BGH Urteil v. - IV ZR 496/14

Fondsgebundene Rentenversicherung nach dem Policenmodell: Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung bei Benennung des Widerspruchsadressaten unterhalb der Belehrung; Berufung auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells als widersprüchliche Rechtsausübung; Anwendbarkeit der "Kick-Back"-Rechtsprechung

Gesetze: § 5a Abs 1 VVG vom , § 5a Abs 2 S 1 VVG vom , EWGRL 619/90, EWGRL 96/92, § 242 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 11 S 4547/12vorgehend Az: 36 C 8871/11

Tatbestand

1Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Rentenversicherung.

2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein, der eine Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).

3D. VN zahlte von Oktober 2004 bis Juni 2010 Prämien in Höhe von insgesamt 2.339,14 €. Im Juni 2010 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.

4Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.926,00 €.

5Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

6Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Gründe

7Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

8I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Das Widerspruchsrecht sei innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation erloschen. Die erforderliche Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß auf Seite 3 des Versicherungsscheins erteilt worden. Sie befinde sich in einem Rahmen und sei insgesamt in Fettdruck gehalten und kursiv gedruckt. Der Beginn der Widerspruchsfrist sei ohne weiteres der Belehrung zu entnehmen. Es werde darauf hingewiesen, dass "nach Überlassung aller Vertragsunterlagen in Textform" die Widerspruchsfrist beginne. Eine Seite vor der Belehrung sei im Versicherungsschein aufgeführt, welche Anlagen diesem beigefügt seien. Damit wisse d. VN, welche Unterlagen vorliegen müssten und wann die Widerspruchsfrist zu laufen beginne. Zweifel hinsichtlich des Adressaten des Widerspruchs bestünden nicht. Unmittelbar unter der Belehrung stehe der Name des Versicherers; auf dem Begleitschreiben zum Versicherungsschein stehe die Anschrift des Absenders. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

9Ein Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Falschberatung, unzureichender Aufklärung und nicht ausreichender Hinweise auf Rückvergütungen komme nicht in Betracht. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Fondsanlagevermittlungen sei nicht übertragbar auf den Abschluss fondsgebundener Rentenversicherungen. Im Übrigen mangele es an substantiiertem Sachvortrag zum Inhalt des Beratungsgesprächs.

10II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

111. D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

12a) Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine Widerspruchsbelehrung, die - was die Revision zu Recht nicht anzweifelt - drucktechnisch hervorgehoben war. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, die fristauslösenden Unterlagen seien nicht klar bezeichnet. Da - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Seite vor der Belehrung im Versicherungsschein die beigefügten Unterlagen im Einzelnen bezeichnet sind, war für d. VN klar erkennbar, welche Unterlagen vorliegen mussten und wann die Widerspruchsfrist zu laufen begann. Zudem enthält die Belehrung den Hinweis, dass der Vertrag auf der Grundlage dieses Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der für den Vertrag maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen gelte, wenn d. VN nicht widerspreche (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 497/14, juris Rn. 12). Die Widerspruchsbelehrung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb unvollständig, weil sie den Adressaten des Widerspruchs nicht benennt. Abgesehen davon, dass § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. diese Angabe nicht verlangt, ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne eine solche Angabe ersichtlich, dass er den Widerspruch an den Versicherer zu richten hat, der hier klar unterhalb der Widerspruchsbelehrung und im Policenbegleitschreiben bezeichnet ist. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

13b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; , VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom aaO Rn. 32-42; aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte fünf Jahre und acht Monate die Versicherungsprämien, kündigte dann den Vertrag und ließ sich den Rückkaufswert auszahlen. Erst fünf Monate nach der Kündigung erklärte er den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im September 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

14Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

152. Auch einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die "Kick-Back"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf den Abschluss fondsgebundener Rentenversicherungen übertragbar ist, und hat im Übrigen schlüssigen Vortrag zu den Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht des Versicherers vermisst.

Mayen                               Harsdorf-Gebhardt                                      Dr. Karczewski

                   Lehmann                                          Dr. Brockmöller

Fundstelle(n):
KAAAI-14691