Umsatzsteuer | Grenzüberschreitender Apothekenrabatt (BFH)
Der Unternehmer kann für eine in
einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen
(;
veröffentlicht am ).
Hintergrund: Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt (); s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.3.2021).
Sachverhalt: Streitig ist, ob die Klägerin aus der Gewährung von Aufwandsentschädigungen, die sie anlässlich der Lieferung verschreibungspflichtiger Arzneimittel an gesetzlich krankenversicherte Personen (Kassenversicherte) im Jahr 2013 (Streitjahr) gewährte, zu einer Entgeltminderung berechtigt ist. Die Entgeltminderung betrifft zwei Fallgestaltungen, die sich dadurch unterscheiden, dass der Kassenversicherte im ersten Fall für den Bezug des verschreibungspflichtigen Arzneimittels zuzahlungsverpflichtet war, während im zweiten Fall eine Befreiung von dieser Zuzahlungspflicht bestand.
Der BFH führte aus:
Gewährt der Unternehmer einem Endverbraucher anlässlich einer ersten Lieferung für eine an ihn erbrachte Leistung eine Aufwandsentschädigung, die der Endverbraucher zum verbilligten Bezug einer Ware vom Unternehmer im Rahmen einer zweiten Lieferung verwendet, setzt sich die Bemessungsgrundlage für die zweite Lieferung aus der (um die Aufwandsentschädigung verminderten) Zahlung und dem Betrag der Aufwandsentschädigung zusammen.
Dem Urteil liegt das „Firma Z“ zugrunde. Die Entscheidung betrifft die Besonderheiten der in den vergangenen Jahren immer bedeutsamer gewordenen Lieferbeziehungen bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente von Apotheken aus dem EU-Ausland an gesetzlich versicherte Patienten im Inland, wobei es insbesondere um Rabatte geht, die den Patienten gewährt werden.
Bei der Abgabe der Medikamente an gesetzlich Versicherte kommt es zu einer Kette von zwei Lieferungen. Die Klägerin hat die Arzneimittel zwar auf sozialversicherungsrechtlicher Grundlage unmittelbar an die Patienten abgegeben, das für die Besteuerung maßgebliche Rechtsverhältnis bestand aber nicht zu den Patienten, sondern zwischen der Klägerin und den gesetzlichen Krankenkassen. Aufgrund des Beginns der Versendung der an die gesetzlichen Krankenkassen ausgeführten Lieferungen in den Niederlanden liegt im Inland (Deutschland) kein steuerpflichtiger Umsatz vor, dessen Steuerbemessungsgrundlage im Inland gemindert werden könnte. In den Niederlanden sind demgegenüber die an die gesetzlichen Krankenkassen ausgeführten Umsätze dort als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.
Der BFH hat in seinem etwas kompliziert gedacht und ist davon ausgegangen, dass die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und der steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerb gemeinsam den innergemeinschaftlichen Umsatz bilden, durch den die Besteuerung aus dem Abgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat verlagert wird. Das würde die Frage aufwerfen, ob nicht die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in den Niederlanden im Hinblick auf den Versand des gelieferten Gegenstandes in das Inland einem im Inland steuerpflichtigen Umsatz gleichzustellen sei, weil damit eine Gleichbehandlung von Binnenmarkt- und Inlandsumsätzen gewährleistet wäre, so dass dem lediglich rechtstechnischen Element eines dazwischengeschalteten innergemeinschaftlichen Umsatzes zur Verlagerung der Besteuerungshoheit zwischen den Mitgliedstaaten keine entscheidende Bedeutung zukäme. Als Vergleichsmaßstab hat der BFH damit gewissermaßen einen echten Binnenmarkt fingiert, in dem die von der Klägerin ausgeführten Lieferungen wie Inlandslieferungen zu behandeln wären, so dass es aufgrund einer Entgeltminderung zu einer Steuerberichtigung käme.
Der EuGH ist in seinem Urteil „Firma Z“ () demgegenüber entschieden, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt. Der EuGH ist dabei etwas schlichter als der BFH, aber durchaus folgerichtig, davon ausgegangen, dass eine Steuerbemessungsgrundlage, die es gar nicht gibt, auch nicht gemindert werden kann. Das überzeugt, denn die Klägerin hat bei Licht betrachtet, im Inland (Deutschland) eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für Lieferungen gefordert, die weder im Inland noch im Abgangsmitgliedstaat, den Niederlanden, steuerpflichtig sind.
Mit seinem Urteil vom 18.11.2021 - V R 4/21 (V R 41/17) setzt der BFH nun das EuGH-Urteil „Firma Z“ um.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
TAAAI-05496