Einkommensteuer | Generationennachfolge-Verbund bei Nacherbschaft (BFH)
Wiederkehrende Leistungen und Zahlungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem Vorerben zu Gunsten eines zum Generationennachfolge-Verbund gehörenden Nacherben für die Dauer der Vorerbschaft auferlegt und die aus dem übergegangenen Vermögen zu erbringen sind, können dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sein (, veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 22 Nr. 1b EStG in der im VZ 2014 geltenden Fassung a.F. (EStG a.F.) sind Einkünfte aus Versorgungsleistungen steuerbar, soweit beim Zahlungsverpflichteten die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. erfüllt sind. Mit Wirkung zum VZ 2015 ist diese Vorschrift in § 22 Nr. 1a EStG aufgegangen, wonach der Empfänger Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG zu versteuern hat, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- und Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind.
Sachverhalt: Der Kläger war zunächst mit seinem Vater (V) Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. V war an der Grundstücksgemeinschaft zu 75 %, der Kläger zu 25 % beteiligt. V verstarb im Jahr 1989.
Alleinerbin wurde die Stiefmutter (S) des Klägers, allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Kläger. V beschwerte S mit dem Vermächtnis, dem Kläger "in der Zeit der Vorerbschaft" 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen. Der Kläger setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort. Entsprechend der testamentarischen Anordnung bezog er in den Streitjahren von S aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen in den Streitjahren 2014 bis 2016 Zahlungen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses.
Nachdem das FA von dem Vermächtnis erstmals im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte, ging es von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen der S für die Streitjahre als sonstige Einkünfte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: ).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Unstreitig ist, dass die Zahlungen der S beim Kläger nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Vielmehr handelt es sich um sonstige Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG.
Zwar unterfallen die Zahlungen nicht dem Grundtatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG. Jedoch liegen die Voraussetzungen der insoweit spezielleren Vorschriften des § 22 Nr. 1b EStG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung (EStG a.F.) bzw. § 22 Nr. 1a EStG vor.
Die Vermächtniszahlungen erfüllen für S die Voraussetzungen eines Sonderausgabenabzugs. Es handelt um auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG in der bis zum geltenden Fassung (EStG 2007).
Die durch letztwillige Verfügung des V zu Gunsten des Klägers angeordneten Zahlungen sind dem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Sonderrechtsinstitut einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen (vgl. hierzu u.a. , BStBl II 2008, 16, unter II.1.d, m.w.N.) zuzuordnen.
Unbeachtlich ist, dass die Zahlungen nicht lebenslang, sondern lediglich für die zeitlich ungewisse Dauer der Vorerbschaft bezogen werden sollen.
Denn vorliegend wird der Kläger mit dem Eintritt des Nacherbfalls der Eigentümer und Nutzungsberechtigter des Nachlasses, sodass sowohl der Rechtsgrund als auch das Bedürfnis für die vermächtnisweise angeordneten Zahlungen beim Kläger entfallen. In diesem Fall tritt eine grundlegende Änderung der Versorgungssituation des Klägers ein, da er dann diejenigen Mieteinnahmen, die bisher Gegenstand der Versorgungsleistungen gewesen sind, fortan aus eigenem Recht beziehen wird.
Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:
In mehreren Urteilen hat der X. Senat des BFH am zu Fragen der steuerlichen Berücksichtigung von Versorgungsleistungen Stellung genommen.
Vorliegend hat er nicht nur erneut klargestellt, dass einer lebzeitigen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen auch eine solche aufgrund einer letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) gleichsteht (so erstmals deutlich im , BStBl II 1992, 612, unter 4. b bb und zuletzt im , BFH/NV 2021, 304, Rz 12). Dabei ist allerdings diese Art der Vermögensübergabe auf die erb- oder pflichtteilsberechtigten Personen (Ehegatten und Kinder) beschränkt (sog. Generationennachfolge-Verbund).
Erstmals hatte sich der BFH für den Fall einer Vor- und Nacherbschaft mit der Frage zu befassen, ob ein grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen verzichten muss. Dabei hat er es für ausreichend erachtet, dass der Versorgungsempfänger als Nacherbe bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt ist und seine Anwartschaft in der Phase der Vorerbschaft in Bezug auf die Nutzung des Nachlasses keinen wirtschaftlichen Wert hat.
Daneben hat der BFH erneut klargestellt, dass auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO eine dauernde Last (nach dem vor dem geltenden Recht) vorliegen kann, was bei der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen der Regelfall sei.
Quelle: , NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
HAAAI-01255