Kündigungsrecht des Darlehensnehmers: Behandlung eines kommunalen Zweckverbands
Leitsatz
Ein kommunaler Zweckverband, der sich allein aus Gemeinden und/oder Gemeindeverbänden zusammensetzt, ist einem Gemeindeverband im Sinne von § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB gleichzustellen.
Gesetze: § 489 Abs 4 S 2 BGB
Instanzenzug: OLG Celle Az: 3 U 65/19vorgehend Az: 5 O 48/18
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die vorzeitige Kündbarkeit eines Darlehens, das die Beklagte, eine Landesbank, dem Kläger zu Kommunalkreditkonditionen gewährt hat.
2Der Kläger ist ein Wasserverband. Seine im Amtsblatt des Regierungsbezirks A. veröffentlichte Satzung vom lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1
Name, Sitz und Rechtsform
(1) Der Verband führt den Namen „Wasserverband S. -W. “. Er hat seinen Sitz in S. .
(2) Der Verband ist ein Wasser- und Bodenverband im Sinne von § 79 des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz WVG) vom (Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 11, vom , Seite 405 ff.).
(3) Die Rechtsverhältnisse des Verbands regeln sich, soweit in dieser Satzung nichts anderes bestimmt ist, nach dem Wasserverbandsgesetz.
§ 2
Mitglieder, Verbandsgebiet
(1) Mitglieder des Verbandes sind die Gebietskörperschaften
(2) Das Verbandsgebiet umfasst das Gebiet des Kreises S. -W. .
§ 3
Aufgaben
Der Verband hat die Aufgaben:
1. seinen Mitgliedern Trink- und Brauchwasser zu beschaffen und bereitzustellen.
2. Gewinnungsanlagen für Oberflächen- und Grundwasser zu bauen, zu erwerben und zu betreiben.
3. das Niedrigwasser durch Zuschusswasser aus den Talsperren zu erhöhen und den Grundwasserstrom anzureichern.
4. zum Hochwasserschutz regelnd beizutragen.
[…]
§ 21
Beiträge
(1) Die Mitglieder sind verpflichtet, dem Verband Beiträge (Verbandsbeiträge) zu leisten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
(2) …
[…]
§ 29
Staatliche Aufsicht
(1) Der Verband unterliegt der Rechtsaufsicht durch die Aufsichtsbehörde.
(2) …"
3Private Mitglieder nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 WVG hat der Kläger nicht.
4Mit Vertrag vom 26./ gewährte die Beklagte dem Kläger ein Kommunaldarlehen über 2 Mio. Euro mit einer Laufzeit bis zum . Der für die gesamte Laufzeit festgeschriebene Zinssatz beträgt 4,62%, die Tilgung 2% jährlich zuzüglich ersparter Zinsen; Zins- und Tilgungsleistungen sind vom Kläger vierteljährlich nachträglich zu erbringen. Unter Ziffer 4 enthält der Darlehensvertrag folgende Vereinbarung:
"Kündigung: Das Darlehen kann beiderseits mit einer Frist von einem Monat zum Ablauf der ersten oder einer der folgenden Festzinsvereinbarungen gegenüber dem Vertragspartner gekündigt werden. Der Darlehensgeber wird jedoch von diesem Recht nur zum Zwecke der Zinsanpassung, sofern die weitere Refinanzierung des Darlehens eine solche Maßnahme erforderlich machen sollte, Gebrauch machen. Etwaige Kündigungsrechte des Darlehensnehmers nach § 489 BGB Abs. 1 und 2 sind ausgeschlossen. […]"
5Unter Ziffer 5 des Vertrages heißt es auszugsweise:
"Sonderkündigungsrecht des Darlehensgebers: Der Darlehensnehmer bestätigt, daß dieses Darlehen zu Kommunalkreditkonditionen gewährt wird. Sollten sich daher während der Laufzeit dieses Darlehens bei dem Darlehensnehmer oder dessen Rechtsnachfolger Umstände ergeben, die die bei Abschluss des Darlehensvertrages bestehende Privilegierung gemäß der „Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Institute“ (§ 10 KWG) entfallen lassen oder mindern, so daß sich dadurch die Grundsatz I-Belastung des Darlehensgebers für das Darlehen insgesamt oder Teile desselben erhöht, ist der Darlehensgeber zur fristlosen Kündigung des nicht mehr wie zuvor privilegierten Darlehens / -Teiles berechtigt. […]"
6Mit Schreiben vom erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB die ordentliche Kündigung des Darlehens zum , hilfsweise zum nächsten zulässigen Termin. Die Beklagte wies die Kündigung zurück.
7Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu, weil dieses Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht habe wirksam ausgeschlossen werden können. Er falle nicht in den Kreis der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Rechtsträger, für die ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts möglich sei.
8Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Kommunaldarlehen durch seine Kündigung vom mit Wirkung zum beendet worden ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der - von dem Senat zugelassenen - Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Gründe
9Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
10Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
11Die Kündigung des Darlehens sei unwirksam. Ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 und 2 BGB habe dem Kläger nicht zugestanden, denn dieses sei durch die Vereinbarung unter Ziffer 4 des Darlehensvertrags wirksam ausgeschlossen worden.
12Dem vertraglich vereinbarten Kündigungsausschluss stehe § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht entgegen. Angesichts der abschließenden Regelung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB komme eine analoge Gesetzesanwendung zwar nicht in Betracht. Der Kläger unterfalle jedoch dem Anwendungsbereich des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB, weil er einem Gemeindeverband im dort genannten Sinne gleichzustellen sei.
13Der Begriff des Gemeindeverbands sei im jeweiligen Regelungskontext der Norm, in der er verwendet werde, zu erschließen. Vorliegend fehle es an sachlichen Gründen, zwischen dem bei Vertragsschluss - und auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - ausschließlich aus Gemeinden bestehenden Kläger und einem Gemeindeverband zu unterscheiden. Den in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB Genannten sei gemein, dass sie grundsätzlich nicht insolvenzfähig seien, hoheitliche Aufgaben wahrnähmen und nicht in Form einer juristischen Person des Privatrechts handelten. Dies treffe auch auf den Kläger zu. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 78 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW finde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers nicht statt, weil er gemäß § 29 Abs. 1 seiner Satzung der staatlichen Aufsicht unterliege. Der Kläger nehme hoheitliche Aufgaben wahr; nach § 3 seiner Satzung beschaffe er seinen Mitgliedern Trink- und Brauchwasser, zudem trage er zum Hochwasserschutz bei. Der Kläger sei auch nicht in Form einer juristischen Person des Privatrechts, sondern nach seiner Satzung als Wasser- und Bodenverband im Sinne des Wasserverbandsgesetzes, mithin als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 WVG) errichtet worden.
14Es stehe der Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht entgegen, dass der Kläger keine Gebietskörperschaft sei. Etwa stellte auch das in dieser Vorschrift genannte Sondervermögen des Bundes keine Gebietskörperschaft dar, so dass es sich insoweit nicht um ein zwingendes Merkmal handeln könne. Aus dem Umstand, dass auch Private Mitglieder des Klägers sein könnten, ergebe sich nichts anderes. Die fehlende Insolvenzfähigkeit bliebe davon unberührt. Dessen unbeschadet stehe der Beklagten bei Entfallen der die Privilegierung begründenden Umstände ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit der Folge zu, dass das Kündigungsrecht des Klägers obsolet würde. Auch Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 BGB stünden der Gleichstellung des Klägers mit einem Gemeindeverband nicht entgegen. Das von der Vorschrift angestrebte Gleichgewicht zwischen dem Schuldnerschutz einerseits und der Kalkulierbarkeit des Zinsänderungsrisikos für den gewerblichen Kreditgeber andererseits werde nicht gestört. Schließlich könne aus den Kommunalkreditvergaben betreffenden bankaufsichtsrechtlichen Regelungen kein Rückschluss auf die Auslegung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB gezogen werden, da sich diese allein auf das Rechtsverhältnis zwischen Bank und Sparkassen einerseits und den Aufsichtsbehörden andererseits erstreckten.
II.
15Das angegriffene Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
16Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Wirksamkeit der im November 2017 erfolgten Kündigung des Klägers der von den Parteien vertraglich vereinbarte Ausschluss seines Rechts zur ordentlichen Kündigung des Darlehens nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB entgegenstand und der Darlehensvertrag aus dem Jahr 2007 deshalb nicht beendet worden ist.
171. Für Darlehen, bei denen für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, räumt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB dem Darlehensnehmer die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Darlehens nach Ablauf von zehn Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ein. Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich unabdingbar; es kann gemäß § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Das gilt nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB aber nicht, wenn Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder eine ausländische Gebietskörperschaft ist und das Kündigungsrecht vertraglich ausgeschlossen wurde (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 41).
182. Der kommunale Zweckverband ist in dem Katalog des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht aufgeführt. In Rechtsprechung und Schrifttum sind Reichweite und Grenzen einer möglichen Auslegung der Vorschrift umstritten.
19a) Teilweise wird die Anwendbarkeit des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf andere als die ausdrücklich benannten Rechtsträger mit der Begründung verneint, die Bereichsausnahme sei aufgrund der vom Gesetzgeber bewusst gewählten enumerativen Regelungstechnik eng auszulegen und einer wortlautübersteigenden oder analogen Anwendung nicht zugänglich (vgl. OLG Karlsruhe BKR 2009, 80, 81; LG Nürnberg-Fürth ZIP 2015, 1870, 1871 f.; LG München I ZIP 2015, 2360, 2363; Mülbert in Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 489 Rn. 74; Seifert in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 489 Rn. 30; C. Weber in BeckOGK BGB, Ed. , § 489 Rn. 78).
20b) Die Gegenansicht bejaht die analoge Anwendbarkeit des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB, insbesondere auf einen allein aus Gemeinden bestehenden Zweckverband (vgl. LG Frankfurt WM 2014, 1722, 1723 ff.; Urteil vom - 2-07 O 252/20, juris Rn. 26 ff.; K. P. Berger in MüKoBGB, 8. Aufl., § 489 Rn. 21; Pöschke in Prütting/Wegen/Weinrich BGB, 16. Aufl., § 489 Rn. 2; Schwintowski in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 489 [Stand: ] Rn. 28), wobei auch vertreten wird, es bedürfe einer analogen Anwendung in diesem Fall nicht. Bereits die grammatikalische und teleologische Auslegung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB ergebe, dass ein sich allein aus Gemeinden zusammensetzender kommunaler Zweckverband unter den Begriff des Gemeindeverbands falle (vgl. Helm BKR 2020, 398, 399 ff.).
21c) In Teilen des Schrifttums wird die Frage nach der Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB speziell auf den Zweckverband offengelassen (vgl. Berger in Jauernig BGB, 18. Aufl., § 489 Rn. 11; Köndgen WM 2001, 1637, 1642; Krämer in NK-BGB, 4. Aufl., § 489 Rn. 17; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., Bd. I § 79 Rn. 59; Menges in EBJS-HGB, 4. Aufl.,D. Bank- und Börsenrecht IV: Das Kreditgeschäft und die Kreditsicherung Rn. 145; Rohe in BeckOK BGB, 60. Ed. , § 489 Rn. 19; v. Rottenburg WM 1987, 1, 6 [zu § 609a Abs. 3 Satz 2 BGB aF]; Saenger in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 489 Rn. 13; Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 489 Rn. 13; Wiese in HK-BGB, 11. Aufl., § 489 Rn. 3).
223. Zutreffend ist die Auffassung, wonach ein kommunaler Zweckverband, der sich allein aus Gemeinden und/oder Gemeindeverbänden zusammensetzt, einem Gemeindeverband im Sinne von § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB gleichzustellen ist.
23a) Gemeindeverbände sind kommunale Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder denen Selbstverwaltungsaufgaben obliegen, die nach Gewicht und Umfang denen der Gemeinden vergleichbar sind. Anders als der Zweckverband sind sie nicht auf die Erfüllung einer bestimmten, abgegrenzten Aufgabe beschränkt (vgl. BVerfGE 52, 95, 110 und 112; , juris Rn. 13; ThürVerfGH ThürVBl 2009, 197, 198). Allerdings gewährleistet das Grundgesetz auch den Gemeindeverbänden - anders als den Gemeinden - keinen originären Aufgabenbereich (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Wie der Zweckverband und alle anderen Verwaltungsträger benötigen sie zur Begründung von Verwaltungsbefugnissen einen speziellen Kompetenztitel (vgl. BVerfGE 79, 127, 147; BVerwGE 110, 61, 63).
24b) Nach landesrechtlichen Regelungen können sich Gemeinden und Landkreise freiwillig zu einem Zweckverband zusammenschließen (Freiverband) oder zur Erfüllung von Pflichtaufgaben direkt durch Gesetz errichtet werden (Pflichtverband; vgl. etwa Art. 17 ff. Bay. KommZG; §§ 2 ff. GKZ BW; §§ 10 ff. GKGBbg; §§ 9 ff. HessKGG; §§ 150 ff. KV M-V; §§ 7 ff. Nds. KomZG; §§ 4 ff. GkG NRW; §§ 2 ff. KomZG RP; §§ 2 ff. Saarl. KGG; §§ 44 ff. SächsKomZG; §§ 6 ff. GKG-LSA; §§ 2 ff. GkZ SH; §§ 16 ff. ThürKGG). Seiner Rechtsnatur nach ist der Zweckverband eine Verbandskörperschaft des öffentlichen Rechts. Er verwaltet seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Die Errichtung eines Zweckverbands fördert die effektive gemeinsame Erfüllung von Aufgaben, zu deren Wahrnehmung die kommunalen Mitglieder berechtigt oder verpflichtet sind, etwa durch Wasser-, Abwasser-, Gewerbeförderungs-, Schul-, Studien-, Kultur-, Fürsorge- und Jugendhilfezweckverbände (vgl. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl., Rn. 1543 ff.; Oebbecke NVwZ 2010, 665 ff.). Der Zweckverband besitzt das Recht zur wirtschaftlichen Betätigungim Rahmen des Verbandszwecks; in diesem Rahmen besitzt er Finanz- und Haushaltshoheit (vgl. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl., Rn. 1553 ff.; Kumanoff/Schwarzkopf SächsVBl. 1995, 145 ff.). Je nach Aufgabengebiet kann sich die Ausgestaltung kommunaler Zweckverbände erheblich unterscheiden.
25Zur Erfüllung der in § 2 WVG benannten Aufgaben kann - wie hier - etwa ein Wasserverband als kommunaler Zweckverband errichtet werden. Er ist qua Gesetz keine Gebietskörperschaft (§ 1 Abs. 1 Halbsatz 2 WVG). Mögliche Verbandsmitglieder können gemäß § 4 Abs. 1 WVG die jeweiligen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen, jeweilige Erbbauberechtigte sowie Inhaber von Bergwerkseigentum (dingliche Verbandsmitglieder) oder Träger einer entsprechenden Baulast sowie Personen sein, denen der Verband im Rahmen seiner Aufgaben Pflichten abnimmt oder erleichtert, außerdem Körperschaften des öffentlichen Rechts und andere Personen, wenn die nach Landesrecht zuständige Aufsichtsbehörde sie zulässt (vgl. zu Wasser- und Bodenverbänden Giesen in Dombert/Witt, Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 2. Aufl., § 15 Wasserrecht Rn. 105 ff.).
26c) Sowohl in den Bundesgesetzen als auch in den Gesetzen der Bundesländer herrscht kein einheitlicher Sprachgebrauch vor. Der Begriff des Gemeindeverbands wird als Ordnungsbegriff verwendet, der je nach Regelungszusammenhang verschiedene Anknüpfungspunkte für die Mitgliedschaft voraussetzt (vgl. BVerfGE 52, 95, 111). Solche können bei Wasser- und Bodenverbänden etwa das Eigentum oder ein qualifiziertes Nutzungsrecht an einem Grundstück sein, das mit bestimmten Pflichten belastet ist (vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 85 Rn. 33 u. 35). Gelegentlich werden Zweckverbände in Landesgesetzen als Gemeindeverbände bezeichnet (vgl. § 5 Abs. 2 Halbsatz 1 GkG NRW), gelegentlich auch nicht (vgl. § 6 HessKGG).
27d) Bei wertender Betrachtung ist der ausschließlich aus öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften bestehende kommunale Zweckverband unter den Begriff des Gemeindeverbands zu fassen.
28(1) Regelungsgegenstand des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB ist, dass die dort benannten öffentlich-rechtlichen Institutionen des Schutzes durch die ordentlichen Kündigungsrechte in § 489 Abs. 1 BGB nicht bedürfen.
29(a) Die in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB benannten Rechtsträger befinden sich bereits bei den Vertragsverhandlungen im Vorteil. Aufgrund ihres hoheitsrechtlichen Gepräges und weil sie auf eine langfristige Existenz zugeschnitten sind, wird ihnen bei der Konditionenvereinbarung jedenfalls tendenziell eine dem privaten Darlehensnehmer überlegene Verhandlungsstärke zuteil (vgl. bereits LG Frankfurt WM 2014, 1722, 1724; Urteil vom - 2-07 O 252/20, juris Rn. 35). Diese kann im Einzelfall durch hohe Kreditvolumina, die im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge vielfach erforderlich und für Kreditgeber attraktiv sind, noch verstärkt werden. Ein typischerweise nicht unerheblicher Konditionenvorteil ist die Folge.
30(b) Hinzu tritt, dass die Risiken im Kommunalkreditgeschäft von den Banken als im Vergleich zu gewerblichen oder privaten Adressen erheblich geringer und Bonitätsrisiken als "praktisch ausgeschlossen" bewertet werden (vgl. Josten BKR 2006, 133, 135). Denn die anhaltende Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand wird durch die Steuerautonomie auf der einen Seite und die strenge aufsichtsbehördliche Überwachung der Einhaltung der haushaltsrechtlichen Grundsätze auf der anderen Seite gewährleistet. Kommunaldarlehen können deshalb zu Konditionen ausgereicht werden, die für ein vergleichbares Privatdarlehen nicht darstellbar wären. Unkündbar lange Vertragslaufzeiten wirken sich deshalb für den öffentlich-rechtlichen Darlehensnehmer bereits aufgrund der typischerweise günstigeren Konditionenvereinbarungen weniger belastend aus.
31(c) Die öffentlich-rechtlichen Institutionen bedürfen des Schutzes der ordentlichen Kündigungsrechte nach § 489 Abs. 1 BGB aber auch sonst nicht.
32Das Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 BGB bezweckt den Schutz des Darlehensnehmers, indem ihm die Anpassung an marktgerechte Zinsen und die Umschuldung erleichtert werden; vor einer langfristig für ihn wirtschaftlich nachteiligen Vertragsbindung soll er geschützt werden. Die in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB aufgezählten Rechtsträger sind jedoch auch mit Blick auf künftige Zahllasten mit einem privaten Darlehensnehmer nicht vergleichbar, weil sie vermittels ihrer Rechtsstellung über ein eigenes Auffangnetz für wirtschaftliche Krisen verfügen. Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände können ihre Haushaltsmittel durch Steuern bzw. Beiträge aufstocken. Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit mit den daran anschließenden Konsequenzen droht ihnen nicht. Gemeindeverbände sind nicht dem Insolvenzverfahren unterworfen (vgl. Vuia in MüKoInsO, 4. Aufl., § 12 Rn. 15). Eine sich im Nachhinein als wirtschaftlich nachteilig erweisende Vertragsbindung wirkt sich für sie nicht existenzbedrohend aus.
33(2) Für kommunale Zweckverbände gelten diese Erwägungen dann entsprechend, wenn sie keine privaten Mitglieder haben.
34(a) In seinem hoheitlichen Gepräge steht der allein aus hoheitlichen Rechtsträgern bestehende Zweckverband einem Gemeindeverband gleich. Er bildet wie der Gemeindeverband eine Selbstverwaltungskörperschaft, die durch ihre Organe vertreten wird. Beiden Rechtsträgern fehlt es an der Allzuständigkeit, welche die Gemeinde als Rechtspersönlichkeit auszeichnet. Sie werden nicht innerhalb eines ihnen gesetzlich zugewiesenen originären Aufgabenbereichs, sondern zur Erfüllung besonderer delegierter kommunaler Aufgaben tätig (Art. 28 Abs. 2 GG). Speziell in ihren Möglichkeiten zur Teilnahme am privatrechtlichen Rechtsverkehr und ihrer strukturellen Stellung gegenüber privaten Vertragspartnern unterscheiden sie sich nicht. Solange der Zweckverband ausschließlich hoheitliche Mitglieder hat, ist ferner ausgeschlossen, dass sich private Partikularinteressen auf seine Tätigkeit auswirken. Es kommt entgegen dem Revisionsvorbringen des Klägers nicht darauf an, dass ein Zweckverband nicht unmittelbar mit staatlicher Hoheitsgewalt im Sinne der Gebietshoheit einer Gebietskörperschaft ausgestattet ist. Im Rahmen seiner gegenstandsbezogenen Aufgabenerfüllung wird er in vergleichbarer Weise hoheitlich tätig. Vor allem aber erfolgt der Abschluss eines Darlehensvertrags mit einer Bank nicht mit staatlicher Hoheitsgewalt, sondern privatrechtlich durch Angebot und Annahme. Die Verhandlungsstärke des Zweckverbands unterscheidet sich an dieser Stelle von derjenigen eines Gemeindeverbands nicht.
35(b) Zweckverbände besitzen regelmäßig kein Recht zur Findung und Erhebung kommunaler Steuern. Die Bundesländer können die ihrer Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2a GG unterfallende Befugnis zur Findung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern in ihren Kommunalabgabengesetzen auf Gemeinden und Gemeindeverbände übertragen (vgl. BVerfGE 40, 56, 60 f.; BVerfG NJW 1984, 785). Die Kooperationsgesetze der Länder sehen demgegenüber zumeist vor, dass Zweckverbänden das Recht zur Steuererhebung nicht zusteht (Schmidt KommJur 2010, 401, 402 mwN). Diese finanzieren sich durch die Belastung ihrer Mitglieder und Nutzer. Es steht ihnen insbesondere frei, von den Verbandsmitgliedern bedarfsabhängig Verbandsumlagen zu erheben. Mittelbar greifen sie damit auf den Haushalt der ihnen angehörigen Gemeinden zu, denen eine "Nachschusspflicht" obliegt, wenn dies haushalterisch zur Erreichung des Verbandszwecks erforderlich ist. Über die Verbandsumlage steht dem Zweckverband mithin vermittels der ihm angehörigen Gemeinden im Ergebnis gleichfalls der Zugriff auf kommunale Steuereinnahmen offen. Sind Mitglieder eines Zweckverbands ausschließlich Gemeinden oder Gemeindeverbände, besteht damit im Hinblick auf die Finanzausstattung im Krisenfall letztlich kein Unterschied zwischen ihm und einem Gemeindeverband.
36(c) Ebenso wie Gemeindeverbände sind auch Zweckverbände nicht insolvenzfähig. Sie unterstehen nach Maßgabe der geltenden Landesgesetze der staatlichen Aufsicht. Aus den regelmäßig jeweils auf die geltende Gemeindeordnung verweisenden Landesgesetzen ergibt sich, dass über das Vermögen eines Zweckverbands ein Insolvenzverfahren nicht stattfindet (vgl. die Übersicht über die landesrechtlichen Regelungen bei Vuia in MüKoInsO, 4. Aufl., § 12 Rn. 23 mwN).
37(d) Gegen die Gleichstellung von Zweckverbänden, die allein hoheitliche Mitglieder haben, mit Gemeindeverbänden kann auch nicht eingewendet werden, sie seien nicht im gleichen Maße wie Gemeindeverbände auf Dauer angelegt. Zweckverbände erfüllen zwar eine bestimmte Aufgabe, deren Erfüllung im Einzelfall neu organisiert und dem Zweckverband mit der Folge wieder entzogen werden kann, dass dieser aufgelöst wird. Nach der Vollbeendigung bleibt der Zweckverband für Altverbindlichkeiten aber Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten, in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Rechtsgrundsätze vergleichbar einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eines nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins. Seine Mitglieder haften in diesem Fall unbeschränkt und als Gesamtschuldner (vgl. , LKV 2001, 333, 335 und II ZR 358/98, NZG 2001, 327, 329). Handelt es sich bei diesen ausschließlich um Gemeinden und Gemeindeverbände, unterscheidet sich die Haftungsverfassung im Ergebnis nicht von der Konstellation, in der die haftende Gemeinde oder der Gemeindeverband das Kommunaldarlehen selbst aufgenommen hat.
38(3) Eine Ungleichbehandlung des rein hoheitlich betriebenen Zweckverbands und des Gemeindeverbands hätte ferner Brüche und Wertungswidersprüche zur Folge, die mit der Regelungsintention des § 489 Abs. 4 BGB nicht in Einklang zu bringen wären. Ein Zweckverband ist in diesem Fall nichts anderes als ein Zusammenschluss von Gemeinden, welcher der effektiven Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben aus dem Bereich der Daseinsvorsorge dient. Ohne ihn müsste jede einzelne Gemeinde den betroffenen Aufgabenbereich eigenständig abdecken. Würde sie dazu ein Kommunaldarlehen in Anspruch nehmen, stünde die Disponibilität des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut außer Zweifel. Ein sachlicher Grund dafür, die Gemeinden anders zu behandeln, weil sie sich zu einem Verband zusammengeschlossen haben, besteht nicht. Das gilt umso mehr, als es vielfach von Zweckmäßigkeitserwägungen abhängt, ob eine Gemeinde die betroffenen Aufgabenkreise selbst oder als Mitglied eines Zweckverbands organisiert hat.
394. Abweichendes ergibt sich schließlich nicht aus den Wertungen der bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften. Danach gelten Kredite an den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder ein rechtlich unselbstständiges Sondervermögen des Bundes oder eines Landes gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 KWG nicht als Kredite im Sinne der §§ 15 bis 18 KWG. Weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein Bonitätsrisiko bei diesem Adressatenkreis nicht besteht, hat er von einer der Einlagensicherung dienenden qualifizierten Risikokontrolle und Steuerung bei der Kreditvergabe hier dispensiert (vgl. bereits § 19 KWG in der Fassung vom , BGBl. I S. 887; dazu RegE BT-Drucks. 3/1114, S. 35 re. Sp.). In der Aufsichtspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht werden Zweckverbände den Gemeindeverbänden im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 1 KWG dann gleichgestellt, wenn an ihnen mindestens eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband beteiligt ist (vgl. befürwortend C. Bock in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl., KWG § 21 Rn. 101; Reischauer/Kleinhans, KWG, § 21 Rn. 32; Helm BKR 2020, 398, 402).
405. Nach Maßgabe dessen erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei vorliegend einem Gemeindeverband im Sinne des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB gleichzustellen, als zutreffend.
41Der Kläger ist gemäß § 1 seiner Satzung ein Wasser- und Bodenverband im Sinne von § 1 WVG, der die ihm satzungsmäßig zugewiesenen Aufgaben aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllt. Er ist qua Gesetz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn auch keine Gebietskörperschaft. Mitglieder des Klägers sind zwölf in § 2 Abs. 1 der Satzung namentlich aufgeführte Gemeinden, von denen jede einzelne eine Gebietskörperschaft darstellt. Der Kläger ist nicht insolvenzfähig. Er unterliegt nach § 29 seiner Satzung der staatlichen Aufsicht, so dass gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 78 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW ein Insolvenzverfahren gegen ihn nicht stattfindet. Die Verbandsmitglieder sind verpflichtet, an den Kläger Beiträge zu leisten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 WVG und § 21 der Satzung des Klägers). Der Kläger ist auf Dauer angelegt. Erledigung kann im Bereich der öffentlichen Wasserversorgung nicht eintreten; ebenso wenig unterliegt dieser einem dynamischen Wandel. Private Mitglieder hatte der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags nicht.
42Soweit nach der Satzung des Klägers auch Private Mitglieder des Zweckverbands sein konnten oder noch hätten werden können, wirkt sich dies entgegen der Auffassung der Revision auf die Disponibilität des Kündigungsrechts nicht aus. Denn dafür ist allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Soweit Mitgliedschaften Privater nach Abschluss des Darlehensvertrags begründet worden wären, hätte für diese nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die zu diesem Zeitpunkt erkennbar bestehende Rechtslage mit allen sich hieraus ergebenden Vor- und Nachteilen gegolten. Die Rechtsposition der Beklagten, welche die Vertragskonditionen auf der Grundlage des fehlenden Ausfallrisikos gewährt hatte, wäre im Falle der späteren Mitgliedschaft Privater gleichfalls unberührt geblieben, denn sie hatte von der ihr zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich durch die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts abzusichern.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:141221UXIZR72.20.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 1250 Nr. 17
WM 2022 S. 278 Nr. 6
ZIP 2022 S. 258 Nr. 6
QAAAI-03381