Online-Nachricht - Donnerstag, 24.02.2022

Verfahrensrecht | Zulässigkeit einer nur von einem Ehegatten erhobenen Klage bei Zusammenveranlagung (BFH)

Erhebt im Falle einer Zusammenveranlagung nur ein Ehegatte Klage gegen den Einkommensteuerbescheid und wird der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig, kann dem klagenden Ehegatten nicht allein deswegen die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, weil die festgesetzte Steuer schon entrichtet ist und ein Aufteilungsbescheid gemäß § 269 Abs. 2 Satz 2 AO nicht mehr beantragt werden kann (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen.

Sachverhalt: Streitig ist, ob eine ausschließlich von einem Ehegatten erhobene Klage gegen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 bis 2016, in denen der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden ist, zulässig ist. Das FG der ersten Instanz hatte die Klage abgewiesen (). Dem folgte der BFH nicht.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die gegenüber der Ehefrau bestandskräftig gewordene Einkommensteuerfestsetzung führt nicht dazu, dass der Kläger in Bezug auf die ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen nicht mehr klagebefugt ist.

  • Eine Klagebefugnis ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungs¬weise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (z.B. BFH-Urteile v - VII R 36/06, BFHE 218, 458, und vom - VII R 116/82, BStBl II 1987, 346).

  • Danach ist die Klagebefugnis des Klägers gegeben, denn dieser macht geltend, die Einkommensteuer sei in den Streitjahren aufgrund des unzutreffenden Ansatzes seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen rechtswidrig zu hoch festgesetzt worden, wodurch er in seinen Rechten verletzt werde.

  • Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Kläger angestrebte Minderung der Einkommensteuer offensichtlich und von vorneherein ausscheidet, liegen nicht vor.

  • Die Klagebefugnis des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil wie das FG meint die gegenüber der Ehefrau des Klägers ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen bereits bestandskräftig geworden sind und der Kläger für die hieraus resultierende Einkommensteuer gesamtschuldnerisch nach § 44 Abs. 1 AO haftet.

  • Denn ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger und seine Ehefrau gemäß § 26b EStG gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden, bleiben sie verfahrensrechtlich unterschiedliche Rechtssubjekte. Steuerschuldner i.S. des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO und Adressat der Einkommensteuerfestsetzung ist jeder Ehegatte für sich.

  • Ob eine Verletzung eigener Rechte i.S. des § 40 Abs. 2 FGO möglich erscheint, beurteilt sich daher allein nach der gegenüber dem jeweiligen Ehegatten hier dem Kläger festgesetzten Einkommensteuer, bei der es sich insoweit um einen verfahrensrechtlich selbständigen Steuerverwaltungsakt handelt.

  • Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Klagebefugnis entfällt, wenn eine geänderte Einkünfteaufteilung zwischen zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten keine steuerrechtliche Auswirkung mehr haben kann, weil ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr in Betracht kommt (vgl. hierzu u.a. , BStBl II 1979, 26).

  • Denn die Zuerkennung der Klagebefugnis beruht in einem solchen Fall darauf, dass der Ehegatte bei einer Aufteilung der Einkommensteuerschuld nach §§ 268 ff. AO allein durch die fehlerhafte Zurechnung der Einkünfte beschwert sein kann, auch wenn sich dadurch die Höhe der festgesetzten Gesamtsteuerschuld nicht ändert.

  • Dementsprechend kommt es zum Wegfall der Beschwer, wenn eine Aufteilung der Einkommensteuerschuld nicht mehr zulässig ist, weil dann nicht mehr die Möglichkeit besteht, aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuerschuld einen irgendwie denkbaren Nachteil zu erleiden (vgl. , am Ende [Rz 8]).

  • Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Klagebefugnis des allein gegen den Einkommensteuerbescheid klagenden Ehegatten auch dann fehlt, wenn er eine Verminderung der ihm gegenüber festgesetzten Einkommensteuer begehrt und dies damit begründet, dass seine eigenen Einkünfte zu hoch angesetzt worden seien.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
OAAAI-05009