Einkommensteuer | Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes des § 34 EStG (BFH)
Die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen kann, ist auch dann verbraucht, wenn das FA die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte i. S. des Absatzes 2 Nr. 1 enthalten, so kann auf Antrag abweichend von Absatz 1 die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist, § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG. Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 %.
Sachverhalt: Der Kläger schied zum aus einer Gemeinschaftspraxis aus und erzielte einen nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn von gut 1 Mio €. Zum war bereits C aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden. In 2006 erhielt die Gemeinschaftspraxis eine Sonderzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von rund 80.000 €, die unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fiel. Diese wurde in der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis entsprechend erklärt. Der Feststellungsbescheid erging am erklärungsgemäß und stellte für den Kläger den Betrag von rund 40.000 € als "tarifbegünstigte Einkünfte i. S. des § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG" fest.
In der ESt-Erklärung 2006 erklärte der Kläger u.a. bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in der unter „Sonstiges“ einen begünstigten Gewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 EStG von 40.000 €. Eintragungen über Angaben zu Veräußerungsgewinnen wurden nicht vorgenommen, insbesondere wurde weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes beantragt.
Fehlerhaft ging das Finanzamt bei der Auswertung der Mitteilung über die anteiligen Einkünfte von einem anteiligen „Veräußerungsgewinn“ aus, wies ihn im ESt-Bescheid 2006 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gesondert aus und gewährte (ohne entsprechenden Antrag des Klägers) den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG. Diese Fehler waren erkennbar. Der steuerliche Vorteil betrug rund 8.000 €. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am erließ das Finanzamt den ESt-Bescheid 2016, ohne die Ermäßigung aufgrund des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG zu berücksichtigen, weil diese bereits 2006 verbraucht gewesen sei.
Der BFH sah die Revision des FA als begründet an:
Der Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht und ein Betrag begünstigt besteuert wird, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt.
Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die rechtsirrige Gewährung der Vergünstigung in dem früheren Bescheid für den Steuerpflichtigen angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des FA nicht erkennbar war.
Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
IAAAI-01285