BGH Beschluss v. - VIII ZR 33/20

Kaufrechtlicher Gewährleistungsanspruch gegen den Gebrauchtwagenhändler wegen des Kaufs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Dieselfahrzeugs: Anforderungen an die Substantiierung der durch ein Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden

Leitsatz

Zur Überspannung der Substantiierungsanforderungen an die Darlegung von Folgeschäden, die durch ein Software-Update zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Dieselfahrzeugen hervorgerufen werden.

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 323 Abs 1 BGB, § 323 Abs 2 Nr 3 BGB, § 326 Abs 5 BGB, § 434 Abs 1 BGB, § 437 Nr 2 Alt 1 BGB, § 440 S 1 Alt 1 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Instanzenzug: Saarländisches Az: 2 U 7/19 Urteilvorgehend Az: 12 O 132/17

Gründe

1Der Kläger erwarb im Jahr 2012 von der beklagten Fahrzeughändlerin ein Gebrauchtfahrzeug Audi A 4 Avant 2.0 TDI zum Preis von 26.400 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Volkswagen AG (im Folgenden: Hersteller) hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 (Abgasnorm Euro 5) ausgestattet. Dieser verfügt über eine Software mit zwei unterschiedlichen Betriebsmodi. Auf dem Prüfstand (Modus 1) wird der Stickoxidausstoß infolge einer höheren Abgasrückführungsrate gegenüber dem normalen Fahrbetrieb (Modus 0) reduziert. Im Herbst 2015 wurde die Verwendung dieser Software zur Motorsteuerung öffentlich bekannt gemacht.

2Nachdem das Kraftfahrtbundesamt die Software als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hatte, entwickelte der Hersteller für mit dem EA 189-Motor und einem Hubraum von 1,2 beziehungsweise 2,0 Liter ausgestattete Fahrzeuge ein Software-Update, das hinsichtlich des Stickoxidausstoßes einen vorschriftsgemäßen Zustand herstellen sollte. Die Audi AG bot nach Freigabe des Updates für Fahrzeuge des vorliegenden Fahrzeugtyps durch das Kraftfahrtbundesamt am unter anderem dem Kläger an, das Update kostenfrei aufzuspielen. Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch.

3Mit anwaltlichem Schriftsatz vom erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte dessen Rückabwicklung. Dem kam die Beklagte nicht nach, sondern verwies den Kläger mit Schreiben vom auf das Software-Update und erklärte, bis zum auf die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf etwaige - auch verjährte - Ansprüche im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 eingebauten Software zu verzichten. Das Software-Update ließ der Kläger nach wie vor nicht durchführen.

4Die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.952,19 €, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Landgericht überwiegend Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 20.341,91 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, verurteilt und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 4.952,19 € erledigt habe und sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Rücknahme des Fahrzeugs befinde.

5Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

II.

6Das Berufungsgericht (, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

7Trotz des Vorliegens eines Sachmangels aufgrund der in dem Fahrzeug eingebauten Software scheide ein Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB aus, weil der Kläger der Beklagten keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht entbehrlich gewesen. Zwar scheide eine Nacherfüllung in Form der Nachlieferung aus, weil es sich um den Kauf eines Gebrauchtwagens gehandelt habe, bei dem die Nachlieferung regelmäßig unmöglich sei. Eine Nacherfüllung sei allerdings zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung durch Nachbesserung in Form der Durchführung eines durch das Kraftfahrtbundesamt gebilligten Software-Updates möglich gewesen, so dass eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 326 Abs. 5 BGB ausscheide.

8Es unterliege - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers - keinem Zweifel, dass das durch den Hersteller zur Verfügung gestellte Software-Update zur Beseitigung des Sachmangels geeignet sei. Wie sich aus dem durch die Beklagte vorgelegten Bescheid des Kraftfahrtbundesamts vom ergebe, sei nach dem Aufspielen des Software-Updates die den Sachmangel begründende Gefahr einer Betriebsuntersagung nicht mehr gegeben. Im Fall der Nachrüstung des Fahrzeugs mittels des Software-Updates sei - ungeachtet der Bindungswirkung dieses Bescheids und seiner inhaltlichen Richtigkeit - ein Widerruf der EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt und eine daran anschließende Betriebsuntersagung in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug objektiv nicht mehr zu befürchten.

9Die vom Kläger geäußerte Befürchtung, das Software-Update werde mit ungünstigen Folgen für Motorleistung, Kraftstoffverbrauch, Emissionsverhalten (Erhöhung der Emissionswerte) und Lebensdauer (Verschleißerscheinungen) verbunden sein, reiche als bloße Vermutung, der eine objektivierbare Grundlage fehle, zur Begründung eines konkreten Mangels in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht aus.

10Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei vorliegend auch nicht nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB entbehrlich gewesen. Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung könne sich zwar grundsätzlich auch aus der begründeten Befürchtung ergeben, die Sache werde trotz Nacherfüllung nicht mangelfrei sein. In diesem Zusammenhang reiche jedoch der lediglich subjektive Verdacht eines trotz Nachbesserung verbleibenden Nachteils nicht aus. Es bedürfe vielmehr im Zeitpunkt des Rücktritts konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Nachbesserung zu neuen Sachmängeln führen werde, wobei pauschale Behauptungen ebenso wenig ausreichten wie der Hinweis auf Unwägbarkeiten oder nicht geklärte Langzeitfolgen. Den Anforderungen an die sich hieraus ergebende Darlegungslast sei der Kläger nicht hinreichend nachgekommen.

11Soweit er behauptet habe, das Software-Update habe nachteilige Auswirkungen auf das Fahrzeug und es bestehe die Befürchtung von Folgeschäden, insbesondere am Motor, seien Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Befürchtung auf eine konkrete und plausible Tatsachengrundlage stütze, nicht ersichtlich. Vielmehr handele es sich bei dem Vortrag des Klägers offenbar lediglich um Vermutungen und letztlich "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptungen, hinsichtlich derer eine Beweiserhebung auf eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts hinausliefe.

III.

12Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere übersteigt der Wert der Beschwer die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat gehörswidrig das hinreichend substantiierte Vorbringen des Klägers zu durch das Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden übergangen und in der Folge versäumt, den hierfür von dem Kläger angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.

131. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 145; 96, 205, 216; BVerfG, NVwZ 2016, 1475 Rn. 14; NVwZ-RR 2021, 131 Rn. 26; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 64/19; NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom - VIII ZR 18/20, juris Rn. 11; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 13). Der Anspruch auf rechtliches Gehör als grundrechtsgleiches Recht soll sicherstellen, dass die Entscheidung des Gerichts frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben.

14In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 50, 32, 35 f.; 65, 305, 307; 69, 141, 143 f.; BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1997/15, juris Rn. 15; NVwZ 2018, 1555 Rn. 31; vom - 1 BvR 1155/18, juris Rn. 11; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 4; vom - VIII ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 11; jeweils mwN).

15Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag der Partei gestellt hat. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Tatrichters dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. , NJW 2009, 2598 Rn. 2; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 34/14, NJW-RR 2015, 910 Rn. 13; vom - VIII ZR 1/16, NJW 2017, 1877 Rn. 10; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 16; vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 12).

162. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Das Berufungsgericht hätte das Vorbringen des Klägers zu etwaigen Folgeschäden durch das von der Beklagten zur Nachbesserung angebotene Software-Update nicht als "bloße Vermutungen" und "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptungen zurückweisen dürfen, sondern hätte den von dem Kläger zum Nachweis seiner Behauptungen angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen. Denn der Kläger ist insofern den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen gerecht geworden.

17a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. , NJW 2015, 934 Rn. 43; vom - VIII ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 55; vom - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 20; Beschlüsse vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 33). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat (BGH, Beschlüsse vom - IV ZR 52/14, NJW-RR 2017, 22 Rn. 27; vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 134/20, aaO). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 134/20, aaO). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr.; vgl. nur , aaO; vom - VIII ZR 80/18, aaO; vom - VI ZR 128/20, aaO; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, aaO).

18Dabei ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 385/18, NJW-RR 2020, 615 Rn. 83 mwN; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, aaO Rn. 8 mwN; vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 16). Sie darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen insbesondere dann als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat (, NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 mwN; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 226/19, aaO). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa , NJW 2019, 76 Rn. 34; vom - III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 Rn. 37; vom - VIII ZR 385/18, aaO; vom - VI ZR 128/20, aaO Rn. 22; jeweils mwN; Beschluss vom - VIII ZR 226/19, aaO). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (, NJW-RR 2004, 337 unter II 1; Beschlüsse vom - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 13; vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 226/19, aaO).

19b) Gemessen hieran hat der Kläger hinreichend substantiiert dargelegt, dass nach seiner Auffassung das von der Beklagten zur Beseitigung des Sachmangels in Form der unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 24 ff. mwN) angebotene Software-Update zu Folgeschäden an dem Fahrzeug führe, weshalb die für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung vorliegend entbehrlich gewesen sei (§ 323 Abs. 2 Nr. 3, § 440 Satz 1 Alt. 3, § 326 Abs. 5 BGB).

20aa) Der Kläger hat vorgetragen, dass es nach der Durchführung eines Updates in vielen Fällen zu weiteren Mängeln in Form einer Erhöhung der Emissionswerte und des Kraftstoffverbrauchs, einer Verschlechterung der Motorenleistung sowie zu Verschleißerscheinungen komme; ab einer Geschwindigkeit von 121 km/h springe zudem der "Dreckmodus" wieder an. Er hat insofern auf verschiedene Entscheidungen von Instanzgerichten sowie auf einen Medienbericht verwiesen und seine Ansicht unter auszugsweiser Vorlage einer fachlichen Publikation damit begründet, dass eine Verringerung des NOx-Ausstoßes ohne Nutzung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zwingend zu einer Erhöhung der CO2-Werte, des Kraftstoffverbrauchs und des Dieselpartikelausstoßes führe. Zum Nachweis seiner Behauptungen hat er wiederholt die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.

21bb) Damit hat der Kläger hinreichend die fehlende Eignung des ihm angebotenen Software-Updates zur Mangelbeseitigung dargelegt, aufgrund derer eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB entbehrlich sein könnte (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 111/20, juris Rn. 31, 38, 39, 47, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Insbesondere durfte er sich dabei als Laie - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Funktionsweise des Software-Updates keine genaue Kenntnis von dessen konkreter (Aus-)Wirkung haben, weswegen er betreffend die von ihm befürchteten Folgeschäden letztlich auf Vermutungen angewiesen ist und diese naturgemäß nur auf entsprechende Anhaltspunkte stützen kann (vgl. , NJW 2021, 2958 Rn. 85 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 21; Beschlüsse vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 20; vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7 ff.; vom - VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 11 ff.).

22cc) Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, dass die von dem Kläger vorgetragenen Vermutungen, denen eine "objektivierbare Grundlage" fehle, zur Begründung eines konkreten Mangels in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ausreichten und es sich letztlich um "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptungen handele, hinsichtlich derer eine Beweiserhebung auf eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts hinausliefe, lassen eine Kenntnisnahme dieses Klägervorbringens in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise und eine inhaltliche Auseinandersetzung hiermit sowie mit den von ihm in Bezug genommenen Unterlagen vermissen. Der Kläger hat nicht nur einzelne Mängel, sondern auch konkrete Umstände benannt, die für deren Eintritt bei Durchführung des Updates sprechen. Weitergehende Angaben waren ihm nicht abzuverlangen und würden ihn mangels eigener Sachkunde zur Einholung eines kostenträchtigen Privatgutachtens zwingen.

23dd) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung demgegenüber meint, der Kläger habe aufgrund der Ausführungen des Kraftfahrtbundesamts zu den Auswirkungen des Software-Updates nicht bloße Vermutungen äußern dürfen, führt dies nicht zu erhöhten Substantiierungsanforderungen. Den in Bezug genommenen Angaben in der Freigabebestätigung des Kraftfahrtbundesamts vom lässt sich bereits nicht entnehmen, worauf sich diese Erkenntnisse stützen. Allenfalls führt der Bescheid des Kraftfahrtbundesamts dazu, dass die Beklagte das Vorbringen des Klägers unter Berufung auf die Freigabebestätigung des Kraftfahrtbundesamts substantiiert bestreiten kann (siehe bereits Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 87; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 22).

24Auch die weiteren Ausführungen der Beschwerdeerwiderung sind nicht geeignet, eine hinreichende Substantiierung des Klägervorbringens in Frage zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, dass es an hinreichend bezeichneten Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlt.

253. Die von dem Kläger geltend gemachte Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO), weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht unter Zugrundelegung des genannten Vorbringens des Klägers zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

26Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht, hätte es das Vorbringen des Klägers in gebotener Weise zur Kenntnis genommen und den angebotenen Sachverständigenbeweis erhoben, zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die von der Beklagten angebotene Nachbesserung durch das Software-Update zu Folgemängeln führt und eine Fristsetzung zur Nachbesserung daher entweder bei Abwägung der beiderseitigen Interessen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB), wegen Unzumutbarkeit für den Kläger nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB oder gegebenenfalls wegen Unmöglichkeit (beider Arten) der Nacherfüllung nach § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 82 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 33). In diesem Fall hätte der Kläger eine Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen des Vorliegens eines Sachmangels verlangen können.

274. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

IV.

28Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

291. Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass gegebenenfalls auch zu prüfen sein wird, ob es sich bei dem durch das Update entstehenden sogenannten Thermofenster - dessen Vorhandensein als solches die Beklagtenseite nicht bestreitet - um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG handelt. Das Berufungsgericht hat diese Frage bislang mit der Begründung offengelassen, dass angesichts der Ausführungen des Kraftfahrtbundesamts in dem Freigabebescheid vom zu dem für den streitgegenständlichen Fahrzeug- beziehungsweise Motortyp entwickelten Software-Update - unabhängig von der Bindungswirkung und der inhaltlichen Richtigkeit dieses Bescheids - eine Entziehung der EG-Typgenehmigung und eine sich daran anschließende Betriebsuntersagung nicht zu befürchten sei, so dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nicht vorliege.

30a) Dem Freigabebescheid vom kommt zunächst keine (für das hiesige Verfahren) bindende Tatbestandswirkung zu. Denn bei den Ausführungen des Kraftfahrtbundesamts, wonach vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig seien, handelt es sich um Begründungselemente, die von dem Regelungsgehalt und damit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts selbst nicht erfasst werden (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 190/19, unter II 2 c dd (1) (a) (bb) (aaa) mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 386/20, unter III 2 c bb, zur Veröffentlichung bestimmt). Sollte das Software-Update - dessen genaue Funktionsweise gegebenenfalls durch Sachverständigengutachten zu klären ist - (wiederum) eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darstellen, die nach Maßgabe der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässig ist, wäre die von der Beklagten angebotene Nachbesserung bereits aus diesem Grund unzureichend (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 190/19, unter II 2 c dd (1) (a), aaO; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 386/20, aaO).

31b) Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Annahme der Gefahr einer Betriebsuntersagung auch nicht entgegen, dass das Kraftfahrtbundesamt in dem vorgenannten Freigabebescheid - unabhängig von dessen Bindungswirkung - festgestellt hat, dass nach dem Software-Update keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorlägen. Denn die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung besteht im Fall des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht nur bei einer bereits erfolgten Umrüstungsanordnung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde, sondern liegt auch in den Fällen vor, in denen die zuständige EG-Typgenehmigungsbehörde eine entsprechende Maßnahme gegenüber dem Hersteller nicht gefordert beziehungsweise noch nicht ihr Einverständnis mit einem solchen Vorgehen erklärt hat. Denn auch dann ist im Ansatz bereits ein Sachverhalt (ʺMangelanlage/Grundmangelʺ) gegeben, der in Verbindung mit weiteren Umständen dazu führen kann, dass die deutsche Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung nach § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) vornimmt, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entspricht (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 33 f.).

322. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht auch der Frage nachzugehen haben, ob die Eigenschaft des streitgegenständlichen Fahrzeugs als vom sogenannten Abgasskandal betroffenes Fahrzeug mit einem nicht behebbaren merkantilen Minderwert verbunden ist. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, lässt sich bislang nicht allgemeingültig und abschließend beantworten, ob die Eigenschaft eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs - insbesondere wenn es wie im vorliegenden Fall über einen Dieselmotor des Typs EA 189 verfügt - in vergleichbarer Weise wie grundsätzlich bei einem Unfallfahrzeug (vgl. hierzu , BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom - VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 16; jeweils mwN) einen unbehebbaren Sachmangel darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 25). Ob das vom Kläger erworbene Fahrzeug tatsächlich von dem behaupteten Wertverlust betroffen ist - was die Beklagte bestreitet - und ob dieser tatsächlich kausal auf die Betroffenheit vom sogenannten Abgasskandal zurückzuführen ist, ist vielmehr eine Tatfrage, die gegebenenfalls durch Einholung des hierfür zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachtens zu klären sein wird (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 26; vgl. auch Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 84).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:110122BVIIIZR33.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 703 Nr. 10
WM 2022 S. 347 Nr. 7
BAAAI-03775