Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Abstrakte Gefährdung des Geschädigten innerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes als Tatbestandsmerkmal
Gesetze: § 315b StGB
Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 31 Ks 400 Js 252/10 - 13/10 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Maßregel gemäß §§ 69, 69a und b StGB angeordnet.
I.
2Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
31. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen des Schlages mit dem ausgeklappten Fahrzeugschlüssel gegen den Hinterkopf des Geschädigten Klaus T. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) verurteilt hat, hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
42. Hingegen begegnet die Verurteilung wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da die Urteilsfeststellungen die von § 315b StGB vorausgesetzte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht belegen.
5a) Geschütztes Rechtsgut der Bestimmung des § 315b StGB ist die Sicherheit des Straßenverkehrs. Sie bezieht sich nur auf den öffentlichen Verkehrsraum. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist daher, dass durch die Tathandlung in den Verkehr auf solchen Wegen und Plätzen eingegriffen worden ist, die - mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Verfügungsberechtigten und ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse oder eine verwaltungsrechtliche Widmung - jedermann oder allgemein bestimmten Gruppen dauernd oder vorübergehend zur Benutzung offen stehen und auch in dieser Weise benutzt werden (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom - 4 StR 6/61, BGHSt 16, 7, 9 f.; Senatsurteil vom - 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129). Jedoch erfüllt nicht jede Tathandlung, die vom öffentlichen Straßenraum ausgeht, den objektiven Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Zwar wird die Anwendbarkeit der Strafvorschrift des § 315b StGB nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die konkrete Gefahr oder gar der Schaden außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums eintritt, etwa, wenn der Täter sein Opfer bereits von der öffentlichen Straße aus mit dem Fahrzeug verfolgt, aber erst außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums erfasst. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich das Opfer in dem Zeitpunkt, in dem der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes der Straßenverkehrsgefährdung durch zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs als Waffe oder Schadenswerkzeug unmittelbar ansetzt, noch im öffentlichen Raum befindet, die abstrakte Gefahr also noch im öffentlichen Verkehrsraum entsteht. Hält sich das Opfer zu diesem Zeitpunkt außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums auf, fehlt es an einer Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit an einer tatbestandlichen Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 315b StGB (Senatsbeschluss vom - 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625 = DAR 2004, 529 m. zust. Anm. König DAR 2004, 656, jeweils m.w.N.; SSW-StGB/Ernemann § 315b Rn. 9 m.w.N.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 315b StGB Rn. 3). So liegt es hier.
6b) Nach den Feststellungen befindet sich das Bürogebäude der geschädigten Firma K. im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Gebäudes mit einem der Straßenseite abgewandten Eingang, der aus einer zweiflügeligen Glastür mit einer vorgebauten Betonstufe besteht. Zum Tatzeitpunkt hatte der Angeklagte das Mietfahrzeug, das er bei der Firma K. zurückgeben wollte, auf dem durch eine unverschlossene Zufahrt erreichbaren gepflasterten Hof vor dem Eingangsbereich des Büros abgestellt. Als er beschloss, sich für die ihm seitens der Beschäftigten der Firma K. widerfahrene, als ungerecht empfundene Behandlung zu rächen und das Bürogebäude mit dem als Rammbock eingesetzten Fahrzeug zu zerstören, befanden sich die beiden später verletzten Angestellten der Autovermietung, die Zeugin Ko. und der Zeuge S., außen „unmittelbar vor der Glastür“, mithin auf der Betonstufe vor der Tür.
7Danach befand sich zwar der Angeklagte zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung im öffentlichen Verkehrsraum, nämlich auf einem für einen unbestimmten Personenkreis allgemein zugänglichen Kunden- und Besucherparkplatz eines mehrstöckigen Gebäudes (vgl. dazu Senatsurteil vom aaO), nicht aber die Geschädigten, die auf der unmittelbar zum Eingangsbereich des Büros der Firma K. gehörenden Treppenstufe standen. Schon wegen des Höhenunterschiedes zu dem vorgelagerten Parkplatz rechnete diese Stufe, die den Zugang zu den Büroräumen der Firma K. ermöglichte und an der nach den Urteilsfeststellungen der erste Zufahrtversuch des Angeklagten scheiterte, nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum.
83. Infolge der Änderung des Schuldspruchs können die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die zugleich die Einsatzstrafe bildet, sowie die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.
II.
9Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück, da das Verfahren nunmehr keine Straftat im Sinne des § 74 Abs. 2 GVG zum Gegenstand hat.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin
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MAAAI-08718