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Online-Nachricht - Freitag, 07.01.2022

Erbschaftsteuer | Besteuerung eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses (BFH)

Der Vermächtnisnehmer eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses erwirbt erbschaftsteuerrechtlich vom Beschwerten. Fällt der erstberufene Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses weg, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer ebenfalls vom Beschwerten und nicht vom erstberufenen Vermächtnisnehmer (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der 1957 verstorbene Erblasser war Eigentümer eines Hausgrundstücks. In einem notariell beurkundeten Testament hatte er seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmt und das Grundstück seinem Neffen vermacht. Das Vermächtnis sollte zwar mit dem Tod des Erblassers anfallen, Übergabe und Übereignung des Grundstücks konnte der Vermächtnisnehmer jedoch erst nach dem Tod der Ehefrau verlangen. Für den Fall, dass der Neffe das Vermächtnis nicht erwerben sollte, fiel es an dessen eheliche Abkömmlinge. Sollte der Neffe nach Anfall, aber vor Fälligkeit des Vermächtnisses sterben, fiel es an diese als Nachvermächtnisnehmer.

Der Neffe verstarb 2011 und wurde durch seine Kinder, den Kläger sowie dessen Bruder, beerbt. Im Jahre 2012 verstarb die Ehefrau des Erblassers. Danach wurde das Grundstück in Erfüllung der testamentarischen Verpflichtung auf den Kläger und dessen Bruder als Miteigentümer zu jeweils zur Hälfte übertragen.

Das FA setzte gegenüber dem Kläger Erbschaftsteuer für einen vermächtnisweisen Erwerb von Todes wegen von der Ehefrau des Erblassers fest. Während der Kläger die Anwendung der Steuerklasse I beantragt hatte, wandte das FA Steuerklasse III an. Es vertrat die Auffassung, für die Besteuerung sei das Verwandtschaftsverhältnis des Klägers zu der Vorerbin - der Ehefrau des Erblassers - bzw. zum Erblasser maßgebend.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, es habe sich um ein Nachvermächtnis i. S. des § 2191 BGB gehandelt, so dass nach § 6 Abs. 2 ErbStG i. V. mit § 6 Abs. 4 Alternative 1 ErbStG auf Antrag der Erwerb als vom Vater stammend zu behandeln sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen ().

  • Das Vermächtnis stellt erbschaftsteuerrechtlich einen Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG nach der Ehefrau des Erblassers auf den Zeitpunkt seiner Fälligkeit dar, den das FA zutreffend unter Anwendung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse III ErbStG besteuert hat. Dies folgt allerdings nicht aus einer auf eine teleologische Reduktion gestützten Nichtanwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, sondern aus § 6 Abs. 4 Alternative 2 ErbStG.

  • Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten fällig sind, werden über eine Gleichstellung mit den Nacherbschaften erbschaftsteuerrechtlich im Wesentlichen so behandelt wie Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten anfallen.

  • Ist ein Vermächtnis erst mit dem Tod des beschwerten Erben fällig und ein zweiter Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der erste Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses verstirbt, erwirbt - sollte sich dies realisieren - der zweitberufene Vermächtnisnehmer von dem beschwerten Erben, nicht aber vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Zeitpunkt des Erwerbs ist der Tod des Erben. Ob zivilrechtlich die beiden Vermächtnisse als Vor- und Nachvermächtnis zu qualifizieren sind, ist für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht erheblich.

  • Mit dem Tod des Erblassers hatte dessen Neffe - der Vater des Klägers - nach § 6 Abs. 4 Alternative 2 ErbStG noch keinen Vermächtniserwerb zu versteuern. Das Vermächtnis war noch nicht fällig, weil die Ehefrau des Erblassers noch nicht verstorben war. Dasselbe galt für den Kläger und seinen Bruder beim Tod ihres Vaters. Die Fälligkeit des Vermächtnisses trat erst mit dem Tod der Ehefrau des Erblassers ein. Auf diesen Zeitpunkt hat der Kläger es als von ihr stammend zu versteuern. In diesem Verhältnis ist die Steuerklasse III anzuwenden.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Während zivilrechtlich der Vorerbe und der Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben, gilt erbschaftsteuerrechtlich beim Tod des Erblassers zunächst allein der Vorerbe als Erbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Bei Eintritt der Nacherbfolge hat der Nacherbe das auf ihn übergehende Vermögen als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Auf Antrag ist bei der Besteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Das hat Auswirkungen auf Freibetrag, Steuerklasse und Steuersatz. Nach § 6 Abs. 4 ErbStG gelten die Grundsätze der Vor- und Nacherbschaft auch für Vermächtnisse, die erst mit dem Tod des Beschwerten fällig werden. Solche Vermächtnisse sind in der Erbrechtspraxis nicht selten.

Wie das Leben spielt, kann in solchen Fällen natürlich auch der Vermächtnisnehmer selbst vor dem Erben und damit vor Fälligkeit des Vermächtnisses versterben. Dies sollte bei Erstellung des Testaments bedacht werden. Hat der Erblasser für diesen Fall einen zweiten Vermächtnisnehmer bestimmt, erwirbt dieser zweitberufene Vermächtnisnehmer ebenfalls von dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben und nicht vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Ob zivilrechtlich die beiden Vermächtnisse als Vor- und Nachvermächtnis zu qualifizieren sind, ist für Zwecke der Erbschaftsteuer unerheblich. Der Erwerb des zweitberufenen Vermächtnisnehmers ist im Zeitpunkt des Todes des Erben zu besteuern.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
UAAAI-01281