BGH Beschluss v. - IX ZB 263/10

Insolvenzverfahren: Massezugehörigkeit eines Entschädigungsanspruchs wegen rechtsstaatswidriger Strafverurteilung und zu Unrecht erlittener Haft in der ehemaligen DDR

Gesetze: § 35 Abs 1 InsO, § 36 Abs 1 InsO, § 17 StrRehaG

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 T 930/10vorgehend AG Cloppenburg Az: 9 IK 81/05

Gründe

I.

1In dem am eröffneten Insolvenzverfahren hat das Insolvenzgericht dem Schuldner nach Durchführung des Schlusstermins mit Beschluss vom die Restschuldbefreiung angekündigt und das Verfahren mit Beschluss vom aufgehoben. Während der Abtretungszeit hat das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Bescheid vom dem Schuldner für zu Unrecht erlittene Haft in der Zeit vom bis gemäß § 17 StrRehaG einschließlich nach § 6 StrRehaG erstatteter Kosten eine Entschädigung von 7.993,52 € zuerkannt.

2Das Insolvenzgericht hat die Nachtragsverteilung über diesen Betrag angeordnet. Die von dem Schuldner dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner die Aufhebung der Nachtragsverteilungsanordnung und die Auskehrung des an den Treuhänder überwiesenen Betrages an sich erreichen.

II.

3Die gemäß §§ 6, 7, 204 Abs. 2 Satz 1 InsO in Verbindung mit Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

41. Die von der Rechtsbeschwerde für grundsätzlich gehaltene Frage, ob ein Anspruch aus § 17 StrRehaG als pfändbarer Bestandteil des Vermögens des Schuldners in die Insolvenzmasse fällt, oder aufgrund seiner Unpfändbarkeit an den Schuldner ausgekehrt werden muss, ist geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein dem Schuldner wegen rechtsstaatswidriger Strafverurteilung und zu Unrecht in der ehemaligen DDR erlittener Haft gemäß § 17 StrRehaG zuerkannter Entschädigungsanspruch pfändbar und gehört deshalb in die Insolvenzmasse (, ZInsO 2012, 147 Rn. 4). Entsprechend dieser nach Begründung der Rechtsbeschwerde in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Entscheidung gehörte der dem Schuldner zuerkannte Betrag zur Insolvenzmasse, so dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom eine Nachtragsverteilung des am festgesetzten Betrages anzuordnen war. Eine Gestaltung, in der eine Beschränkung der Pfändbarkeit unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung in Betracht kommt, weil der für rechtsstaatswidrige Maßnahmen verantwortliche Staat wegen eigener Forderungen auf die dem Schuldner gewährte Entschädigung zuzugreifen sucht (vgl. , WM 2011, 1141 Rn. 8 ff), liegt nicht vor.

52. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Entscheidung des Beschwerdegerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, weil sie davon ausgehe, dass ungeachtet der während des eröffneten Insolvenzverfahrens noch ausstehenden Festsetzung der Entschädigung der nachträglich durch das Thüringer Landesverwaltungsamt festgesetzte Betrag in die Insolvenzmasse falle, geht fehl. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Begründung einer Forderung im Sinne des Insolvenzrechts dann auszugehen, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben (vgl. , NZI 2011, 953 Rn. 3 mwN). Gemäß dieser Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob der Entschädigungsanspruch des Schuldners schon vor oder während des Insolvenzverfahrens festgesetzt worden ist. Vielmehr ist entscheidend, dass der Schuldner diesen Anspruch ab Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht vom (BGBl. I S. 1814) hätte geltend machen können. Ab Inkrafttreten dieses Gesetzes gehörte der Anspruch zum Vermögen des Schuldners.

Kayser                                  Raebel                                  Lohmann

                       Pape                                 Möhring

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
CAAAI-10239