NWB Nr. 5 vom Seite 281

Vom Hof auf den Tisch

Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer | RA/FAStR/FAHuGesR/StB | Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management gGmbH in Mannheim und Karlsruhe und Inhaber einer Kanzlei mit Standorten in Mannheim und München.

Die Umsatzsteuer als Lenkungssteuer für nachhaltige und gesunde Lebensmittel?

Als Konkretisierung des von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am erklärten „Green Deal“, der insbesondere für die Wirtschaft eine nachhaltige Wachstumsstrategie skizziert, hat die EU-Kommission am ihre Strategie für gesündere und nachhaltigere Lebensmittel unter dem Titel „Vom Hof auf den Tisch“ („From Farm to Fork“) veröffentlicht. Im Rahmen dieser Strategie empfiehlt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten, durch steuerliche Anreize eine Umstellung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu erleichtern und damit einen nachhaltigen Lebensmittelkonsum zu fördern. Die Kommission nimmt ausdrücklich Bezug auf die Mehrwertsteuersätze der Mitgliedstaaten als mögliche Fördermaßnahme und nennt beispielhaft die Förderung von Bioobst und Biogemüse. Mit Steuerermäßigungen oder Steuerbefreiungen bei der Umsatzsteuer könnte bei fair gehandelten oder Bio-Lebensmitteln eine Preissenkung und damit ein stärkerer Kaufanreiz erzielt und eine Förderung von nachhaltigen biologischen Lebensmitteln erreicht werden.

Bereits jetzt gibt es Initiativen, die eine Steuerbefreiung bei Nahrungsmitteln aus biologischer Erzeugung fordern, so die unabhängige Initiative Fairtrade Deutschland e.V. ( Pressemitteilung v. 20.8.2020). Denkbar wäre es, biologische Lebensmittel außer Tierprodukte von der Umsatzsteuer zu befreien. Ggf. könnten auch Bio-Tierprodukte in die Steuerfreiheit einbezogen werden. Mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % könnten nach wie vor Lebensmittel aus konventioneller Erzeugung sowie ggf. Bio-Tierprodukte besteuert werden. Tiererzeugnisse aus konventioneller Erzeugung könnten ggf. mit dem Regelsteuersatz von 19 % besteuert werden. Eine Entlastung bei der Umsatzsteuer bei Bio-Produkten bzw. bei Fair-Trade-Produkten bedingt aber auch die Schaffung von klaren Kriterien hinsichtlich der Frage, wie sich ein Produkt in Bio-Qualität für die diesbezügliche Steuerbefreiung qualifiziert. Es ist daher naheliegend, dass nur Produkte, die den strengen Anforderungen der seit 2009 geltenden EG-Öko-Verordnung (VO (EG) Nr. 834/2007) genügen, für eine entsprechende Steuerbefreiung oder einen ermäßigten Steuersatz infrage kommen können.

Denkbar wäre es auch, andere nachhaltige Produkte und Dienstleistungen durch eine Senkung vom Regelsteuersatz auf den ermäßigten Steuersatz zu fördern. Dieser bereits von einigen Initiativen vorgeschlagene Gedanke würde den Nachhaltigkeitsgedanken bei der Umsatzsteuer auf eine Vielzahl von Lieferungen und sonstigen Leistungen ausweiten und damit die Dimension einer „nachhaltigen“ Umsatzsteuerreform erreichen.

Bei diesem Thema ist derzeit viel Bewegung in der öffentlichen Diskussion. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister hatte am bereits signalisiert, dass der Kauf nachhaltiger und gesunder Lebensmittel gefördert werden sollte und dies im Rahmen einer Bundestagsdebatte am 14.1.2022 ergänzt. Man darf auf die nächsten Schritte des Gesetzgebers in diesem Jahr gespannt sein!

Hans-Jörg Fischer

Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 281
JAAAI-02906