§ 32 EStG; Berücksichtigung eigener Einkünfte und Bezüge eines Kindes bei der Gewährung eines Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 4 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2002; Änderung der Vorschrift durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung
Durch das zweite Gesetz zur Familienförderung vom (II. FamFördG - BStBl 2001 I S. 533) wurde § 32 Abs. 4 EStG geändert. Die Änderungen sind am in Kraft getreten.
Aufgrund der in der Bezugsverfügung dargestellten Rechtsprechung des BFH ist unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 wie folgt zu verfahren:
1. Ein Kind wird nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG nur berücksichtigt, wenn dessen Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten (für 2002 und 2003: 7.188 €, für 2004: 7.428 € und ab 2005: 7.680 € - § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m § 52 Abs. 40 Satz 3 EStG i.d.F. des Flutopfersolidaritätsgesetzes vom , BStBl 2002 I S. 865). Ab dem Veranlagungszeitraum 2002 hat der Gesetzgeber außerdem ausdrücklich geregelt, dass zu den Bezügen auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Abs. 4, 17 Abs. 3 und 18 Abs. 3 EStG, die nach § 19 Abs. 2 EStG (Versorgungsfreibetrag), § 20 Abs. 4 EStG (Sparerfreibetrag) steuerfrei bleibenden Einkünfte, sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absefzungen für Abnutzung nach § 7 EStG übersteigen, gehören (§ 32 Abs. 4 Satz 4 i.d.F. II. FamFördG).
Beispiel:
Das in Berufsausbildung befindliche 22-jährige Kind erzielt im Kalenderjahr 2002 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.000 € und Zinseinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 2.000 €. Die Werbungskosten übersteigen die Pauschbeträge nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG nicht.
Ermittlung der schädlichen Einkünfte und Bezüge:
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Einnahmen
aus nichtselbständiger Arbeit | 7.000 € | ||
- | Arbeitnehmer-Pauschbetrag | 1.044 € | |
= | schädliche
Einkünfte | 5.956 € | 5.956 € |
Einnahmen
aus Kapitalvermögen | 2.000 € | ||
- | Werbungskosten-Pauschbetrag
51 € | ||
- | Sparer-Freibetrag nach
§ 20 Abs. 4
EStG | 1.550 € | |
= | schädliche
Einkünfte | 399 € | 399 € |
Durch den
Sparer-Freibetrag steuerfrei bleibende Kapitaleinnahmen | 1.550 € | ||
- | Kostenpauschale nach
R 190 Abs. 5 Satz 2 EStR
2001 |
180 € | |
= | schädliche Bezüge | 1.370 € | 1.370 € |
Summe der
schädlichen Einkünfte und Bezüge | 7.725 € |
Der Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.188 € ist somit überschritten, so dass das Kind nicht zu berücksichtigen ist.
Zu den Bezügen gehören auch die steuerfreien Beträge des Halbeinkünfteverfahrens i.S.v. § 3 Nr. 40 EStG abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen gem. § 3 c Abs. 2 EStG.
2. Der Jahresgrenzbetrag ermäßigt sich für jeden Monat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG an keinem Tag vorliegen (= Kürzungsmonate), um ein Zwölftel. Aufgrund des sich ändernden Wortlauts des § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG i.d.F. II. FamFördG sind Monate, in denen die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG nicht an jedem Tag vorliegen, zukünftig nicht mehr den Kürzungsmonaten zuzurechnen (entgegen , BStBl 2000 II S. 462).
Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf den Zeitraum entfallen, in dem nicht die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG erfüllt sind, bleiben bei der Berechnung der maßgeblichen Grenze außer Betracht. Bei Monaten, in denen die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nur zum Teil vorliegen, sind die Einkünfte und Bezüge zukünftig insoweit anzusetzen, als sie auf diesen Teil entfallen (§ 32 Abs. 4 Satz 6 i.d.F. II. FamFördG).
Beispiel:
Das 20-jährige Kind beendet am die Ausbildung. Am wird es vom Ausbildungsbetrieb als Arbeitnehmer übermommen. Während der Lehrzeit erhielt es monatlich 500 €. Als Arbeitnehmer hat das Kind einen Anspruch auf 1.500 € monatlich. Die Werbungskosten überschreiten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG nicht.
Der Monat Juli, in dem der Wechsel von der Berufsausbildung in die Berufausübung vollzogen wird, gehört nicht zu den Kürzungsmonaten, da hier die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG zum Teil erfüllt sind. Die Monate August bis Dezember gehören dagegen zu den Kürzungsmonaten, da hier die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG an keinem. Tag erfüllt sind. Der Jahresgrenzbetrag reduziert sich somit um 2.995 € (= 5/12 von 7.188 €) auf 4.193 €. Die Einkünfte, die auf die Kürzungsmonate entfallen bleiben gem. § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG außer Ansatz. Die Einkünfte des Wechselmonats müssen jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie auf den Zeitraum der Berufsausbildung entfallen (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG). Die Einkünfte im Wechselmonat sind daher „taggenau“ zu berechnen, der Arbeitnehmer-Pauschbetrag ist jedoch monatsweise zu gewähren (H 180e Aufteilung der eigenen Einkünfte und Bezüge EStH). Es ergibt sich somit folgende Berechnung:
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Januar bis Juni
6 × 500 € Lehrgeld | 3.000 € | ||
+ | Juli ½ Lehrgeld
500 € | 250 € | |
= | Summe der Einnahmen | 3.250 € | |
- | anteiliger Arbeitnehmer-Pauschbetrag 7/12 von
1.044 € | 609 € | |
= | Einkünfte des Zeitraums Januar bis
Juli | 2.641 € |
Der Grenzbetrag in Höhe von 4.193 € ist somit nicht überschritten und das Kind ist in den Monaten Januar bis Juli als Kind zu berücksichtigen.
Dies gilt entsprechend für Monate, in denen das Kind von anderen Tatbeständen des § 32 Abs. 4 EStG (z.B. Arbeitslosigkeit) in den Beruf wechselt.
Wechselmonate i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG liegen nicht vor, wenn eine lückenlose Kinderberücksichtigung aufgrund mehrerer voneinander unabhängiger Tatbestände (Arbeitslosigkeit, Ausbildung, Übergangszeit i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 26b EStG) möglich ist.
Beispiel:
20-jähriges Kind beendet am 03.03. seine Ausbildung, ist vom 20.03. bis zum 15.05. arbeitslos gemeldet, arbeitet danach vom 16.05. bis zum 20.08. und beginnt am 25.08. eine weitere Ausbildung.
Während des ganzen Jahres kann das Kind berücksichtigt werden, und zwar als in der Ausbildung befindlich von Januar bis März sowie von August bis Dezember und als Kind in einer Übergangszeit von April bis Juli.
3. Der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG umfasst die Kosten für die Lebensführung eines Kindes, nicht dagegen einen Ausbildungsmehrbedarf (besondere Ausbildungskosten). Besondere Ausbildungskosten eines Kindes sind Aufwendungen, die bei einer Einkünfteermittlung dem Grunde und der Höhe nach als Werbungskosten abzuziehen wären. Sie sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des II. FamFördG von den Einkünften und Bezügen eines Kindes unabhängig davon abzuziehen, ob sie durch Einkünfte oder Bezüge finanziert werden ( BStBl 2001 II S. 491, siehe hierzu auch H 180e <Besondere Ausbildungskosten des Kindes> EStH 2001). Die Ermittlung hat nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen zu erfolgen, so dass z.B. bei Fahrtkosten auch die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuwenden ist. Nicht zu den besonderen Ausbildungskosten gehören die mit einer doppelten Haushaltsführung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung (sofern nicht schon bei der Einkünfteermittlung berücksichtigt). Diese durch auswärtige Unterbringung erhöhten Lebensführungskosten wurden bereits bei der Bernessung des Grenzbetrages (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) berücksichtigt ( BStBl 2002 II S. 695).
Beispiel:
Das ganzjährig studierende Kind erzielt in 2002 aus einem Nebenjob Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 9.000 €. Die Werbungskosten überschreiten den Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG nicht. Die Aufwendungen für das Studium (Fahrtkosten, Arbeitsmittel, Bücher) betragen 900 €.
Ermittlung der schädlichen Einkünfte:
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Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit | 9.000 € | ||
- | Arbeitnehmer-Pauschbetrag | 1.044 € | |
= | Einkünfte | 7.956 € | |
- | besondere
Ausbildungskosten | 900 € | |
= | schädliche
Einkünfte | 7.056 € |
Der Grenzbetrag in Höhe von 7.188 € wird somit nicht überschritten, so dass das Kind zu berücksichtigen ist.
4. Sonderzuwendungen (d.h. nicht monatlich gezahlte Einkünfte und Bezüge, z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld), die während der Berufsausbildung zufließen, entfallen aufgrund wirtschaftlicher Zurechnung zeitanteilig auf alle Ausbildungsmonate. Fließt eine Sonderzuwendung zu einem Zeitpunkt zu, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht vorliegen, ist sie nicht in die Einkünfte und Bezüge des Kindes einzubeziehen (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. II. FamFördG).
Beispiel 1:
Das Kind befindet sich das gesamte Jahr über in einer Ausbildung und vollendet im Juni das 18. Lebensjahr. Es erhält im Juli Urlaubsgeld und im Dezember Weihnachtsgeld.
Anspruchszeitraum ist wegen § 32 Abs. 4 EStG lediglich der Zeitraum Juli bis Dezember. Die Monate Januar bis Juni sind Kürzungsmonate, da ein Anspruch nach § 32 Abs. 3 EStG besteht (noch nicht volljährig). Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld werden folglich nur zur Hälfte berücksichtigt.
Beispiel 2:
Das 20-jährige Kind beendet am 05.07. seine Ausbildung und wird im Anschluss als Arbeitnehmer übernommen. Am 15.07. erhält es Urlaubsgeld.
Kürzungsmonate sind die Monate August bis Dezember. Eine Anrechnung kommt jedoch nicht in Betracht, da die Sonderzuwendung zu einem Zeitpunkt ausgezahlt wird, in welchem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG nicht mehr vorliegen.
OFD Frankfurt am Main v. - S 2282 A - 22 - St II 23
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BAAAA-81715