Verständigung im Strafverfahren bei zweifelhafter Schuldfähigkeit; Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers
Gesetze: § 140 StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 257c Abs 2 S 3 StPO
Instanzenzug: Az: (510) 223 Js 1082/10 KLs (7/11) Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten – nach einer Verständigung – wegen schweren Raubes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg.
2Mit der in der Revisionsbegründung enthaltenen zutreffenden inhaltlichen Wiedergabe der Mitteilung des Angeklagten, er leide an Schizophrenie und benötige Medikamente, in seiner verantwortlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hier als erfüllt anzusehen. Ob der Revisionsrechtfertigung auch eine Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO zu entnehmen wäre, bedarf danach keiner Vertiefung.
3Die Aufklärungsrüge ist offensichtlich begründet. Die Strafkammer war nach der letztgenannten Vorschrift wegen der zweifelhaften Schuldfähigkeit des Angeklagten und einer im Raum stehenden Maßregel nach § 63 StGB an einer Verständigung – nicht anders als auch die Staatsanwaltschaft – gehindert. Es musste sich ihr aufgrund der eigenen, in die Anklageschrift aufgenommenen Hinweise des Angeklagten auf eine schwere psychische Erkrankung aufdrängen, ihn zur Frage der Schuldfähigkeit begutachten zu lassen. Dass das Tatbild der dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen auf den ersten Blick eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit nicht nahelegt, ändert hieran angesichts des begründeten massiven Krankheitsverdachts nichts.
4Die Rüge muss angesichts der alleinigen Beweisgrundlage des Geständnisses eines möglicherweise Geisteskranken zur umfassenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Das neue Tatgericht wird zu erwägen haben, ob dem Angeklagten ein neuer Verteidiger zu bestellen ist, nachdem der bisherige sich auf die vom Gericht initiierte grob sachwidrige Verständigung eingelassen hat. Die Erwägung, dass der Verteidiger womöglich zum vermeintlich Besten seines Mandanten handeln wollte, indem er ihm einen unbefristeten Freiheitsentzug infolge einer Unterbringung nach § 63 StGB zu ersparen suchte, verbietet sich angesichts der jetzt durchgeführten Revision (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
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QAAAI-08358