BGH Beschluss v. - 2 StR 202/14

Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger: Neuvornahme der Gesamtstrafenbildung nach fehlerhaft gebildeter früherer Gesamtstrafe

Gesetze: § 55 StGB, § 179 StGB

Instanzenzug: LG Aachen Az: 65 KLs 24/13nachgehend Az: 2 StR 572/15 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Schleiden vom und sowie der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom unter Auflösung der in der letztgenannten Entscheidung verhängten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3Während der Schuld- und Strafausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zu beanstanden sind, hält die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

4Das Landgericht hätte die Freiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten aus den Vorverurteilungen des Amtsgerichts Schleiden vom und nicht in die nachträglich gebildete Gesamtstrafe einbeziehen dürfen, da diese Strafen bereits vollständig verbüßt waren und gemäß § 55 Abs. 1 StGB die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe mit bereits erledigten Strafen nicht in Betracht kommt (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 55 Rn. 6). Dass bereits das Landgericht Aachen in seinem eine eigene Sachentscheidung enthaltenen Berufungsurteil vom die Freiheitsstrafen aus den vorgenannten Urteilen des Amtsgerichts Schleiden rechtsfehlerhaft in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen hatte, obwohl die Strafen auch zu diesem Zeitpunkt bereits verbüßt waren (vgl. hierzu LK/Rissing-van Saan, 12. Aufl., § 55 Rn. 24 f.), führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Denn für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist die tatsächlich gegebene materielle Gesamtstrafenlage maßgeblich, so dass eine fehlerhaft gebildete frühere Gesamtstrafe aufzulösen und die Gesamtstrafenbildung insgesamt neu vorzunehmen ist (, BGHSt 35, 243, 244 f.; Beschluss vom - 3 StR 407/90, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 4). Da eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr möglich war, hätte das Landgericht einen Härteausgleich erwägen müssen (vgl. Fischer aaO § 55 Rn. 21).

5Dagegen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung einzubeziehen waren, weil insoweit die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vorlagen.

6Darüber hinaus waren auch hinsichtlich des weiteren unerledigten Urteils des Amtsgerichts Schleiden vom , mit dem gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verhängt worden ist, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB erfüllt. Eine Entscheidung über die Einbeziehung dieser Strafe hat das Landgericht indes rechtsfehlerhaft nicht getroffen. Der Umstand, dass das Landgericht Aachen in seinem Urteil vom gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von einer Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schleiden vom abgesehen hatte, hinderte das Landgericht nicht, die Geldstrafe in die von ihm neu zu bildende Gesamtstrafe einzubeziehen; vielmehr hätte das Landgericht diesbezüglich eine eigenständige Entscheidung gemäß § 53 Abs. 2 StGB treffen müssen (vgl. , NStZ-RR 2007, 232; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1251 f.).

Appl                     Schmitt                        Eschelbach

               Ott                          Zeng

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
CAAAI-13408