur eingeschränkte Würdigung vor, indem es die maßgeblichen Indizien nicht in einen Gesamtzusammenhang stellt, sondern jeweils nur einzeln für sich betrachtet. So stellt es hinsichtlich der zu Beginn des für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen Zeitraums offenen Verbindlichkeiten lediglich in Rechnung, dass die Weihnachtsgeldansprüche von drei Arbeitnehmern für das Jahr 2006 offengeblieben und vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen worden sind. Dabei übergeht es den schon in der Klageschrift und in der Berufungserwiderung gehaltenen Vortrag des Klägers, dass der Schuldner sämtlichen Arbeitnehmern das Weihnachtsgeld für 2006 bis zur Insolvenzeröffnung schuldig geblieben ist. Entgegen dem Grundsatz, dass regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen ist, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind (, ZInsO 2011, 1410 Rn. 12 mwN), stellt es nicht fest, ob tatsächlich die Ansprüche aller Arbeitnehmer offengeblieben sind und welchen Umfang diese hatten, sondern begnügt sich mit dem Hinweis, dass drei - vom Kläger nur beispielhaft benannte - Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld nicht erhalten hätten, was nicht ausreiche, um im Verhältnis zum sonstigen Zahlungsverkehr des Schuldners zu einer Zahlungseinstellung zu kommen.

19Sodann unterstellt es zwar in seiner weiteren Würdigung, die gesamten ungedeckten Ansprüche auf Weihnachtsgeld könnten auch 30.000 € betragen haben, hält aber auch einen deutlich geringeren Gesamtbetrag für möglich, so dass unklar bleibt, von welchem Betrag es letztlich ausgeht, wenn es meint, die offene Summe sei zu gering, um zu einem beachtlichen Zahlungsrückstand zu kommen. Allein darauf, dass die Nichtzahlung von geschätzten 30.000 € einen nur unwesentlichen Betrag in Relation zu den gesamten Personalausgaben des Schuldners darstelle, hätte die Würdigung des Gerichts aber ohnehin nicht gestützt werden dürfen, weil der Kläger eine Fülle von weiteren Beweisanzeichen vorgetragen hat, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen lassen.

20b) Die gebotene Gesamtwürdigung lässt unberücksichtigt, dass es sich bei den Weihnachtsgeldzahlungen für das Jahr 2006 um Forderungen der Arbeitnehmer handelt, deren schleppende Zahlung auch im Fall der erzwungenen "Stundung" durch den Arbeitgeber Anzeichen für eine Zahlungseinstellung ist (, ZInsO 2008, 378 Rn. 20 ff). Schon in den Jahren 2004 und 2005 bestehende Schwierigkeiten des Schuldners, das Weihnachtsgeld für diese Jahre zu zahlen, die sich aus den vom Kläger vorgelegten Schreiben des Schuldners und des Beklagten an die Belegschaft vom und ergeben, lässt das Berufungsgericht bei seiner Würdigung außer Acht. Den für die Gesamtwürdigung erheblichen Umstand, dass der Beklagte im Hinblick auf die anstehende Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 im Oktober 2006 an den Schuldner 20.000 € aus den empfangenen Pensionsleistungen zurückgezahlt hat, um dem Schuldner die Zahlung des Weihnachtsgeldes zu ermöglichen, und dieser hierzu gleichwohl nicht in der Lage gewesen ist, erwähnt das Berufungsgericht in seiner Würdigung nicht. Auch dem Ergänzungsvertrag vom , in dem der Beklagte im Hinblick auf die angespannte wirtschaftliche Situation des Schuldners diesem Pensionszahlungen in Höhe von 18.000 € für das Jahr 2007 erlassen hat, misst es keine Bedeutung zu. Obwohl auch diese Maßnahme nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners geführt hat, was nicht zuletzt die Mitteilung des Steuerberaters vom belegt, in welcher ein Verlust für die ersten fünf Monate des Jahres 2007 attestiert wird, der es nicht zulasse, Sonderzahlungen in der vereinbarten Höhe zu leisten, wird dies in der Entscheidung des Berufungsgericht nicht erwähnt.

21c) Nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vereinbaren ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine eigenständige Indizwirkung komme dem Schreiben des Schuldners an seine Belegschaft vom nicht zu. Wenn der Schuldner in diesem Schreiben unter Hinweis auf das Schreiben des Steuerberaters vom mitteilt, die Zahlung des Weihnachgeldes 2006 sei - auch nur in Teilbeträgen - weiterhin unmöglich und auch sonst lasse die finanzielle Situation die Erbringung von irgendwelchen Zusatzleistungen nicht zu, räumt er damit seinen Angestellten gegenüber ein, seine Verbindlichkeiten - auch nach Ablauf von mehr als einem halben Jahr nach Fälligkeit - nicht vollständig erfüllen zu können. Die Auffassung des Berufungsgerichts, in dem Schreiben werde nur bestätigt, was der Beklagte ohnehin nicht bestritten habe, verkennt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hindeuten (, ZInsO 2006, 1210 Rn. 15 mwN; vom - IX ZR 239/09, ZInsO 2012, 696, Rn. 27) und damit ein wesentliches Indiz in der gebotenen Gesamtwürdigung darstellen. Aus dem Schreiben ergibt sich in Verbindung mit dem beigefügten Schreiben des Steuerberaters zudem, dass sich die angespannte finanzielle Situation des Schuldners seit dem Jahresende 2006 weiter verschärft hat und die Verluste und damit auch das Unvermögen, längst fällige Verbindlichkeiten zu bedienen, noch größer geworden ist.

22Unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Berufungsgerichts, die den Arbeitnehmern überlassene vorformulierte Erklärung, trotz eingehender Information über die eventuell drohende Insolvenz und den damit drohenden Verlust aller Arbeitsplätze mit einer Minderung des monatlichen Gehalts nicht einverstanden zu sein, komme keine indizielle Bedeutung zu. Wird mit einer derartigen Erklärung, die nach dem Vortrag des Klägers vom Beklagten stammen soll, Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt, um diese zu Lohnverzichten zu bewegen, muss hierin ein erhebliches Indiz für eine drohende Insolvenz, auf die im Übrigen in dem Schriftstück auch ausdrücklich hingewiesen wird, gesehen werden.

23d) Keine Bedeutung im Blick auf die Indizien für eine Zahlungseinstellung misst das Berufungsgericht schließlich auch der Zahlung des Beklagten im Januar 2008 in Höhe von 4.080 € bei, mit welcher er dem Schuldner beigesprungen ist, um die zwangsweise Beitreibung titulierter Forderungen eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers abzuwenden. Wenn das Berufungsgericht hierzu im Rahmen seiner Hilfsbegründung zur fehlenden Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erneut ausführt, es handele sich um einen im Vergleich zu den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners, unerheblichen Betrag, übersieht es, dass auch diese Finanzhilfe schon bei der Gesamtwürdigung zur Zahlungseinstellung hätte berücksichtigt werden müssen. Gegen den Schuldner betriebene Vollstreckungsverfahren legen die Schlussfolgerung der Zahlungseinstellung nahe (vgl. , WM 2006, 1215 Rn. 14; Urteil vom - IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Rn. 17). Auch diese Zahlung trägt deshalb zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei (vgl. , ZInsO 2013, 2109 Rn. 13), dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten.

243. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es fehle auch daran, dass der Beklagte von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe, kann dies die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen. Die Ausführungen beruhen auf einem gehörswidrigen Übergehen von Vortrag des Klägers und der unterlassenen Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Behauptung, der Beklagte habe das Schreibens vom und die vorformulierte Erklärung der Arbeitnehmer verfasst.

25a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (, ZInsO 2009, 1909 Rn. 8 mwN). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (, BGHZ 180, 63 Rn. 13; vom , aaO). Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat. Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt (vgl. , ZInsO 2013, 2109 Rn. 17 mwN).

26b) Diesen Grundsätzen genügt die Entscheidung des Berufungsgerichts, das nur einzelne Umstände herausgreift und keine Gesamtwürdigung vornimmt, ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hätte sämtliche für den Beklagten erkennbaren Umstände in einem Gesamtzusammenhang stellen und würdigen müssen.

27aa) Der ausgewiesene Bilanzgewinn zum Jahresende 2005 wird in der Entscheidung für ausschlaggebend im Hinblick auf die fehlende Kenntnis der Zahlungseinstellung gehalten. Dies sagt aber nichts über die vorhandene Liquidität aus. Um diese aufrechtzuerhalten, mussten die Sozien im Jahre 2004 schon Einlagen in Höhe von insgesamt 71.905,09 € und im Jahre 2005 in Höhe von insgesamt 41.500 € leisten. Zudem war die angespannte finanzielle Situation des Schuldners dem Beklagten schon aufgrund der fehlenden Erfüllbarkeit seines Anspruchs auf Ausgleich seines Kapitalkontos zum Jahresende 2005, der zum Abschluss des Darlehensvertrags vom führte, bekannt. Auszahlen konnte der Schuldner den dem Beklagten bei seinem Ausscheiden aus der Sozietät zustehenden Kapitalanteil nicht.

28Das Berufungsgericht erkennt zwar, dass bei Durchsetzung des dem Beklagten zustehenden Ausgleichsanspruchs schon zum Jahresende 2005 eine Unterdeckung in Höhe von 4.775,74 € entstanden wäre, hält dies aber wegen der Erfüllung der - allerdings durch Teilverzicht und Reduzierung für 2007 - herabgesetzten Ansprüche des Klägers für unerheblich. Die sonstige finanzielle Situation, zu der es im Zusammenhang mit der Prüfung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit anhand einer Finanzplanung festgestellt hat, dass eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit schon 2004 und 2005 nur durch Einlagen der Gesellschafter und den Verzicht auf Entnahmen aus dem Kapitalkonto abgewendet werden konnte, lässt es unberücksichtigt. Die weiteren Beweisanzeichen für einen finanziellen Zusammenbruch werden ebenfalls nicht in einen Gesamtzusammenhang gestellt.

29bb) Das Berufungsgericht blendet aus, dass der Schuldner nach dem Vorbringen des Klägers letztlich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 trotz der Liquiditätshilfen des Beklagten, dem diese Schwierigkeiten spätestens seit Oktober 2006 bekannt waren, auszugleichen. Den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der Beklagte sei Verfasser des Schreibens vom gewesen, hält es mit der verfehlten Begründung für unerheblich, dieses Schreiben sei für eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes nicht ausreichend, obwohl in diesem Schreiben das Unvermögen, das Weihnachtgeld für 2006 überhaupt noch zu zahlen, auf Dauer eingeräumt wird. Gleiches gilt im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, der Beklagte habe den Arbeitnehmern ein vorformuliertes Schreiben zur Verfügung gestellt, aus dem sich die drohende Zahlungsunfähigkeit unübersehbar ergibt. Stattdessen begnügt es sich mit der pauschalen Feststellung, auch wenn der Beklagte bis Ende 2008 weiter stundenweise in dem Büro tätig gewesen sei, an Betriebsversammlungen teilgenommen und massiven Einfluss auf die Personalpolitik - insbesondere im Hinblick auf Kürzungen bei den Personalausgaben - genommen habe, sage dies nichts darüber aus, welche konkreten Kenntnisse er über welche offenen Forderungen und die zur Verfügung stehenden liquiden Mittel gehabt habe.

30cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Gläubiger, der es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun hat und der weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen, damit rechnen, dass auch gegenüber anderen Gläubigern Verbindlichkeiten (wobei künftige Verbindlichkeiten ebenfalls in Betracht kommen) entstehen, die er nicht bedienen kann (vgl. , ZInsO 2009, 1909 Rn. 14; vom - IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 Rn. 30). Auch diese Rechtsprechung beachtet das Berufungsgericht nicht hinreichend, indem es trotz des Wissens um die dauernde Nichterfüllbarkeit der offen gebliebenen Weihnachtsgeldansprüche der Arbeitnehmer aus dem Jahr 2006 und der vielfältigen finanziellen Unterstützungsleistungen des Beklagten, denen jeweils das Eingeständnis des Schuldners vorausgegangen war, seine Verbindlichkeiten nicht vollständig erfüllen zu können, nur darauf abstellt, dass der Schuldner jedenfalls seine reduzierten Zahlungspflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt habe.

III.

31Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht treffen.

Fundstelle(n):
RAAAI-24643