Einkommensteuer | Abweichung zwischen dem Vereinbarten und der tatsächlichen Durchführung bei Altenteilsverträgen (BFH)
Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde. Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Altenteilsleistungen aufgrund eines Hofübergabevertrags als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Insbesondere ist streitig, ob eine "schlicht vergessene Durchführung" einer Erhöhung von Baraltenteilsleistungen ab dem 65. Lebensjahr des Altenteilers, die sich aus einer Wertsicherungsklausel ergibt, der Annahme entgegensteht, der Übergabevertrag sei mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen worden. Das FG der ersten Instanz hatte einem Sonderausgabenabzug wegen eines fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien nicht zugelassen ().
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde.
Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt.
Für die - anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende - Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, ist auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen.
Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wird, der bei Übergabeverträgen, die bis zum abgeschlossen worden sind, zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führt (vgl. dazu , Rz 32, seit dem online veröffentlicht, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 16.12.2021 mit Anmerkung Nöcker).
Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:
In mehreren Urteilen hat der X. Senat des BFH am zu Fragen der steuerlichen Berücksichtigung von Versorgungsleistungen Stellung genommen. So hat der BFH im bereits veröffentlichten Urteil v. – X R 31/20 entschieden, dass für Übergabeverträge, die vor dem abgeschlossen worden sind, eine Begrenzung der Pflegekosten bis zur Höhe der Pflegestufe 1 nicht zur Aberkennung einer dauernden Last führe. Im aktuellen Urteil erweitert er dies insoweit, als auch eine Begrenzung des Pflegerisikos in Verträgen, die nach dem abgeschlossen worden sind, Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (bis 2014) bzw. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (ab 2015) sind, wenn sie bislang als dauernde Lasten zu qualifizieren wären. Offen bleibt jedoch, ob auch Leibrenten nach altem Recht Versorgungsleistungen nach neuen Recht sind.
Schwerpunktmäßig beschäftigt sich die Entscheidung mit der weiterhin aktuellen Frage, wann davon auszugehen ist, dass ein Übergabevertrag mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen worden ist. Dabei stellt der BFH - anders als das FG - auf eine Gesamtwürdigung ab und lässt Änderungen, die auf nachweisbaren Umständen beruhen, zu. Lediglich eine von Anfang an vollständige Nichtzahlung ist schädlich. "Schlichtes Vergessen", wie vom FG festgestellt, führt noch nicht zur Aberkennung eines Rechtsbindungswillens.
Interessanterweise weist der BFH ausdrücklich darauf hin, dass im Rahmen der von ihm geforderten Gesamtbetrachtung nicht nur auf die Barzahlungen abzustellen sei. Problematisiert wird auch der Miet- bzw. Nutzungswert des Wohnungsrechts. Denkbar erscheint, dass insoweit mittlerweile der Nutzungswert des Wohnungsrechts anzusetzen ist. Vorsorglich stellt der Senat im Rahmen der sog. Segelanweisungen klar, dass der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG zu eng geraten ist. Der Wohnteil sei nicht nur im Fall der Übergabe der "Betriebe" der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch bei der Übergabe von Mitunternehmeranteilen an einer land- und forstwirtschaftlichen Personengesellschaft (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG) mit einzubeziehen.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
FAAAI-01273