BGH Beschluss v. - StB 35/21

Pflichtverteidigerbestellung: Ablehnungsgrund fehlender Verfügbarkeit des Wunschverteidigers

Gesetze: § 142 Abs 5 S 3 StPO, Art 1 Nr 9 NotwVertNRG

Gründe

I.

1Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt unter anderem gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats des Oberlandesgerichts hat durch Beschluss vom den Antrag des Angeklagten abgelehnt, ihm Rechtsanwalt S.   aus E.    als Pflichtverteidiger und Rechtsanwalt R.     aus E.    als zusätzlichen Pflichtverteidiger beizuordnen. Stattdessen hat der Vorsitzende Rechtsanwalt P.    aus D.       als Pflichtverteidiger bestellt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner ʺBeschwerdeʺ gegen die Ablehnung des Antrags auf Beiordnung von Rechtsanwalt S.    .

II.

2Die als sofortige Beschwerde des Angeklagten nach § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO auszulegende Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der vom Beschwerdeführer begehrten Bestellung von Rechtsanwalt S.   als Verteidiger steht ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 5 Satz 3 StPO entgegen.

31. Gemäß § 142 Abs. 5 StPO ist dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. Ein innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Ein solcher ist unter anderem dann gegeben, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

4Die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Ver-teidigung vom (BGBl. I S. 2128, 2130) ausdrücklich benannten Ablehnungsgründe der fehlenden oder nicht rechtzeitigen Verfügbarkeit regeln nach Verständnis des Gesetzgebers die Fälle, in denen der Verteidiger zum einen - unter Anknüpfung an die Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage - etwa wegen anderweitiger Termine gar nicht und zum anderen nicht früh genug verfügbar ist. Was nicht rechtzeitig ist, soll sich danach richten, wann die Handlung vorgenommen werden soll, wegen derer seine Mitwirkung erforderlich ist. Eine kurze Wartezeit soll insoweit einzuräumen sein, ein Anspruch auf Verschiebung hingegen nicht bestehen (s. BT-Drucks. 19/13829 S. 42 f.).

5Bereits zuvor war in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vorsitzender den Antrag auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts zurückweisen darf, wenn dieser an geplanten Terminen nicht teilnehmen kann, die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes mit Blick auf inhaftierte Mitangeklagte geboten sind (s. , NStZ 2006, 460, 461; vgl. auch , BayVBl. 2009, 185 Rn. 10 ff.; , juris Rn. 57 ff.; Beschluss vom - 3 StR 465/06, juris).

62. Nach diesen Maßstäben stand Rechtsanwalt S.    für die Haupt-verhandlung nicht zur Verfügung.

7Die Anklage richtet sich gegen den Angeklagten und drei Mitangeklagte, von denen sich einer nach mehrmonatiger Auslieferungshaft seit dem in Untersuchungshaft befindet. Der Vorsitzende des Oberlandesgerichts hat mit Verfügung vom sämtliche Verteidiger gebeten, in einer vorbereiteten tabellarischen Übersicht ihre Verfügbarkeit an dreißig Terminen zwischen dem 26. Oktober und mitzuteilen sowie etwaige Verhinderungsgründe konkret zu benennen. Rechtsanwalt S.    hat lediglich drei Termine als ihm möglich markiert. Der Vorsitzende hat an dem Tag, an dem auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Beiordnung von Rechtsanwalt P.    als Pflichtverteidiger entschieden worden ist, 15 Haupt-verhandlungstermine ab dem bestimmt. An zwei dieser Termine kann Rechtsanwalt S.     laut seiner Mitteilung teilnehmen.

8Damit scheidet eine Verteidigung des Angeklagten durch Rechtsanwalt S.    aus. Dies gilt bereits deshalb, weil er innerhalb des für die Haupt-verhandlung vorläufig vorgesehenen Zeitraums lediglich an drei Tagen verfügbar ist und der Vorsitzende, dem die Terminierung obliegt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - StB 34/20, StV 2021, 144 Rn. 5; vom - StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 18), ersichtlich mehr Terminstage für erforderlich hält. Dabei ist nicht mehr entscheidend, dass die dem Verteidiger möglichen Tage nicht einmal in einem die Höchstdauer der Unterbrechung nach § 229 Abs. 1 StPO wahrenden Zeitraum lägen. Die vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte Durchführung der Hauptverhandlung ab Januar 2022 kommt nicht in Betracht, da sich ein Mitangeklagter in Untersuchungshaft befindet und sich diese dadurch ohne sonstigen Grund um mehr als zwei Monate verlängerte.

93. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, Rechtsanwalt R.     nicht als (weiteren) Pflichtverteidiger zu bestellen, wird mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen. Der in der Beschwerdeschrift ausformulierte Antrag bezieht sich allein auf die Beiordnung von Rechtsanwalt S.    . Auch losgelöst von dieser ausdrücklichen Angriffsrichtung (vgl. zur Auslegung einer Rechtsmittelerklärung , BGHSt 29, 359, 365) zielt die Beschwerdebegründung - selbst unter Beachtung der abschließenden Er-wähnung von Rechtsanwalt R.      - auf eine Bestellung von Rechtsanwalt S.    als Pflichtverteidiger ab.

Schäfer                  Wimmer                 Anstötz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:181121BSTB35.21.0

Fundstelle(n):
OAAAI-05343