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OFD Cottbus - S 7104 - 0010 - St 243

Vorsteuerabzug im Förder- und Beschäftigungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen

Im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) bittet die OFD, folgende Auffassung zu vertreten:

Die WfbM sind nach ihren Satzungen und der tatsächlichen Aufgabenstellung als teilstationäre Einrichtung anzusehen, die in Erfüllung öffentlicher und allgemeiner Sozial- und Fürsorgepflichten der Eingliederung geistig und körperlich Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft durch arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen.

Es ist dabei eine unternehmerische Tätigkeit der WfbM gegeben, da die vom Sozialleistungsträger geleisteten Zuwendungen die Gegenleistung für die Betreuung der behinderten Menschen ist (vgl. Abschnitt 103 Abs. 11 UStR). Der Betrieb einer WfbM, der darauf gerichtet ist, entgeltliche Leistungen durch den Verkauf von in der WfbM hergestellten bzw. bearbeiteten Produkten zu erbringen, ist ebenfalls eine unternehmerische Tätigkeit. Die Tätigkeiten unterscheiden sich dahingehend, dass die gegenüber den behinderten Menschen erbrachten Betreuungsleistungen umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 18 UStG sind, während andere Leistungen steuerpflichtig sind, jedoch ggf. dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (Abschnitt 170 Abs. 4 Beispiel 5 UStR):

1. Steuerbare und steuerpflichtige Leistungen

Hierunter fallen die Umsätze des eigentlichen Werkstattbereiches der WfbM Diese Umsätze sind sowohl steuerbar als auch steuerpflichtig. Sie unterliegen jedoch unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG dem ermäßigten Steuersatz (vgl. Abschn. 170 Abs. 4 Nr. 5 UStR).

2. Steuerbare, jedoch in der Regel steuerfreie Leistungen

Die WfbM erbringen aufgrund ihrer Aufgabenstellung in gewissem Umfang Betreuungs- und Pflegeleistungen. Bei diesen Umsätzen handelt es sich um Leistungen, die unmittelbar den behinderten Menschen zugute kommen. Hierunter fällt auch die ärztliche Betreuung sowie die Freizeitgestaltung (z.B. in Turnhalle oder Schwimmbad).

Unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG sind diese Leistungen von der Umsatzsteuer befreit. Das Entgelt für diese Leistungen besteht aus den Zahlungen der behinderten Menschen selbst sowie aus den i.R.d. Pflegesätze vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) geleisteten Kostenerstattungen. Diese Kostenerstattungen erfolgen in Erfüllung der gegenüber den behinderten Menschen aufgrund der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom (BGBl 1987 I S. 401 ff.) bestehenden Leistungsverpflichtung. Anspruchsberechtigter ist dem Grunde nach der behinderte Mensch. Die Zahlungen unmittelbar an die WfbM stellen eine Abkürzung des Zahlungsweges dar.

3. Vorsteuerabzug

Der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG setzt voraus, dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen muss (EUGH-Urteil vom Rs. C 98/98, Midland Bank, UVR 2000 S. 348). Ein Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG ist demnach ausgeschlossen, wenn der Eingangsumsatz in einen nachfolgenden steuerfreien Umsatz eingeht (§ 15 Abs. 2 UStG) oder der Eingangsumsatz in keinen nachfolgenden Ausgangsumsatz eingeht und die Eingangsleistung der nichtunternehmerischen Sphäre des Unternehmers zuzurechnen ist (Abschnitt 192 Abs. 14 und 18 UStR).

Führt der Unternehmer Leistungen aus, die sowohl zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch solche, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist eine Vorsteueraufteilung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung durch die sog. gegenständliche Zuordnung oder nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten vorzunehmen (Abschnitt 208 Abs. 2 UStR).

3.1 Arbeitsbereich

Da im Arbeitsbereich der WfbM steuerpflichtige Umsätze getätigt werden (s. Pkt. 1), sind die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG abziehbar.

3.2 Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich

Zum Bereich der WfbM gehören neben dem eigentlichen Arbeitsbereich auch das Eingangsverfahren und der Berufsbildungsbereich gem. § 40 SGB IX. Aufgabe des Eingangsverfahrens ist es festzustellen, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Eingliederung des behinderten Menschen in das Arbeitsleben im Sinne des § 136 SGB IX ist, sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche berufsfördernden und ergänzenden Maßnahmen zur Rehabilitation für den behinderten Menschen in Betracht kommen. Das Eingangsverfahren ist zeitlich begrenzt und führt im Ergebnis dazu, dass festgestellt wird, ob der behinderte Mensch in den weitergehenden Berufsbildungsbereich bzw. Arbeitsbereich integriert werden kann. Derartige Aufwendungen können noch dem umsatzsteuerpflichtigen Werkstattbereich zugeordnet werden.

3.3 Förderbetreuungsbereich

Neben dem Werkstattbereich unterhalten die WfbM auch einen sog. Förderbetreuungsbereich (FBB). Anliegen des FBB ist es, mit schwerstbehinderten Menschen mit verschiedenen Zielsetzungen zu arbeiten (z.B. Entwicklung und Förderung motorischer Fähigkeiten, Durchführung kreativer Tätigkeiten) und diese im Sinne einer pflegerischen Grundversorgung zu betreuen.

Höchstes Ziel der Förderung ist der Eingang in den Berufsbildungsbereich/Arbeitsbereich der Werkstatt. Sollte dieses Ziel des Einzelnen nicht erreichbar sein, so ist die individuell gestaltete Förderung, vor allem lebenspraktischer Fähigkeiten, primäres Ziel.

Soweit behinderte Menschen in einem FBB eingegliedert sind, kann eine Zuordnung zum umsatzsteuerpflichtigen Werkstattbereich nicht angenommen werden.

Die im FBB durchgeführten Maßnahmen und Ziele sind nicht unmittelbar darauf gerichtet, umsatzsteuerpflichtige Umsätze auszuführen, sondern allenfalls mittelbar. Hauptzweck ist, den behinderten Menschen zu betreuen. Eine dem Eingangsverfahren vergleichbare Einrichtung liegt nicht vor. Entsprechend den Regelungen in § 136 Abs. 3 SGB IX können behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer WfbM nicht erfüllen, in Einrichtungen oder Gruppen betreut oder gefördert werden. Diese Einrichtung ist zwar der WfbM angegliedert, jedoch nicht in der Weise, dass Betreuungsleistungen nur Mittel zum Zweck zur Erzielung von umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen sind. Vielmehr steht hier die gem. § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreite Betreuung des behinderten Menschen im Vordergrund, unabhängig davon, ob Ziel der Maßnahme ist, den behinderten Menschen in den Arbeitsprozess der WfbM einzugliedern. Die Vorsteuern können insoweit auch nicht als sog. Vorbereitungshandlungen für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit in der WfbM angesehen werden, sondern sind originär dem steuerfreien Betreuungsbereich zuzuordnen.

Soweit im grundsätzlich steuerfreien Bereich des FBB umsatzsteuerpflichtige Umsätze durch Einzelmaßnahmen erzielt wurden, stehen dem Verein die mit dieser Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Vorsteuern zu.

OFD Cottbus v. - S 7104 - 0010 - St 243

Fundstelle(n):
MAAAA-82115