BGH Beschluss v. - 5 StR 416/12

Besetzungseinwand im Revisionsverfahren in einer Strafsache: Formelle Anforderungen an die Besetzungsrüge; Mitwirkung bisher beteiligter Richter nach Zurückverweisung gemäß Geschäftsverteilungsplan

Gesetze: § 222b Abs 1 Nr 1 StPO, § 338 Nr 1 Buchst b StPO, § 354 Abs 2 StPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Instanzenzug: Az: 22 KLs 3/12vorgehend Az: 5 StR 402/11 Beschlussvorgehend Az: 23 KLs 11/10

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Rüge, das Gericht sei in der Person des Vorsitzenden nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, ist unzulässig. Dem Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, ob der gemäß § 338 Nr. 1b, §§ 222a, 222b StPO erforderliche Besetzungseinwand rechtzeitig erhoben wurde. Die Formulierung „in der Vernehmung des Angeklagten“ lässt nicht erkennen, ob der Einwand, wie es nach § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO geboten ist, bereits vor Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache angebracht wurde. Die Verfahrenstatsachen sind indessen so vollständig anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber – unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit – vollständig zu entscheiden (vgl. Kuckein in KK, 6. Aufl., § 344 Rn. 39 mwN). Zu den darzulegenden Tatsachen gehört im Fall des § 338 Nr. 1b StPO auch der rechtzeitig erhobene Besetzungseinwand (, NJW 2002, 3717; Kuckein aaO § 338 Rn. 16 und § 344 Rn. 45 mwN).
Der Senat bemerkt allerdings, dass eine Geschäftsverteilung wie die hier vorliegende durchaus geeignet sein kann, die Rüge des § 338 Nr. 1 StPO zu begründen. Zwar ist ein Richter nicht etwa allein deshalb kraft Gesetzes oder wegen Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung des Richteramts in einer vom Revisionsgericht zurückverwiesenen Sache ausgeschlossen, weil er bereits an der aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 628/93, NStZ 1994, 447; vom – 1 StR 438/91, NStZ 1991, 595, und vom – 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336; Urteil vom – 4 StR 261/66, BGHSt 21, 142). Dessen ungeachtet kann sich eine nicht ordnungsgemäße Besetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO daraus ergeben, dass der ihr zugrunde liegende Geschäftsverteilungsplan wegen eines Verstoßes gegen § 354 Abs. 2 StPO rechtswidrig ist (vgl. Kuckein aaO, § 354 Rn. 30). Die Regelung der Zuständigkeit als solche ist – anders als ihre Anwendung – durch das Revisionsgericht nicht nur auf Willkür, sondern in vollem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (, StV 2010, 294). Dabei ist nicht nur das Gebot einer Zuteilung der einzelnen Sachen nach allgemeinen abstrakten Merkmalen (vgl. Diemer in KK, 6. Aufl., § 21e GVG Rn. 11 mwN) zu beachten; es ist auch festzustellen, ob der Geschäftsverteilungsplan mit sonstigen die gerichtliche Zuständigkeit betreffenden gesetzlichen Vorschriften in Einklang steht. Ist aber aufgrund eines Geschäftsverteilungsplans die Bearbeitung vom Revisionsgericht zurückverwiesener Sachen einer bestimmten Strafkammer, ohne dass hierzu eine durch personelle Engpässe oder sonstige besondere Umstände begründete Notwendigkeit bestanden hätte, einer mit solchen Richtern besetzten Strafkammer zugewiesen, die zuvor aufgrund einer anderen Kammerzugehörigkeit regelmäßig an den in Rede stehenden zurückverwiesenen Sachen beteiligt waren, so liegt die Annahme einer rechtswidrigen Umgehung der Vorschrift des § 354 Abs. 2 StPO ausgesprochen nahe (vgl. Kuckein aaO). Deren Ziel ist es zu gewährleisten, dass eine vom Revisionsgericht zurückverwiesene Sache jedenfalls in der Regel von anderen Richtern bearbeitet wird (, BGHSt 24, 336), um so den Anschein der Voreingenommenheit zu vermeiden, der entstehen könnte, wenn stets dieselben Richter, die an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, auch gehalten wären, über die zurückverwiesene Sache zu entscheiden (Kuckein aaO, Rn. 29). Zwar hat der Gesetzgeber insofern bewusst in Kauf genommen, dass im Einzelfall an der neuen Entscheidung auch ein Richter mitwirkt, der schon an der aufgehobenen Entscheidung beteiligt war (BGH aaO). Durch eine Geschäftsverteilung, die dies zur Regel macht und so in die Beteiligung eines bereits an der aufgehobenen Entscheidung mitwirkenden Richters an den zurückverwiesenen Verfahren einer Strafkammer einmündet, wird indessen der Regelungsgehalt des § 354 Abs. 2 StPO bezogen auf Verfahren der betroffenen Strafkammer vollständig ausgehöhlt.
Basdorf                         Schaal                            Dölp
                  König                          Bellay

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Fundstelle(n):
MAAAI-11024