Verfahrensrecht / Kindergeld | Eine unionsrechtliche Familienbetrachtung (BFH)
Ein Kindergeldantrag, der von einem im Inland lebenden, jedoch nur nachrangig berechtigten Elternteil gestellt worden ist, hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist und verhindert den Eintritt der Festsetzungsverjährung zugunsten des anderen, im EU-Ausland lebenden Elternteils, der vorrangig anspruchsberechtigt ist, aber zunächst keinen eigenen Kindergeldantrag gestellt hat (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebte im Streitzeitraum in Griechenland. Die Tochter lebte im Haushalt der Klägerin in Griechenland und ging dort zur Schule. Der im Streitzeitraum in Deutschland lebende leibliche Vater, ein griechischer Staatsangehöriger, stellte 2013 einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld, der von der Familienkasse in 2015 abgelehnt wurde. Eine Klage blieb erfolglos. 2017 stellte die Klägerin einen Kindergeldantrag, den die Familienkasse in 2018 ablehnte.
Die Revision der Familienkasse wurde vom BFH zurückgewiesen:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin gem. §§ 32, 62 ff. EStG i.V.m. Art. 67 f. der VO Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 987/2009 Durchführungsverordnung) in dem vom FG zuerkannten Umfang Kindergeld zusteht.
Das FG hat nach Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 insbesondere auch zutreffend einen inländischen Wohnsitz der Klägerin i. S. des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fingiert.
Gem. Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats. Gem. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004 die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen (vgl. dazu z.B. ).
Anders als die Familienkasse vorträgt, ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von (Differenz-)Kindergeld nicht gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen, obwohl der Kindergeldanspruch allein auf dem Wohnsitz des Vaters beruht.
Bei Antragstellung war für das Kindergeld für die Zeit ab Januar 2012 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, denn der für den Kindergeldanspruch der Klägerin maßgebliche Antrag wurde nicht erst im Juli 2017, sondern bereits im April 2013 von V gestellt und mit Einspruch vom auf die Zeit bis Januar 2015 erstreckt.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
CAAAI-01287