Verfügung betr. ertragsteuerliche Beurteilung von Darlehensverbindlichkeiten im Abwicklungsendvermögen einer Tochtergesellschaft; Vermeidung der steuerlichen Konsequenzen aus der Anwendung des Beschlusses des Großen Senats vom GrS 1/94, BStBl 1998 II S. 307
Bezug: BStBl 2006 I S. 497
Bezug:
Bezug: BStBl 2017 II S. 670
Bezug: BStBl 2015 II S. 769
Bezug: BStBl 1998 II S. 307
Bezug:
1. Ertragsteuerliche Beurteilung von Darlehensverbindlichkeiten im Abwicklungsendvermögen einer Tochtergesellschaft
Auf Bund-Länder-Ebene wurde erörtert, welche ertragsteuerlichen Konsequenzen sich aus der Auflösung und Liquidation einer Tochtergesellschaft ergeben, in deren Abwicklungsendvermögen sich eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber ihrer Muttergesellschaft befindet.
1.1. Sachverhalt
Mutter- und Tochtergesellschaft (beides Kapitalgesellschaften) haben eine Darlehensvereinbarung getroffen. Die Muttergesellschaft beschließt nunmehr die Auflösung und Liquidation der Tochtergesellschaft bzw. stimmt dieser zu, hat aber ausdrücklich keinen Forderungsverzicht hinsichtlich ihrer Darlehensforderung erklärt.
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Beantragung der Liquidation oder die Zustimmung zu dieser als konkludenter Forderungsverzicht der Muttergesellschaft anzusehen ist und ob bei der Tochtergesellschaft aufgrund eines eventuellen Wegfalls der wirtschaftlichen Belastung durch die Darlehensverbindlichkeit ein steuerpflichtiger Ertrag entsteht.
1.2. Beschluss
Nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt in solchen Fällen Folgendes:
Allein in der Beantragung oder Zustimmung des Gläubigers zur Liquidation einer Tochterkapitalgesellschaft ist kein konkludenter Forderungsverzicht zu sehen. Es ist unverändert von einer wirtschaftlichen Belastung durch die Verbindlichkeit beim Schuldner auszugehen. Diese entfällt erst, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen wird.
1.3. Ergänzende Hinweise
1.3.1. Allgemeines
Allgemein gilt, dass die Vermögenslosigkeit des Schuldners keinen Einfluss auf die Pflicht zur Passivierung einer Verbindlichkeit in Handels- und Steuerbilanz hat (vgl. , BStBl 2017 II S. 670, Rz. 15; , BStBl II S. 769, Rz. 9). Zudem liegt hierin grundsätzlich kein besonderer Umstand, der einen unterhalb des Nennwerts liegenden geringeren Wert der Verbindlichkeit begründet. Es ist erst dann von keiner wirtschaftlichen Belastung des Schuldners auszugehen, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht mehr geltend machen wird (, BStBl II S. 561, Rz. 21).
Besteht die Verbindlichkeit bis zum Abschluss der Liquidation zivilrechtlich fort, ist im Einzelfall zu prüfen, wie die Verbindlichkeit in der Abwicklungsschlussbilanz (§ 11 KStG) der sich in Liquidation befindenden Kapitalgesellschaft zu bewerten ist. Grundsätzlich beeinflussen weder die Vermögenslosigkeit des Schuldners noch deren bevorstehende Existenzbeendigung den Wertansatz im Rahmen der Liquidationsbesteuerung. Verbindlichkeiten bleiben zivilrechtlich über die Liquidation hinaus bestehen und können bei später festgestelltem Vermögen im Rahmen von Nachtragsliquidationen befriedigt werden.
Hieraus ergeben sich keine von dem o.g. Beschluss abweichenden Regelungen. Im Rahmen der Würdigung sind besondere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
1.4. Rangrücktrittsvereinbarungen
In Fällen, in denen die Muttergesellschaft für die Forderung einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt hat, wonach die Forderung gegen die Tochtergesellschaft hinter sämtlichen Forderungen derzeitiger und zukünftiger Gläubiger zurücktritt, ist Folgendes zu beachten:
Der vereinbarte Rangrücktritt ist dann für die Rechtsfrage unmaßgeblich, wenn die Vereinbarung die Tilgung aus sonstigem freien Vermögen vorsieht. Bei Fehlen einer solchen Möglichkeit ist die Verpflichtung unabhängig von dem vorgenannten Beschluss bereits aus diesem Grund gem. § 5 Abs. 2a EStG nicht mehr zu passivieren, da es ansonsten an einer für die Passivierung maßgeblichen wirtschaftlichen Belastung mangelt (vgl. BStBl I S. 497, Rz. 6.
In Fällen, in denen die Muttergesellschaft den qualifizierten Rangrücktritt zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der Tochtergesellschaft erklärt hat, gelten keine von dem Beschluss abweichenden Regelungen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist Voraussetzung für die insolvenzvermeidende Wirkung des Rangrücktritts (und somit die Suspendierung der Passivierungsverpflichtung im Überschuldungsstatus), dass das vereinbarte Zahlungsverbot dann eingreift, wenn durch eine gedachte Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht (, Rz. 22). Dieser insolvenzrechtliche Anspruch hat jedoch keine Auswirkung auf die handels- und steuerbilanzielle Behandlung. Die Feststellung des Überschuldungsstatus dient lediglich der Entscheidung darüber, ob ein Insolvenzverfahren zu beantragen ist.
1.4.1. Insolvenz
Auch in Fällen, in denen sich die Tochtergesellschaft im Insolvenzverfahren befindet bzw. auch nach Aufhebung der Insolvenz ist weiterhin grundsätzlich von einer wirtschaftlichen Belastung und somit von einer Passivierungsverpflichtung auszugehen (so auch Kurzinformation Nr. 46/2014 der DStR 2015 S. 699).
2. Vermeidung der steuerlichen Konsequenzen aus der Anwendung des Beschlusses des Großen Senats vom GrS 1/94, BStBl. 1998 II S. 307
2.1. Allgemeines
Von den o.a. Grundsätzen sind Modelle zur Vermeidung der steuerlichen Konsequenzen aus der Anwendung des Beschlusses des Großen Senats vom GrS 1/94, BStBl. 1998 II S. 307, d.h. die Versteuerung von Erträgen resultierend aus Forderungsverzichten im Wege der verdeckten Einlage und deren Ansatz mit dem niedrigeren Teilwert, abzugrenzen. Insbesondere die nachfolgend geschilderte Fallvariante der „befreienden Schuldübernahme“ bitte ich vor der Entscheidung (insb. bei Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft) zu berichten und mit mir abzustimmen.
2.2. Befreiende Schuldübernahme
Durch die Systematik der befreienden Schuldübernahme nach §§ 414, 415 BGB soll eine einkommensneutrale Entschuldung einer überschuldeten Kapitalgesellschaft ermöglicht werden.
unächst vereinbaren die Kapitalgesellschaft als Schuldner und der Übernehmer der Schuld (regelmäßig der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft bzw. eine konzernzugehörige Gesellschaft) eine unbedingt und unter Ausschluss jeglicher Rückgriffsansprüche zu erfolgende Schuldübernahme und teilen dies dem Gläubiger mit. In der Folge entstünde – unter Bezugnahme auf den – beim bisherigen Schuldner ein nach § 415 Abs. 3 BGB voll werthaltiger Anspruch auf Freistellung gegen den Übernehmer der Schuld. Im Zeitpunkt der Zustimmung des Gläubigers und der damit einhergehenden Schuldbefreiung des ursprünglichen Schuldners müsste die Schuld dann mit dem aktivierten Freistellungsanspruch aufgerechnet und damit insgesamt ertragsneutral ausgebucht werden.
Bezogen auf den Gegenstand der Schuldübernahme lassen sich die Fälle in zwei Untervarianten einteilen:
die Befreiung der Gesellschaft von Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (entspricht dem dem vorstehenden BFH-Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt) sowie
die Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen.
2.3. Ablösung von Gesellschafterdarlehen oder -sicherheiten durch Gesellschaftereinlagen
Zur steuerlichen Behandlung auf Gesellschafterebene verweise ich auf die allgemeinen Grundsätze in OFD a.M. Frankfurt v. - S 2244 A – 61 – St 215. Soweit sich die steuerliche Behandlung nicht auf Gesellschaftsebene übertragen lässt, bitte ich insbesondere in missbräuchlichen Gestaltungsvarianten zu berichten.
OFD Frankfurt/M. v. - S 2743
A-12-St 523
Fundstelle(n):
BAAAI-03292