Verfahrensrecht | Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge (FG)
An der Höhe der ab 2019 entstandenen Säumniszuschläge bestehen verfassungsrechtliche Zweifel (; Beschwerde zugelassen).
Sachverhalt: Die Antragstellerin entrichtete fällige Grunderwerbsteuer verspätet im November 2019, wodurch Säumniszuschläge für drei Monate entstanden, die die Antragstellerin zahlte. Auf Antrag erließ das Finanzamt hierüber einen Abrechnungsbescheid. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantrage die Aufhebung der Vollziehung. Nach Ablehnung dieses Antrags durch das Finanzamt wandte sich die Antragstellerin an das Gericht und machte geltend, die Höhe der Säumniszuschläge sei im Hinblick auf die zur Zinshöhe ergangene Entscheidung des und 1 BvR 2422/17 (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.8.2021 sowie u.a. Fischer, ) ebenfalls verfassungswidrig. Hierzu berief sie sich auf einen nicht veröffentlichten . Abweichend von diesem Beschluss sei die Vollziehung der Säumniszuschläge im Streitfall nicht hälftig, sondern vollständig aufzuheben.
Das Finanzamt wandte ein, dass keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge bestünden. Sie wirkten als Druckmittel, dienten der Abgeltung von Verwaltungsaufwand und seien eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung. Ein fester Zinsanteil lasse sich nicht ermitteln. Die Entscheidung des BVerfG sei daher nicht auf Säumniszuschläge übertragbar.
Das FG Münster hob die Vollziehung des Abrechnungsbescheids über die Säumniszuschläge in vollem Umfang auf:
Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat erscheint zweifelhaft.
Nach dem von der Antragstellerin angeführten sind Nachzahlungszinsen nach § 233a AO verfassungswidrig, soweit sie auf Verzinsungszeiträume ab 2014 entfallen. Allerdings gilt die verfassungswidrige Regelung bis zum fort.
Andere Verzinsungstatbestände bedürfen nach Auffassung des BVerfG einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung, wobei zu berücksichtigen ist, dass Steuerpflichtige im Bereich der Teilverzinsungstatbestände grundsätzlich die Wahl haben, ob sie den steuerlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat hinnehmen oder sich die zur Tilgung der Steuerschuld erforderlichen Geldmittel anderweitig zu günstigeren Konditionen beschaffen.
In seinem von der Antragstellerin in das Verfahren eingebrachten Beschluss v. - VII B 69/21 führt der BFH aus, dass die verfassungsrechtlichen Zweifel auf Säumniszuschläge übertragbar sind, soweit ihnen nicht die Funktion eines Druckmittels, sondern eine zinsähnliche Funktion zukommt.
Da sich das Aussetzungsbegehren im dortigen Verfahren nur auf die hälftigen Säumniszuschläge beschränkt hat, hat der BFH keine Entscheidung über darüber hinaus gehende Beträge treffen müssen.
Nach Auffassung des 12. Senats des FG Münster kann die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein, weil es keine Teil-Verfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm geben kann. Daher ist die Vollziehung der Säumniszuschläge in vollem Umfang aufzuheben.
Das Finanzamt hat die vom Senat zugelassene Beschwerde eingelegt. Der Senat hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem BFH zur Entscheidung vorgelegt. Ein dortiges Aktenzeichen ist noch nicht bekannt. Der Volltext des Beschlusses ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.
Quelle: FG Münster, Newsletter Januar 2022 (il)
Fundstelle(n):
NAAAI-01911