Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug: Zuständige Strafvollstreckungskammer für die Entscheidungen im Rahmen der Führungsaufsicht
Gesetze: § 462a Abs 1 S 1 StPO, § 68a StGB, § 68b StGB, § 68c StGB, § 68f Abs 1 StGB, § 68f Abs 2 StGB, § 54 Abs 2 StVollstrO
Gründe
I.
1Das Landgericht Wuppertal hat am gegen den Verurteilten eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Nach Vollstreckung der Maßregel in den Rheinischen Kliniken Köln hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln am die Unterbringung für erledigt erklärt, den Eintritt von Führungsaufsicht festgestellt und deren Dauer auf fünf Jahre festgesetzt. Zur Verbüßung des Strafrestes von 420 Tagen wurde der Verurteilte zunächst am in die Justizvollzugsanstalt Siegburg verlegt, woraufhin die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn die Überwachung der Führungsaufsicht übernommen hat. Am wurde der Verurteilte schließlich in die Justizvollzugsanstalt Hövelhof überstellt, ohne dass eine Abgabe der Überwachung der Führungsaufsicht von der Strafvollstreckungskammer Bonn an die nunmehr zuständig gewordene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn erfolgt ist. Nach vollständiger Strafverbüßung wurde der Verurteilte am entlassen, woraufhin dieser Wohnsitz in Dortmund nahm. Eine Entscheidung über die Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 2 StGB war weder zum Entlassungszeitpunkt noch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen worden.
2Mit Schreiben vom hat die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Dortmund die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn gebeten, eine noch von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln erteilte Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Ziff. 7 StGB zu spezifizieren. Das Landgericht Bonn hat daraufhin mit Beschluss vom die Übernahme der Führungsaufsicht der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn angedient. Diese hat am die Übernahme abgelehnt, weil sich der Verurteilte zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei ihr am bereits in anderer Sache seit dem in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum befunden habe. Nachdem auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum eine Übernahme abgelehnt hatte, hat sich das Landgericht Paderborn mit Beschluss vom erneut für unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm gemäß § 14 StPO vorgelegt. Dieses hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt, weil der negative Zuständigkeitsstreit zwischen den Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Bonn und Paderborn und damit zwischen Gerichten unterschiedlicher Oberlandesgerichtsbezirke geführt werde. Deshalb sei die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs als gemeinschaftliches oberes Gericht gegeben.
II.
3Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn.
4Mit Entlassung des Verurteilten am nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten ist gemäß § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eine - neue - Führungsaufsicht eingetreten. Gleichzeitig endete gemäß § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB die bisherige vom Landgericht Köln am gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB festgestellte Führungsaufsicht, dessen Überwachung die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn übernommen hatte (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2012, 159).
5Zuständig für die zum Entlassungszeitpunkt gemäß § 68 f Abs. 2 StGB von Amts wegen zu treffende Entscheidung, ob die nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt sowie für die nach §§ 68 a-c StGB zu treffenden Entscheidungen ist die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate vor Vollzugsende einsitzt, hier also diejenige des Landgerichts Paderborn, und zwar gleichgültig, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl., § 68f Rn. 10 m.w.N.; § 54a Abs. 2 StVollstrO). Die nach alledem örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn war in dem Moment, als die Entscheidungen nach § 68f Abs. 2, §§ 68 a-c StGB anstanden, mit der Sache "befasst" im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO. Das "Befasstsein" endet ungeachtet der zwischenzeitlichen Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Bochum erst, wenn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn in der Sache abschließend entschieden hat (Appl in KK, StPO 6. Aufl., § 462a Rn. 18 f., 23).
6Erst danach geht die Zuständigkeit für die weitere Überwachung der Führungsaufsicht auf diejenige Strafvollstreckungskammer über, in deren Bezirk der Verurteilte zur Verbüßung von Strafhaft in anderer Sache aufgenommen ist (BGH NStZ-RR 2004, 124).
Ernemann Appl Berger
Eschelbach Ott
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ZAAAI-09930