BGH Urteil v. - IX ZR 240/20

Insolvenzanfechtung von Mietzahlungen für eine Photovoltaikanlage durch eine insolvente GmbH: Zahlung in Kenntnis bereits eingetretener Leistungsstörungen

Gesetze: § 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 131 Abs 1 Nr 3 InsO, § 134 Abs 1 InsO, § 271 BGB, § 308 Nr 1 BGB, § 579 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Instanzenzug: Az: 3 U 178/19vorgehend LG Heilbronn Az: Bö 10 O 77/18

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der C.                     GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin und ihre mittlerweile ebenfalls insolvente Muttergesellschaft, die       e.    GmbH (nachfolgend: E.     ), waren im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Die E.     verkaufte einzelne Photovoltaikmodule von Photovoltaikanlagen an Anleger, die Schuldnerin mietete die Anlagen von den Anlegern zurück.

2Die Beklagte schloss im Jahr 2011 einen Kaufvertrag mit der E.    über Photovoltaikmodule auf der Dachfläche eines Gebäudes in L.     und vermietete diese an die Schuldnerin. Sie zahlte im Oktober 2011 den Kaufpreis von 51.729,30 € an die E.   . Im März 2012 teilte ein Vermittler der Beklagten mit, dass es Probleme bei der Anlage in L.     gebe und die Verträge auf eine Anlage in B.    umgeschrieben werden könnten. Daraufhin unterzeichnete die Beklagte am inhaltlich mit dem Kauf- und dem Mietvertrag für die Anlage in L.      übereinstimmende Formularverträge zum Abschluss eines Kauf- und eines Mietvertrags hinsichtlich einer Photovoltaikanlage auf der Dachfläche eines Gebäudes in B.     . Zudem unterzeichnete die Beklagte am eine vorformulierte Erklärung, mit der sie der Schuldnerin die ihr anteilig erwachsenden Ansprüche aus den eingespeisten Stromerträgen gegen den Energieversorger abtrat. Der Kaufvertrag mit der E.    kam am zustande, der Mietvertrag mit der Schuldnerin am .

3Der Kaufvertrag mit der E.    vom umfasste 60 Photovoltaikmodule nebst zugehörigen Bauteilen. Dabei übertrug die E.    der Beklagten zugleich das Nutzungsrecht an der Dachfläche und die Ausübungsbefugnis aus einer ihr von dem Grundstückseigentümer eingeräumten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Ferner verpflichtete sich die E.   zur Herstellung und Errichtung einer betriebsbereiten Photovoltaikanlage aus den veräußerten Modulen.

4Mit Mietvertrag vom (fortan auch MV) gestattete die Beklagte der Schuldnerin die Nutzung und den Gebrauch der erworbenen Photovoltaikmodule gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 301,07 € brutto (vgl. zum Wortlaut des Mietvertrags: , zVb).

5Die Photovoltaikanlagen in L.     und in B.     wurden nicht an das Stromnetz angeschlossen. Die Schuldnerin, welcher der technische Zustand der Anlagen bekannt war, zahlte an die Beklagte vom bis zum jeweils als Mietzins monatlich 301,07 €. Insgesamt erhielt die Beklagte von einem Konto der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von 13.849,22 €.

6Auf einen am eingegangenen Eigenantrag eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger verlangt die an die Beklagte geleisteten Zahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung als unentgeltliche Leistung, hilfsweise bereicherungsrechtlich, zurück.

7Das Landgericht hat der auf Zahlung von 13.849,22 € gerichteten Klage in Höhe von 13.548,15 € - mit Ausnahme eines am von der Schuldnerin gezahlten Betrags in Höhe von 301,07 € - stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

8Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und zur vollständigen Klageabweisung.

I.

9Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte aus Insolvenzanfechtung nach § 134 Abs. 1, § 143 InsO einen Zahlungsanspruch in Höhe von 13.548,15 €. Die Zahlungen der Schuldnerin seien gläubigerbenachteiligend gewesen. Die Schuldnerin habe die ihr von der E.     zur Verfügung gestellten Mittel vor der Auszahlung an die Beklagte zumindest vorübergehend in ihr Vermögen einverleibt. Es habe keine treuhänderische Bindung dieser Mittel vorgelegen.

10Weil die Zahlungen direkt von der Schuldnerin vorgenommen worden seien, liege ein Zweipersonenverhältnis vor. Die Zahlungen seien unentgeltlich im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO, weil die Schuldnerin bewusst auf eine nicht bestehende Verbindlichkeit geleistet habe. Ein Mietzins sei mangels Inbetriebnahme der Photovoltaikanlagen nicht geschuldet gewesen und die Schuldnerin habe von der jeweils fehlenden Inbetriebnahme Kenntnis gehabt. Die als Allgemeinen Geschäftsbedingung der Insolvenzschuldnerin in Nr. 1 Buchst. a MV enthaltene Regelung, wonach das Mietverhältnis auf die Dauer von zehn Jahren ab dem Tag der Inbetriebnahme der Anlage begründet sei, enthalte keine Fälligkeitsregelung nach § 271 BGB, sondern eine Zeitbestimmung gemäß § 163 BGB.

11Nach der für Allgemeine Geschäftsbedingungen maßgeblichen kundenfeindlichen Auslegung von Nr. 1 Buchst. a MV sei unter Inbetriebnahme die Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft sowie das Inbetriebsetzen aufgrund einer bewussten Entscheidung des Anlagenbetreibers zu verstehen. Im Hinblick darauf sei die Zeitbestimmung nicht nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Beklagte sei nach den mietvertraglichen Vereinbarungen Anlagenbetreiberin gewesen und habe daher den Fristbeginn ermitteln können. Die Überlassung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache habe vorausgesetzt, dass die Beklagte - und nicht die Schuldnerin - die erstmalige Möglichkeit zur Einspeisung der Photovoltaikanlage in das allgemeine Stromnetz schaffe. Insoweit sei die E.    als Dritte auf Seiten der Beklagten anzusehen, auch wenn zwischen der Schuldnerin und der E.     ein Näheverhältnis bestanden habe und die Beklagte den Mietvertrag nicht ohne den Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Denn die Beklagte habe aufgrund des Kaufvertrags die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit gehabt, die Erfüllung der Herstellungsverpflichtung der E.    zu überprüfen und gegebenenfalls durchzusetzen. Daher sei die Beklagte durch die im Mietvertrag enthaltene Zeitbestimmung, bei der voraussichtlich die im Kaufvertrag enthaltene Herstellungsfrist in Betracht gezogen worden sei, auch nicht unangemessen benachteiligt.

12Die Zeitbestimmung sei von den Parteien nicht konkludent durch Invollzugsetzung des Mietvertrags aufgehoben worden, denn die Beklagte habe nach eigener Darstellung keine Kenntnis von der fehlenden Inbetriebnahme und daher auch kein rechtsgeschäftliches Erklärungsbewusstsein bei Entgegennahme der Mieten gehabt. Sie habe auch nicht dargelegt, dass die Schuldnerin die Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage wider Treu und Glauben verhindert habe.

13Die Schuldnerin habe die angefochtenen Zahlungen als Mietzins und nicht auf etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten geleistet. Hierbei habe die Schuldnerin die Zahlungen in Kenntnis dessen erbracht, dass keine der vorgenannten Photovoltaikanlagen in Betrieb genommen worden sei, es bereits an den technischen Voraussetzungen für eine Inbetriebnahme gefehlt habe und deshalb kein Anspruch der Beklagten aus dem Mietvertrag bestanden habe. Ein Fall, in dem die Geltendmachung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs ausnahmsweise als treuwidrig zu bewerten sei, liege nicht vor. Schließlich habe die Beklagte auch eine Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB nicht dargelegt.

II.

14Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Mietzahlungen der Schuldnerin sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil die Schuldnerin diese in Kenntnis der Nichtschuld erbracht hätte. Die Zahlungen erfolgten nicht ohne Rechtsgrund, sondern dienten der Erfüllung einer Verpflichtung der Schuldnerin aus einem wirksamen entgeltlichen Vertrag.

151. Der Beklagten stand ein Zahlungsanspruch in Höhe von monatlich 301,07 € aufgrund der mit der Schuldnerin abgeschlossenen Mietverträge zu. Er folgt für den Zeitraum von Dezember 2011 bis März 2012 aus dem Mietvertrag über die Anlage in L.    , für die Zeit ab April 2012 aus dem - inhaltlich identischen - Mietvertrag über die Anlage in B.    . Die Beklagte und die Schuldnerin haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem Abschluss des Mietvertrags über die Anlage in B.    lediglich den Mietgegenstand während des laufenden Mietverhältnisses ausgetauscht. Die Schuldnerin hat diesen Mietanspruch mit ihren monatlichen Zahlungen ab Dezember 2011 jeweils erfüllt.

162. Der Mietzahlungsanspruch entstand mit Vertragsabschluss als jeweils monatlich fälliger Anspruch (Nr. 1 Buchst. c MV) mit Beginn der jeweiligen Nutzungsüberlassung.

17Wie der Senat in der Parallelsache mit Urteil vom (IX ZR 237/20, zVb) ausgeführt hat, stellt nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung die Regelung in Nr. 1 Buchst. a MV bei objektiver Auslegung aus der Sicht eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbrauchers eine Fälligkeitsbestimmung im Sinne des § 308 Nr. 1 BGB dar. Als solche ist sie gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, denn der Fristbeginn hängt im Streitfall von einem Ereignis im Bereich der Mieterin als Verwenderin ab. Dies hat der Senat mit Urteil vom (IX ZR 237/20, zVb) unter Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB näher begründet.

18Die Unwirksamkeit hat zur Folge, dass die Beklagte beginnend mit Vertragsabschluss einen jeweils monatlich fälligen Anspruch auf Zahlung der Miete hatte. Nach § 306 Abs. 2 BGB tritt an die Stelle der nach § 308 Nr. 1 Fall 2 BGB insgesamt unwirksamen Fristbestimmung das dispositive Recht. Demgemäß sind Entstehung und Fälligkeit der Mietforderung nach § 271, § 579 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Im Hinblick darauf waren die Mietforderungen der Beklagten im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen jeweils bereits entstanden und fällig. Dies hat der Senat mit Urteil vom (IX ZR 237/20, zVb) näher ausgeführt.

III.

19Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Dem Kläger steht kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.

201. Eine Anfechtbarkeit gemäß § 134 Abs. 1 InsO kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

21a) Die Zahlungen der Schuldnerin sind nicht deshalb nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil die Gegenleistung der Beklagten wertlos gewesen wäre.

22Der Kläger stützt seine gegenteilige Auffassung allein auf die fehlende Betriebsbereitschaft der Photovoltaikanlage. Die Auslegung des Mietvertrags ergibt allerdings, dass der Mietzins als Gegenleistung für die Übertragung des Nutzungsrechts und der Ausübungsbefugnis an der Dachfläche im Bereich der installierten Module sowie der Abtretung der Ansprüche auf die EEG-Einspeisevergütung, nicht aber für die Herstellung der Betriebsbereitschaft vereinbart ist. Dies hat der Senat mit Urteil vom (IX ZR 237/20, zVb) näher begründet. Dass die demgemäß allein maßgebliche Nutzungsmöglichkeit und Abtretung für einen Zeitraum von zehn Jahren objektiv in erheblicher Weise außer Verhältnis zur vereinbarten Miete standen, hat der Kläger nicht behauptet.

23b) Es bedarf keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine auf Grundlage eines gegenseitigen Vertrags erfolgte Zahlung in Kenntnis bereits eingetretener Leistungsstörungen dem Anwendungsbereich des § 134 Abs. 1 InsO unterfallen kann. Denn die Beklagte hat die für die Zahlung des Mietzinses geschuldete Gegenleistung vollständig erbracht.

242. Andere Anfechtungstatbestände sind nicht gegeben. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO scheidet aus. Mit Ausnahme der letzten Überweisung am erfolgten die Zahlungen der Schuldnerin bereits außerhalb des von § 131 Abs. 1 InsO bestimmten Zeitraums. Im Übrigen behauptet der Kläger weder, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der letzten Überweisung zahlungsunfähig war (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) noch dass die Beklagte Kenntnis von der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger hatte (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO oder nach § 133 Abs. 1 InsO steht entgegen, dass der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, die den Schluss auf eine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit oder einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zulassen.

253. Dem Kläger steht auch kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) zu. Die Mietzahlungen erfolgten mit Rechtsgrund. Der Mietvertrag war wirksam und die Beklagte hat mit der Überlassung der Module und Abtretung ihrer Ansprüche auf die EEG-Einspeisevergütung ihren mietvertraglichen Pflichten, soweit sie Voraussetzung für den Bestand des Anspruchs auf Mietzinszahlung waren, genügt.

IV.

26Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:111121UIXZR240.20.0

Fundstelle(n):
GAAAI-04031